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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1858 (Nr. 154-166)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1541#0051
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Äirche um den hohm Aliar gehen und den guten St. Severin anrufen, und
von da wicder in dic St.-BonifaciuS-Capell-: und die Messe wie gewöhnlich
anhören sollen.

Ein Rathsschlup vom tO. Zuli lölö sagi: Unsere Herren vom Nath init
den Frrunden und geschickten auS allen Räthen und den Vierundvierzigern
haben einträchtig bcschlosscn und vertragen und beiden Herren Rentmcistern in
Nothsstatt befohlen, dap sie die Schwcstcrn zu St. Bonifacius in ihrer Frcjheit
und wcmit sie könncn und mögen, so lange pfänden sollen, bis zur Zeit, daß
sie den neucn Altar abthun und die Stühle in der Capells wiederum gemacht
und dcßgkeichcn daS Gemälde rcnovirt worden.

Für die Lichter in der BonisaciuS-Capelle sorgte der Rath. Wenn Oel
und Kerzen zu Ende gingen, wandten sich die Zungfrauen zum heiligen Bo-
nisacius an den Rath, und die Mittwochs-Rentkammer wurde angewiefen, daS
nöihige Geld herzugeben.


Die Dominicarrer-Kirche zu Aache« rrrrd die kürzlich
dafelbst aufgefundenen Tempera-Malereien.

Von Fr. Bock.

Aachen hat, mit Augschluß deS karolingischen OktogonS und seineS reichen
CapeklenkranzeS, deßgleichen mit Abrechnung einiger Civilmonumente, in go-
thischem Style verhältnißmäßig wenige Bauwerke aufzuweisen, die auf den
Charakier und den Umfang eineS Monumentes Anspruch machen können.
Zwei Kirchenbauten jedoch nennen wir hier, die, waS Leichtigkeit der Wölbung
und Zierlichkeit der Construction betrifft, eine nähere Beachtung von Seiten
der Kunstarchäologie beanspruchen dürfen; eS ist daS die schöne Hallenkirche
der „krstres minores' sFranciScaner-Kirche), die heute noch in ihrer Voll-
ständigkeit besteht, und die ehemalige Aloster-Kirche der .krstres praeäics-
toruur', die endlich nach längerer Verunstaltung in baulicher Beziehung einer
besseren Zukunst entgegengesührt zu werden verspricht. Diefe großartige und
geräumige Klosterkirche der Predigtherren, deßwegen im VolkSdialekt auch
.Pretchere" genannt, gehört unstreitig zu den hervorragenden Hallenkirchen,
wie sie daS 14. Jahrhundert am Rheine entstehen sah. Wir nennen sie deß-
wegen Hallenkirche, weil sich hier Halle an Halle reiht und die Höhe deS
Mittelschiffes der gleich hohen Wölbung der Nebenschiffe vollkommen entspricht.
Aehnlich, wie bei den übrigen Kirchen der Mcndicanten-Orden, lag die Nb-
sicht bsi der Anlage und Erbauung der aachcner Dominicaner-Kirche vor,
nicht nur durch die Einfachheit deS Grundrisses, sondern auch mehr noch durch
ein Minimum der ornamentalen AuSbildung der innerm architektonischen
Details den Eintreienden anzudeuten, daß daS Gelübde der Armuth, welcheS
der Dominicaner abgelegt hatte, fich auch in den Formen seiner OcdenSkirche
geltend machen müsse. Wenn also die Kirche arm an architektonischem For-
menschmuck im Jnneren und Aeußeren zu nennen ist, so entbehrt fle doch
nicht jener vortheilhasten gefälligcn Größenverhältnisse, wodurch die alten
Baumeister auch bei schlichten und einfachen Formen so großartig und er-
hebend zu wirken wußten. ES sind nämlich in dieser kühn gewölbten Kirche,
die eine größte Länge von 140 Fuß srheinisch) bci einer Höye von 50 Fuß
und einer Breite von 74 Fuß hat, die Proportionen in 'Höhe, Länge und
Breite so glücklich gewählt und getrossen, und stehen dieselben in einem solchen
harmonifch richiigen Zusammenwirken, daß bei diesen schönen Verhältnifsen
die große Einfachheit ber einzelnen Fsrmbildungen und der Abgang aller
Ornamentik sich kaum bemerklich macht. DaS Mittelschiff, das in einec Breite
von 84'/2 Fuß so ziemlich die doppelte AuSdehnung der Nebenschiffe zeigt,
wird getragen von sschS Paar schlanksn Rundsäulen, ein ,opus gusclraluM',
die oben durch ein einfacheS Abschlußcapiiäl im Achteck ohne sculptorischen
Schmuck gekrönt werden. Diese Rundsäulen tragen cben so viele Arcaden-
ßellungen im Spitzbogen. die ebenfallS nur einfach profilirt sind. Die Kreuz-
gewölbe von leichter, 'luftiger Spannung, sowohl die deS Miitelschiffes, alS
auch der Nebenschiffe, zeigcn in den Gurlungen jene FormenauSpräguna, die
noch an die Glanzepoche der Gothik und daS zarte schlanke Rippenwerr der-
ftiben erinnert. Die Ncbenschiffe schließen in gerader Linio ab und lassen deut-
lich auf jeder Seite eine Fensterstellung mit Maßwerk und Bekrönungen erkennen,
wodurch sich ein Beweis entnehmen ließe, daß fie ehemals alS offene Fenster
gedient haben und vielleicht durch den Schmuck von Glasmosaikm gehoben wor-
den sind. Der polygone Chorabschluß selbst, der nicht stark verlängert vortritt,
wird gebildet durch fünf Seiten eineS ZehneckS. Dem Chor gegenüber bcfindet sich
d/S Doxale auf einer Spitzbogenstellung, die in dem letzten Gewölb-Compar-
>iment der Kirche angebracht ist. AuS der Anlage desselben läßt stch deut-
lich entnehmen, daß die Dominicaner niemals eine selbstständige Thurman-
wge bei ihrem Kirchsnbaue projectirt haben.

