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Zentral-Dombauverein <Köln> [Editor]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1860 (Nr. 179-190)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1806#0015
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Gewand der Romantik nnd christlichen Pieiät gehüllt ist, wecden wir unten
noch reden, wenn wir nach Aoignon kommen. Denn wir bcfinden unS in
einem Lande, wo der Biückenbau nicht weniger aiS ein Werk der Gonsel g-
keit betrachter wicd, alS derKirchenbau, wo eS eine eigene Bruderschaft, eincn
eigenen Orden der Brückenbauer gibt, die gleichsam daS Amt deS heiligen
Li>ristophoruS in eincm großariigen Maßstabe wahrnehmen und füc den
Verkchc und die chtistliche Cioilisation rein um der Lrebe Christi willen sor-
gen, eine Actien-Gcsellschast, die mil aller persöniichen Aufopferung ihre Zah-
iungen rein auf den Himmel anweisl, Lie dahec nie bankbrüchig wird und
von keiner politischen Combinarion abhängig ist, wsdsr einen Napoleon noch
einen Palmerston zu scheuen hat, vor Allem auch Niemanden aus seinem vä-
terlichen Erbe treibl, Welch ein unvermitteltec Gegensatz liegt zwischen jener
Bruderschaft der Brückenbauec des MittelalterS über die Rhone und Durance
und jenen der modcrnen Zeit! Wer wird diese Gegensätze vermtiteln? Die
moderne Civilisaiion sichcr nicht! Wenn sie ihrc Vermitllung stndcn, so wird
eS auch hier einzig die Kirche sein, welche dieseö Geschäft übernimmt und
glücklich vollendel, und wenn fie ihre Vecmittlung nicht finden sollten, nun
ja — dann sind schon alle fertig!

Füc den Eisenbahn-Fahrer, dec rasch an sein Ziel kommen will, sstbt eg
auf jener langen WegeSsirecke des Romantischen weit weniger, als aus dem
amusanten Wasserwege mit dem Nhone-Dampsschifse. Hicc gibt es jcben
Augenblick zu sehen. Die beiden Ufec sind vurch zahllose Brücken mit cinan-
der verbunden t dec Kamin senkl jich, man legt an, stehl das Städtchen in
seiner ganzen Länge vor sich licgen, den Ab- und Zugang ankommen und
langt immer noch zeitig in Avignon an. Die erste Station von Bedeutung
aber ouf jenem Wege 'ist Valence, Valencia, Man sieht, man hat hter wie-
derum einen römischen Namen vor sich, aber man kommt auch ustt Valencia
in ein mchr römischcs Klima. Die Stadt war schon in einer Zeit vor-
handen, wo noch kein römischer Fuß Gallien betreten, Sic erhielt nur untec
den Romern, namcnttich unter Vespasian, eine römische Colonisation, und
zwar wegen ihrer Bedeutung und Slärke, die ihc immer einen hohen Rang
untec den politischen Stäoten verschafften. Daß untec solchen Bedingungen
auch daS Chcistenthum hier sehc früh verbreilct worden, ist keinem Zweifel
unterworfen. Abec wie in den anderen gallischrn Stäbten die Völkerwanderung,
später Saracenen und Normannen schrccklich gehausst, so blieb auch Valencia
Julia, daS jetzige Valence, von ciesen Slürmen nicht verschont. Die der hei-
ligen Apollonia geweihle Kathedrals von Valcnce ist daher keineswegeS ein
Gebäude uraller Zcit, Eie wurde in der letzten Häifte dcg 11. JahrhunderlS
erbaut und von Papst Urban >1., wahrscheinlich bei Gelegenhen des «Lon-
ciliumS von Clermont, im Jahre IstW eingeweiht, Sie ist ganz in ben
strengen und soliden Formen der romanischcn Zeit, abcr nicht ohne Anmuth
und Zier, namentlich ist daS Hauplportal von schönec Wickung.

Von Valence abwärts nach dem Meere hin nimmt die Gegend schon
einen südlichen Charaklec an. Die Lust ist ktarer, der Himmel blauer, die
Sonne glühender, aber man spürt auch hier schon die erstcn Wickungen deS
sogenannten Mistral, der Landplage des Südens von Frankreich. Die ersten
Orangenbäume im Fceien sah ich jedoch in bem Octe gleichen NamenS, sechs-
zehn Staiionen weiiec abwäris von Vienne, ES fehlt nicht zwischen hier uno
dort an höchst romaiitischen Pactieen, Becgschtössern, wie man sie am Rheine
sieht, Dörfecn und Städtchen mit theilweise interessanten Kirchen. Btäs't abec
der Mistral, jener kalte, hefligs Wind, dec von den Seeatpen kommt, dann
ist eS keineswegeS angenehm, diese Gegenden zu bereisen, wie eS denn auch
von Avignon heißt:

>veuio ventos-i —

8ioe veuto veneoos» —

Liim vento kaslictjoss.

