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Kockel, Valentin [Hrsg.]; Universitätsbibliothek Augsburg [Hrsg.]
Ansicht, Plan, Modell: zur Darstellung antiker Architektur am Beispiel von Pompeji und Herculaneum ; [dieses Heft begleitet die Ausstellung, die vom 27.11. bis zum 16.12.1996 in der Universitätsbibliothek Augsburg stattfindet] — Augsburg, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.28559#0017
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war mit Giovanni Battista Piranesi in Paestum gewesen und hatte deshalb auch den
sogenannten Neptunstempel in seinem Programm. Zeitgenössische Quellen verweisen
jedoch gerade bei diesem Tempel auf ein immanentes Problem der Modelle: Die monu-
mentale Größe des Tempels, die den Besucher der Ruinenstätte so überwältigte, konnte
die stark verkleinerte Wiedergabe bei aller Genauigkeit nicht spiegeln. Die Größe der
Antike blieb ungreifbar.

Neben den Korkmodellen, die die antiken Bauten ausschließlich als Ruinen Wieder-
gaben, wurden vor allem in Frankreich ungefähr ab 1800 Gipsmodelle hergestellt. Sie
blieben klassizistisch weiß und zeigten perfekte Rekostruktionen, die sich von den male-
rischen Ruinen in Kork deutlich absetzten.

Kork- und Gipsmodelle wurden für fürstliche Sammlungen und Bauakademien erwor-
ben, wo sie von den angehenden Architekten als Studienobjekte benutzt werden konn-
ten. Doch wegen der hohen Preise der originalen Werke aus Italien hatten auch deutsche
Nachahmer Erfolg. Vor allem Carl Joseph May (1747-1822) verkaufte seit 1790 eine
große Zahl von Kopien nach Chichis Modellen. Viele gelangten in den Besitz Ludwigs I
(heute Aschaffenburg), ein Einzelstück auch in die Sammlung Oettingen-Wallerstein auf
der Harburg. Drei von ihnen können in der Ausstellung gezeigt werden.

Auch in Neapel kannte man den Wert der anschaulichen Modelle. Schon 1764 wird
ein Modell des Theaters von Herculaneum erwähnt, das aber nicht mehr existiert. Auf
persönlichen Wunsch König Gustav III von Schweden konnte Giovanni Altieri dann 1783
ein Modell des Isistempels von Pompeji anfertigen. Es befindet sich noch heute in Stock-
holm und zeigt die große Genauigkeit mit der Altieri die Ruine in Pompeji abbildete.

War diese Unternehmung der königlichen Laune eines Nordländers zu verdanken,
begann man ab 1805 in Neapel selbst, systematisch alle antiken Ruinen des Königreichs
durch Korkmodelle zu dokumentieren. In einer eigens eingerichteten Werkstatt arbeitete
Domenico Padiglione (1756-1832) zusammen mit seinen Söhnen unter anderem an einem
Stadtmodell im Maßstab 1:48. Alle Bauten wurden eigens vermessen, aufgehendes
Mauerwerk und Wandmalerei auf das genaueste dokumentiert, die Modelle in Pompeji
selbst auf ihre Richtigkeit überprüft. Das Modell wurde später zugunsten eines zweiten
im Maßstab 1:100 zerstört, das noch heute im Museum von Neapel steht.

Zwei erhaltene Ausschnittskopien bestätigen jedoch den eminenten dokumentarischen
Wert dieses - und in geringerem Maße auch des zweiten - Stadtmodells. Eine wurde
von Ludwig I von Bayern für das Pompejanum in Aschaffenburg bestellte. Es zeigt das
sog. Haus des Sallust und seine Umgebung. Jeder Mauerrest, jedes Balkenloch und auch
noch die bescheidenste Malerei wurden festgehalten. Die eminente Bedeutung dieser
Dokumentation tritt klar vor Augen, wenn man sich vergegenwärtigt, das heute 90% der
Malerei zerstört sind und nur die wichtigsten Bilder durch andere Quellen überliefert.
 
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