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Klemm, Gustav Friedrich
Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit: nach den beßten Quellen bearbeitet und mit xylographischen Abbildungen der verschiedenen Nationalphysiognomien, Geräthe, Waffen, Trachten, Kunstproducte u.s.w. versehen (6. Band): China und Japan — Leipzig: Verlag von B.G. Teubner, 1847

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https://doi.org/10.11588/diglit.63443#0317
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Das Kriegswesen.

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gebaut und ruht auf einem 2 Fuß hohen Sockel aus Mauerstein.
Langs der ganzen Mauer zieht sich eine 3 Fuß hohe, mit Schieß-
scharten versehene Brustwehr hin. An den Thoren befinden sich
außen halbmondförmige Außenwerke, die mit Batterien und Sol-
daten besetzt sind. In dieser Weise ist die Befestigung aller chine-
sischen Städte*).
Die gewöhnlichen Wachtposten schildert Hauptmann Parish
(bei Staunton II. 208.) mit folgenden Worten: Die Soldatenposten
sind gemeiniglich Thürme von verschiedener Größe und sie befinden
sich am Eingänge der Hohlwege, auf schwer zugänglichen Höhen
und bei Engpässen über die Flüsse. Sie haben von 4 — 40 Qua-
dratfuß Flächenraum und 6—40 Fuß Höhe. Zu den höhern Thür-
men steigt man auf einer Reihe Stufen hinan, die mehrentheils
aus losen Steinen bestehen, und gelangt in der Mittelhöhe des
Thurms auf einen kleinen Boden. Zur Vertheidigung scheint nur
die obere Plattform des Thurmes bestimmt zu sehn, die mit Brust-
wehr und Zinnen versehen ist. Manche bestehen nur aus Erde,
die mit Wand bemauert ist. Die Außenseiten sind zuweilen an-
gestrichen und mit einem bunten Drachen verziert. Nahe am Thurm
lehnen an einem Gestell Musketen und Lanzen, ein schwarz, weiß
und roth angestrichener Ehrenbogen und mehrere Erhöhungen von
Mauerwerk, in denen Brennstoff für die Signale steckt. Sie sind
bald elliptisch, bald conisch und sehen fast wie Vasen, sie stehen
auf würfelförmigen Füßen. Auch finden sich Signalkanonen dabei.
Das merkwürdigste, älteste Befestigungswerk Chinas aber ist
die große Mauer, die an Alter, Umfang, Trefflichkeit der Bauart
Alles übertrifft, was jemals Aehnliches auf Erden gebaut wurde. Als
sich die englische Gesandtschaft von Peking auö nach der Tatarei begab,
um dem Kaiser Kieng-long vorgestellt zu werden, entdeckten die Mit-
glieder derselben am Morgen des vierten Tages auf den Seiten
der entlegenen Gebürge eine hervorragende Linie, eine schmale, un-
gleiche Spur, die sich bis auf die tatarischen Bergspitzen fortsetzte,
und sie konnten in kurzer Zeit unterscheiden, daß sich eine Mauer
mit Zinnen da befand, wo man eine solche Anlage weder erwartet,
noch für ausführbar gehalten hätte. Die Mauer geht die Berg-
rücken entlang, steigt bald zu den höchsten Gipfeln hinauf, bald in
die tiefsten Thäler hinab, ist an manchen Orten zu mehrerer Sicher-
heit doppelt, ja dreifach und fast aller hundert Ruthen mit Thür-
men oder starken Bastionen versehen. Es war ihnen unbegreiflich,
wie man die Baustoffe auf diese unzugänglichen Gipfel geschafft
hatte, da der höchste Berggipfel, den sie überschreitet, nach sorgfäl-
tiger Messung 5 225 Fuß über der Meeresfläche erhaben ist. Die
Länge des ganzen Werkes soll 1500 englische Meilen betragen. Sie

*) Anderson I. 146. ff. Braam II. 15. Barrow I. 109.
 
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