i Es kann nicht unsere Abficht sein, der schönen, wenn auch einfachen,
mrche der Predigtherren zu Aachen in diesen Blättern eine architektonische
Detailbeschreibung zu widmen, die sich nicht süglich ohne erläuternde Zeich-
ßwngen entwerfen ließe; wir sügen deßwegen diesen allgemeinen Bemerkun-
Zm über die baulichen Vcrhältnisse der Kirche nur noch die Angabe hinzu,
fl>ß, wis es die Maßwerk-Formeri und Couronnements der vielen Fenster
Wmentlich im südlichen Nebenschiffe mit Sichrrheit erkennen lassen, der
Rede stehende imposante Kirchenbau offenbar in der zweiten Häiste deS
JahrhunderiS Entstehung und Vollendung in seinen wesentlichen Be-
Mndiheilsn dürfte gefunden haben.

» Leiber hat im voctgen Jahrhundert der damalS herrschende seichte Pro-
tzMgeschmack das alte Mobiliar, respective die primitiven Altäre der Domini-
iMier-Kirche besritigt, und an die Stelle derselben in dcn unschönsn Formen
Rococo-SiyleS nicht nur die Kanzel, die Boiserieen der Ssitenschiffe, sondem
sämmtliche Aliäre so formel eingerichtet und umgestaltet, daß durch diese
U/ichönen und stylwidrigen Utenstlien die Kirche der alten Predigtherren in
Wckn hervorragenden Haupttheilen gänzlich verdeckt und verunstaltet wird.
Mem Kunstgeschmacke des Äirchen-VorstandeS der St.-PauluS-Pfarre zu Aachen
Maiht es alle Ehre, daß er schon vor einigen Jahren die drei Hauptfenster
1° ChoreS stylgetreu mit Mosaikfenstern eu srjsail hat heben und vcrzieren

