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Kleinpaul, Rudolf; Heinrich Schmidt & Carl Günther [Mitarb.]
Neapel und seine Umgebung: mit 142 Illustrationen — Leipzig: Heinrich Schmidt & Carl Günther, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.55172#0119
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über. Die antike Bulla entsprach den Medaillons unserer Damen; ärmere Kinder trugen Bullen von Led r an einem
ledernen Riemen, diese entsprechen den italienischen Abitini, die Heiligenbilder enthalten.

5. Schreibutensilien, Marken, Gewichte.
a. Atramentarium, Tintenfass, in Form eines doppelten Büchschens; daran lehnt ein mit dem Scalprum
zugeschnittenes Schreibrohr {Calamus, Arundo).
b. Tessera lusoria, Würfel von Elfenbein.
c. Tessera hospitalis, Symbol der Gastfreundschaft, elfenbeinernes Stäbchen, welches der Hausherr dem Gast
beim Abschied übergab: man brach es in zwei Stücke und jeder von beiden behielt eine Hälfte, damit sie und ihre Nach-
kommen sich wiedererkennen könnten, wenn sie sich von neuem begegneten. Bezeichnet MANLIUS MARTIALIS.
d. Tessera theatralis, Theaterbillet, wie es der Duumvir ertheilte, mit Angabe der Nummer des Platzes,
der Reihe und der verticalen Abtheilung, mitunter auch des Stückes, das gespielt ward. Das in Pompeji gefundene
Original ist kreisrund, die Peripherie bildet eine Schlange, die sich in den Schwanz beisst, innen steht geschrieben:
CAV. II.
CVN. III
GRAD. VIII
CASINA
PLAUTI
das heisst: Nummer acht, zweite Reihe, Abtheilung drei. Die Casina von Plautus. Diese Inschrift bildet in der
Orellischen Sammlung Nr. 2539. Nach Mommsen und Wieseler ist die Marke nur ein Phantasiestück Romanellis
{Viaggio a Pompei I, 216).
e. Pondera, Gewichte, häufig in der Form der abgewogenen Waare, z. B. in Schweinsform (P. C. = Pondera.
Centum, ein Centner), Ziegenform und Käseform, für Schweinefleisch, Ziegenfleisch und Käse. Aehnlich wird in Neapel
dem Käse selbst die Gestalt eines Pferdes oder Reiters gegeben (Cacio Cavallo'). Auf mehreren Bleigewichten liest
man die Worte EME und HABEBIS, d. h. kaufe, so wirst du es haben. Vgl. Rom in Wort und Bild Seite 457.

VIERTES KAPITEL.
Die antiken Wandgemälde.
Ornamente — Mosaiken — Vasen.
Die Malerei im Alterthum — religiöse Bilder (die Hochzeit des Kronos und der Rhea, die thronende Demeter und die thronende Persephone)
— mythologische Gemälde (das Opfer der Iphigenie, Medea, die Kindermörderin) — historische Gemälde (Sophonisbe) — Genrebilder (Kauft
Liebesgötter!) — Landschaften und Architekturen — Stillleben, Thier-, Blumen- und Fruchtstücke — die pompejanischen Tänzerinnen.
Die antike Malerei war wesentlich Ornamentalmalerei, und zwar einerseits Wandmalerei
al fresco oder in enkaustischer Manier, anderseits Vasenmalerei, wobei die Farben eingebrannt
wurden. Die Staffeleimalerei kannte man kaum; erst in der Zeit des Perikies ist von Gemälden
auf Lärchenholz, Elfenbein und Marmor die Rede, und das erste auf Leinwand gemalte Bild wird
von Plinius erwähnt (Pictura in linteo oder in sipario). Der Farbstoff war eine Art mit Eiweiss
und Leim vermischte Tempera; die Oelmalerei ist erst um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts
in den Niederlanden aufgekommen, als ihren Erfinder nennt die Kunstgeschichte Hubert van Eyck.
Ursprünglich mochte man nur die Umrisse mit Einer Farbe, roth auf weissem oder schwarzem,
oder schwarz auf rothem Grund ausführen, das sind die sogenannten einfarbigen Gemälde oder
Monochrome ■, später bediente man sich mehrerer Farben, doch standen den alten Malern nur wenige
Töne zu Gebote, nämlich Roth, Schwarz, Gelb und Weiss, wobei von Naturcolorit, geschweige
denn von Halbschatten und Lokaltönen nicht die Rede sein konnte. Auch von den Hilfswissen-
schaften hatten die Alten kaum mehr als eine Ahnung. Perspective ^Catagraphd) und Schatten-
construction waren ihnen fremd, die Proportion und Anatomie nahmen sie empirisch aus der
Sculptur herüber. Ueberhaupt kommt die antike Kunst auch in ihrer Malerei nicht über den
Standpunkt der plastischen Schönheit hinaus.
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