Jch könnte von dem letzteren ein Wörtchen reden. Auch ist das Land
steril und dürr und nur hiec und da mit Niaulbeerbäumen belaubt. ES wird
aber schön, wenn man in der Nähe von Ocange baS weiße Haupt des
Vaucluse-Gebirges erblickt. Hier gibt eg rundum schöne Thäler, in der Römer-
zeit, wie in den Zeiten dcs päpstlichen ExileS in Aoignon berühmts Octs.
Hier ist daS Ucland aller Laupen in dsr Nähe von Carpentras, in LiSle,
abec leider sino nicht alle Erinncrungen an biese Zeiten eiquicklich, und auch
bie Laura-Schwärmerei Petrarca'S hätte mit eiwaS Besserem vertauscht werden
können, hat wenigstcnS keine ganz loliden Unterlagen.

Orange, Xr.usio Lavsruw, gchörte einst, wie dec ganze Strich LandeS,
den wic von Vienne aus unb weilec nöcolich deceisen, zum deutschen Reiche,
und gegenwärtig noch trägt jene Dynastie, welche den KönigSthcon deg
Deuts'chland entriffenen Hollancs inne hai, von diesem Stäoichen den Namen.
Jn der Kirchengeschichte ist der Oct durch sein Concil berühmt.

Orange hat zwei prächtige Bauwerke ouS der römischen Zeit, nämlich
ein Theater und einen Triumphbogen, die an Schönheit bcö SiyleS von
kein'in Gebäude dec Act in der ewigen Stadt üreclroffen werden uno osfenbac
beffer erhalten sind, alS eincS derselben in Rom. Auch sollen jene Gebäude
theilweise auS den Tagen deS AugustuS, also aug der befferen Zeit, stammen.
Wir glauben jeooch, baß es mit diesec Angabe so genau nicht zu nehmen ist
Sichec mußte vie Stadt aber zur Zeit eine größere Beveutung gehabt Haben,
als sie gegenwärtig hat, auch wenn man daraufRücksicht nehmen wollie, daß
derartige Bauweike selbst in der nächsten Umgebung von Ö.ange — wic
brauchen nuc an CarpentraS zu erinnern, daS seinen piächtigen Trtumphbo-
gen in dis jetzige Kaihedrale eingemauerl hat—doch soganz setten nicht sind

Von Ocange bis Avignon ist nur noch eine kurze Strecke Es mögsn
etwa viec Stationen sein, bie man auf gewöhnlichem Wsge in einigen Stun-
den abmachen kann, in denen man die schönen und blauen Gebirge deS
Vaucluse-DepartementS mit ihren schneebedccklen Häuptern steiS vor Augen hat.

Avignon, die alte päpsttiche Siabt, bildet etnen eigenen Abschnitl in dec
Kirchengeschichte, woran ich stels nur mil Betiübniß denken kann. Ohne den
Aufeiuhalt der Päpste in der fcanzösischen Knechtschast zu Avtgnon wäie die
Kirchenspallung in Deutschland, die man woht irriger Weiss Reformation
nennt, nicht möglich gewesen; daß aber die katholische Kicche sich nach jenem
Ungtück so glänzend erholte und in der Prüfung lä terte, ist nur ein Be-
weis mehr süc ihre göttliche Sendung. Menschlicher Weise nach wac sie da-
mals verloren. A!S eS aber galt, sich zu rettcn, haite man sich so vecrannt
tn kirchltcher Advocaten-Rabulisttk und so verirrt in aristotelischen Kormen, daß
die menschtijche Doctoren-Wiffenschafl eineS Gerson und dec pariser llniver-
filät nach den tcaurigen Tagen von Avignon sich ganz ohnmächtig erwieS
zur Hülfe. WaS reuele, war die göttiiche Kürsehung und die in den Gemü-

