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Koberstein, Friedrich
Tientsin und Umgebung — Tientsin: Verlag der Brigade-Zeitung, 1906

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I. Tientsin. Geschichte der Stadt. Bedeutung derselben als Handelsplatz etc.
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https://doi.org/10.11588/diglit.62921#0015
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Tientsin.
(Himmelsfurt.)

In politischer Beziehung durch die in seiner Mitte gelegene Reichshauptstadt Peking
unbedingt an erster Stelle, steht Petschili (kurz Tschili genannt) bezüglich seiner Fruchtbarkeit
wohl hinter den meisten der südlicher gelegenen Provinzen zurück. Abgesehen von dem un-
wirtlichen Gebirge, das die Grenze gegen Schansi bildet und, gegen Norden und Osten einen
weiten Bogen beschreibend, bei Schanhaikwan fast bis an die Meeresküste herantritt, erhebt
sich nur im Nordwesten — etwa 35 km von Peking — ein waldloses, unwegsames Bergland :
Den übrigen Teil der Provinz bildet eine von Osten ansteigende Ebene, deren eine Hälfte der
an Tümpeln und Morästen reiche, unfruchtbare Küstenstrich einnimmt, zu dem auch das Ge-
biet von Tientsin gehört; die sich daran anschliessende andere Hälfte bietet günstigere Lebens-
bedingungen, ist deshalb auch reichhaltiger bebaut und dichter besiedelt.
Wie das ganze übrige Tiefland, ist der Grund und Boden, auf dem das heutige Tient-
sin steht, aus den Ablagerungen der von den Gebirgen im Norden und Westen hernieder-
strömenden Flüsse entstanden. Auch jetzt noch schwemmen diese Wasser, von Sandstürmen
in ihrer Tätigkeit unterstützt, immer neues Schlammland an und bauen fort und fort hinein in
die See. Tientsin liegt nur 3 m über dem Meeresspiegel — vor nicht mehr als zweitausend
Jahren sollen die salzigen Fluten noch bis hierher gespült haben: Alte Ueberlieferungen be-
richten davon und vorgenommene Bohrungen lassen das Wunderbare recht wohl glaublich er-
scheinen.
Trotz der trostlosen Bodenverhältnisse wuchs die Stadt rasch empor. In erster Linie
hat sie diese ihre frühzeitige Blüte der Lage am Knotenpunkt des gesamten Verkehrs zu ver-
danken. Münden hier doch neben kleineren Wasserläufen der Hunho, der Lutai- und der
Kaiserkanal in den Peiho, der seinerseits den Zugang zu Tschili von der Seeseite vermittelt.
Welche Rolle einst der Kaiserkanal als kürzester und sicherster Binnenweg nach den süd-
lichen Provinzen gespielt, kann man daraus ermessen, dass seine Sperrung 1842 durch die
Engländer den ganzen Norden mit der Gefahr einer Aushungerung bedrohte. Damals gelangte
unter anderem der kaiserliche Tributreis noch regelmässig auf seinen Dschunken nach Peking.
Jetzt ist das Zerstörungswerk durch die reissenden Fluten des Huang ho schon so weit fort-
geschritten, dass sich nur noch einzelne Strecken in brauchbarem Zustande befinden. Ira Ge-
gensätze zum Hunho ist der Peiho allein in seinem Unterlaufe schiffbar, doch hat man ihn be-
reits frühzeitig bei Tung tschou durch einen 20 km langen Kanal mit der Reichshauptstadt
 
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