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Knackfuß, Hermann; Michelangelo [Ill.]
Michelangelo — Künstler-Monographien, Band 4: Bielefeld [u.a.]: Velhagen & Klasing, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.71515#0072
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Michelangelo.

61

gehobenen Hauptes, blickt die königlich stolze
Gestalt des Mannes, bei dem die Namen-
reihe der Könige beginnt, vor sich hin; das
Weib arbeitet mit Emsigkeit; man fühlt,
daß ihre Gedanken kreisen wie die Garn-
winde, welche sie handhabt. Das folgende
Paar hingegen — bei den Namen der sünd-
haften Könige Roboam und Abias — er-
scheint wieder in tiefste Niedergeschlagenheit
versunken; die Frau läßt den Kopf schwer
zur Seite Hängen, der Mann birgt, völlig
gebrochen, sein Gesicht zwischen den Knieen.
An der Seite des Mannes erscheint hier,
und ebenso in dem vorhergehenden Bilde,
ein teilnahmsvoll blickendes größeres Kind.
Die Kindergestalten fehlen von jetzt ab in
keinem der Bilder, und ihr harmloses Wesen
bringt häufig eine wohlthuende Milderung
in den schweren Ernst der Stimmung. In
dem nächsten Bilde drängt sich eine ganze
Schar von Kleinen um die Mutter und
läßt sie unter ihren Liebkosungen die Schwer-
mut auf einen Augenblick vergessen; auch

der Mann, der sich mit Schreiben beschäftigt,
scheint frei von allzu düsteren Empfindungen ;
die Namen der Könige Asa und Josaphat,
die thaten, was recht War vor dem Herrn,
rechtfertigen die lichtere Stimmung dieses
Bildes. Aber in der folgenden Gruppe
herrscht bei Mann und Weib wieder tiefer
Gram, den die bei beiden befindlichen Kinder
nicht zu zerstreuen vermögen. In noch ge-
steigertem Maße kommt der Gram im näch-
sten Bilde zum Ausdruck; eine ergreifende
Gestalt ist diese junge Mutter, die leidvoll
den Säugling auf dem Schoße betrachtet,
während der Mann, in seinen Mantel ge-
hüllt, sich ganz dem düsteren Grübeln hin-
gibt. In der anschließenden Gruppe scheint
der Mann der Frau Trost zuzusprechen,
während in der nächstfolgenden Mann und
Weib sich gegenseitig ansehen, als ob eins
vom anderen Trost erwarte. Von nun an
fühlt man, daß die Zeit der Erfüllung
herannaht. Im nächsten Bilde blickt der
Mann mit ahnungsvollem Sinnen ins Weite,


Abb. 61. Skizze eines Teiles des geplanten Grabmals für Julius II. Getuschte Federzeichnung in
der Uffiziensammlung zu Florenz.
(Nach einer Originalphotographie von Braun, Element L Cie. in Dornach i. E. und Paris.)
 
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