Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kleinpaul, Rudolf; Heinrich Schmidt & Carl Günther [Mitarb.]
Neapel und seine Umgebung: mit 142 Illustrationen — Leipzig: Heinrich Schmidt & Carl Günther, 1884

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.55172#0095
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
der sich im Dienste seines Herrn redlich abgemüht hat. Nachdenklich senkt er das schöne
männliche Haupt, dessen Züge keine Majestät, keine Ueberlegenheit, nur Pflichttreue und
Biederkeit verrathen: sein langes, verdienstvolles, aber saures, wahrlich nicht genussreiches
Leben zieht an seinem inneren Blick vorüber; es ist, wie der Psalmist sagt, Mühe und Arbeit
gewesen. Wer seine Jugend verschleudert und vertändelt, wer glaubt, dass er nur zum Genüsse
da sei, der mag sich an diesem Hercules ein Beispiel nehmen.
(2) Der Farnesische Stier (Toro Farnese, franz. Taureau Farnese, engl.
Farnese Bull), kolossale Marmorgruppe aus einem Block, ein Seitenstück zu der Laokoongruppe
und gleich ihr von rhodischen Künstlern, den Gebrüdern Apollonios und Tauriskos aus Tralles
in Kleinasien, im zweiten oberte und plünderte, nach

Jahrhundert vor Christus
gefertigt; von derselben
durch die Geschlossenheit
der Composition über-
troffen, aber an Kühnheit
und Lebendigkeit, an
leidenschaftlichem Pathos
von keinem andern Werke
des Alterthums erreicht;
dem Umfang nach das
mächtigste antike Mar-
morbild (3,75 m hoch,
2,75 m breit). Die auf-
fallend detaillirte Dar-
stellung der Landschaft
mit einer Fülle von
Staffage zeigt deutlich
die Verwandtschaft der
Kunst von Tralles mit der
des benachbarten König-
reichs Pergamum. Wahr-
scheinlich schmückte die
Gruppe ursprünglich den
Dionysostempel auf Rho-
dus und kam 42 v. Chr.,
als Cassius die Stadt er-

Rom und hier, wie aus
Plinius hervorgeht, in die
reiche Kunstsammlung des
Asinius Pollio; aus dieser
im dritten Jahrhundert in
die Caracallathermen, die
in der Nähe errichtet wor-
den waren. Allhier fand
man sie im Jahre 1546,
unter Paul III. Farnese,
vielfach verstümmelt; man
erkannte das Sujet nicht
gleich und dachte an den
kretischen Stier, den Her-
cules fing, restaurirte auch
danach ; erst nachher kam
man auf den Mythus der
Antiope und ergänzte
richtig. Diese zweite Re-
stauration nahm unter
Michel Angelo’s Ober-
leitung der Mailänder
Battista Bianchi vor; ein-
zelne Ergänzungen schei-
nen bereits in den Zeiten
Caracalla’s nothwendig


Die Farnesische Flora.

geworden zu sein. Nachdem sie über zwei Jahrhunderte im Palast Farnese gewesen war, liess
sie der König von Neapel 1787 nach Neapel bringen und in der Villa Nazionale aufstellen,
auf der Stelle, wo gegenwärtig die grosse antike Granitschale aus Paestum steht; 1825 versetzte
man sie in das Museum, in den Hauptsaal der Gallerie der Inschriften, dem Farnesischen
Hercules gegenüber.
Das imponirende Werk stellt die Rache dar, welche die Söhne der Antiope, Zethos und
Amphion, an Dirke nehmen (il castigo di Dirce). Antiope, die Tochter des Königs Nykteus von
Theben (nach Homer des Flussgottes Asopus) und der Polyxo, ward durch Zeus, der sie in
Gestalt eines Satyrs umarmte, geschwängert. Sie entfloh vor dem Zorne ihres Vaters und ward
Gemahlin des Königs Epopeus zu Sikyon. Nykteus trug sterbend seinem Bruder Lykos auf, Antiope
 
Annotationen