laffen, wodurch zucrst der Ansang und die Richiung einer später zu begin-
nenden gründlichen Wiederherstellung deg BauwerkeS gekcnnzeichnet wurde.
Jn jüngstec Zcit hat dcr Kirchen-Dorstand dag verdiensttiche Unternehmen
eingeleitet, die schönen glattgehauencn Rundsäulen deS LanqschiffeS von dem
Ueberwurf und der Tünche der zwci letztcn Jahrhunderte reinigen und den
ursprünglichen Haustein zum Vorschein tretcn zu lassm. Bei dieser Restaurati-
onS-Arbeit, die mit löblicher Umstcht eingcleitet wurde, hat eS sich ergeben, daß
nicht allcin einzclne größere Wandpartieen, sondern sogac die gtatten
Rundflächen dieser Säulen durch statuarischen Schmuck von Bildweckn, in
der aiten Tempera-Malerei auSgefühct, belebt und gehoben waren. Diese für
den geschichtlichen EntwicklungSgang der Wandmalcrei am Rheins höchst
merkwüidige Entdeckung hat zugleich auch die schlichte und einfache Art und
Weise erkennen lapen. wie der Baumeister deS MiitelalterL zu scinen archi-
tektonischen Zwecken sich der Malerei, umgekehrt, wie daS heute leider der
Fall ist, bedient hat. Derselbe hat nämlich die Maierei bloß bedingungSweise
zugrlassen, um einzelne Bau-Compartiments dadurch zu heben. Die Malerer
tritt deßwegen ohne Anmaßung, nicht als sich selbst Zwcck, sondern mehr alS
Decoration auf, und wird durch diese bescheidene Unterordnung daS Bauwerk
in seiner Gcsammtwirkung nicht beeinträchügt, sondern gehoben. Bei Betracht-
nahme Ler vieleri mit großer Schonung wieder bloß gelegien alten Tempera-
Malereien in ver Dominicaner-Kirche zu Aachen lsuchtet cS ein, daß in der
gothischen Kunstepoche nicht nach einem sollständig durchdachten, für fich ab-
geschloffenen Shsteme dis Kirche in ihrer Ganzheit mit Heiligenbildern be-
völkert wurde, sondern daß gleichsam „ex votis' in verschiedenen Zeitläusten
die Anfsrtigung einzelner Bildwerke vorgenommen wurde, je nachdem sromme
Donaioren die MiUel zur AuSsührung solcher frommen Bildwerke hergaben.
WaS nun die Anlage und Anordnung dieser neuentdeckten merkwürdigen
Tcmpera-Malerei betrifft, so muß grsagt werden, daß dieselbe, ohne Be-
trachtnahme der hsute zu ängstlich befolgten Regeln der Shmmetrie, vornehm-
lich die glatien Säulen deS MitielschiffeS ducch den Schmuck figürlicherDar-
stellungen so gehoben und belebt hat, daß dadurch der starren Steinmasse
Wäcme und Leben verliehsn worden ist. Außer diesen Tempsra-Malereien
in einzclnen Standbildern an den verschiedenen Säulen deS MittelschiffeS ist
ebenfalls in jüngster Zeit eine größece Wandmalerei entdeckr und wiever zn
Tage gcfördert worden, welche bie Bestimmung trägt, diemittlere jsneraröße-
ren Spitzbogen-Blenden würdig auSzustatten, die im nördlichen Nebenschiffe ohne
Fensterstsllung jenen Theil der Kirche einnimmt, wo die ehemaligen Kloster»
Gebäulichkeiten der Dominicancr anlehnten.

Betrachtet man aufmerksamer jene Bildwerke auf den Säulenschaften
deS Mittelschiffes, nämlich fleben verschiedene, mehr oder weniger beschädigte
Tempera-Malereien, so gelangt man bald zu der Einficht, daß diesslben nicht zu
Einer Zeit und vonderselben Hand.sondecn von vsrschiedenenMeistern angefertigt
worden sind. Wir beginnen unsere kurze Aufzählung dieser interessanten Wand-
Tableaux mit Hinweis auf jeneS Bildwerk, daS in dem Südschiffe an der ersten
Säule, dem MuttergotteS-Altare zunächst, angebracht ist. DaSselbe zeigt, wie
auf älteren italienischen und altkölnischen Biibern, in der Mitte daS sttzende
Bild der Madonna alS HimmelS-Königin; zur rechten Seite derselbm erblickt
man daS Siandbild eineS ritteclichen 'Heiligen in der Waffenkleidung deS
15. Jahrhunderts; zur Linken fisht man die stehends Figur eineS heiligen
OrdenSstisters; an deffen Seite wahrscheinlich die Stifterin (cioostrix), bie
daS Biidwerk hat anfertigen laffen, vorgestellt ist. Es kniet nämlich zu Füßen
deS ebengedachten SchutzpatronS, die Hände bittend zu der HimmelS-Königin
erhebend, eine weibliche Figur in der gewählten Matronentracht der dama-
ligen Zeit. Hinter derselben knieen vier jüngere weibliche Figuren, wahrschein-
lich die Töchter der obengedachten gräflichen Clientin. Rach Analogie von
älteren Wandmalereien ist der Hinlergrund nicht vergoldet, sondern in men-
nigrother Farbe gchaltm, wie daS bei allen übrigen ausgefundmm Wand-
malereien in der"Kirche der Fall ist. Ueber dieser ebengedachten Scene erhebt
sich baldachinförmig in dreifachsr Spitzbogm-Stellung ein architektonischer Auf-
bau, innerhalb dsssen in dem mittlerm Compartiment eine EngelS-Figuc
ersichtlich ist, die eineS der hervorragendsten Stücke der größeren Reliquien deS
aachener MünsterS zeigend in Händen hält, nämlich daS Kleid der Muttec
GotteS*).

Wie daS der zarie und weiche AuSdruck der noch ziemlich erhaltenm
Köpfe, die schlanke edle Haltmig der Figuren, deßgleichen auch der noch nicht
manierirte Faltenwurf dcr Gewänder deutlich besagt, gehört die vorliegende
Gcuppe dem ersten Viertel deS 15. JahrhunderiS an. Diese Annahme wird
auch bestätigt durch eine ziemlich vollständige Jnschrift, die angibt, daß dieseS
Vstivbiid im Jahre 1426, wahrscheinlich auf Kosten jmer edlen Geschenkge-
berin, die dec Künstler knieend abgebildet hat, hergestellt worden ist. Diese
Jnschrist lautet, wie folgt:

Ilie »nte iscet msris cke troidvive, nxor zersräi äe erelsoe....
äsvi opicli oswureeo, gus odüt sooo <!m. LiLCLO XXVI ipso äis
dte. wsgäsleoe sis cjus reguiesest io pscs smeo. (Vor diesem
(Bildes liegt beerdigt Maria von Kaldewein s?s, Ehegattin Ger-

hard's von Erclan**).einer stadt bei Namur. Dieselbe starb

am Magdalenen-Tage im Jahre 1426; ihre Seele ruhe in Frieden.
Amen.)

Wahrscheinlich besuchte diese ebengenannte edle Frau in Begleitung ihrer
Familie Aachen zur Zeit, alS die jedeS stebente Zahr Siatt findende „grope
HeiligthumSfahrt" ihren Anfang genommen hatte, und ist die hier Beerdigte
auf ihrer Wallsahrt in Aachen, unserem Dafürhalisn nach, eineS pwtzlichm
TodeS eclegen, gsrads an dem Gedächtnißtage Maria Magdalena S, an wel«
chem Taqe, einec uralten Tradition zusolge, die großen Reliquien mit unver--
hüllten Händen dem Volke öffentlich von den äußeren Galerieen deS Mun-
sterS herab gezeigt werden. Deßwegen sieht man auch auf dem Baldachme
über der obengcdachten Scme eine Figur. mit der priesterlichen Albe be-
kleidet, die das Kleid der Madonna, mit bloßen Händen Mgenb, gefaßt halt.
Da die letzte feierliche Zeigung dec großen karolingischen Reliquien m Aachen

») Vgl. hierzu die gelehrten Angaöcn in dem trefflichen Werke: Geschichtliche
Nachrichten über die aachener Heiligthümer, von Prof. v. Floß. Bonn, be»

A. Markus, 1858. Seite 214—290.

**) Bielleicht das heutige Erkelin, ErquelineS, Eisenbahn-Station, 8 biS 10
Stunden hinter Namur an der delgisch-sranMchen G-änze.
 
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