thern steiS lebendige Derhcißung des HeilandeS. ES waren unter den fieben
Päpsten, die in Aviguon lesidirten, nachdrm ihnen daS Parteiwesen in Rom
den Aufenthalt verleidct, uno Frankreich Alles aufwandte, das Oberhaupt der
Kirche in seinen poliiischen Frffeln zu halten, Männer von theilweise großen
Begabungen und Frömmigkeit, obgleich ihnen, so wie den sie umgebenden
Caröinälen, doch dec christliche Hsldenmuth eigentlich fehlte. odec die Zcit-
umstände dcmselben nicht günstig wacen. Der von den Gräbern der Apostel-
sürsten entfernte Hof von Avignon glich mehr einer weliiichen Negierung,
deren rechtiiche Entscheidungsn sich alleroingS auf dag canonische Rccht grün-
deten, aber doch mannigfach mil den verkehcten Jdeen dcr Zeit zcrsetzl waren.
Die Äirchenverwaltung hatte unter den meitl fcanzüsischen Päpsten in Avignon,
oecen einige auSgezeichnete Juristen waren, eins ganz fiScatische Form an-
genommen, wofüc 0er GallicaniSmus immer eine besondere Vorliebe hat, wie
oenn auch daSjenige, waS er seine Fceiheiten nenn», eigentlich nur der furcht-
barste Despoüsmus ist, AllcrdingS ging eS am päpstiichen Hofe zu Avignon
hoch her, aber eS wac doch Niemano, der sich so recht wohl dabei befand. Man
murcte in Rom, wo derLateian ohne Dach stano, AUcS verarmie, man murrte in
Frankreich, wo der Clerus hart gediückt wac und vorzügtich die Kosten dcS
päpstlichen Hofhalirs bestreilen mußte, man wac unzu'iicdsii in Deutschland
uno den übrigen Ländecn der Chiistenheik, dencn d-S Uebergewicht des fran-
zösischen DruckeS auf den Papst unerträglich schien. Nur Avignon selbst er-
frcnte sich damalS einer Bedeuiung, wie kauin eine andere Siadt der Welt.
Die Stadt ivac in jenen Tagen angesüllt mit Fcemdeu und Supplicanten
aller Art, daS Gcld floß von alleu Enden dcr Ecde hier zusammen, und wenn
ouch die Päpste davon meist einen lvüidigcii Gebcauch machten fso ließ na-
mentlich Clemens VI. alls Armen der Siadt auf seine Kosteu erh alten, er
hals besonderS zur Zeit der Pest, zu welchcr, wie wir oben gehöcl haben,
Aoignon ebcnsallS Anlage hat), so gab dieg doch später Veranlafsung zu den
abenteucrlichsten Ktagen, und die christlichc Welt kami sih nur freuen, daß
sie die Tage von Avignon hinter sich hai. Dah aber Avignon nichl gemachl
war für einen dauerhastcn Aufeiühall der Päpste, wenngleich dieselben wäh-
rend eines ZeitcaumeS von 72 Zahren ihren Stuhl hier'aufgeschlagen, beweis't
unter andern, wenn auch nichtS Sonstiges wäre, der llmstand, daß jenc Stadt
biS zur heuügen Stunde wenigstenS kein Kirchengebäude von irgend einer
Bedeutung hat. Die Kathedrale selbst ist nuc ein Weik von mittlerer Gcüße
und gehöct der ganzen Bauweise nach ciner ftüheren Zeit an. Sis ist dec
heiligen Martha geweiht, Lie mit ihrem Bruder Lazarus und ihrer Schwester
Magoalena cine vorzügliche Heiiige deS süolichen Frankreichg ist. Das in
eincc späteren Zeit vorgebaute Poctai zeigt im Jnnern ein alteS Frescoge-
mälde, melcheS man dem Gwtto zuschceibt. Jn ber Sacristei steht das schöne
Grabmal Johanu's XXII, ein prächügcS goihischeS Werk, aber lcider, wie auch
die sonstigen Kunstweike mittclaiterlicher Zeit in Aviqnon, ganz verwahrlos't.

Nicht weit von dem Domr licgl die Kirche St Peter, 'im Style deS 14.
und 15, JahrhundertS erbaut und mit rcichltchereii Formen, als man eS sonst
m Avignon gewohnt ist. St. Didiec und die Kirche der Dominicaner in
Avignon murden gegen Ausgang dec erstcn Hälfte bes 14, JohchundertS er-
baui, wie St. Martiai im lö, Jch kann aber nichl sagen, daß eine dieser
Kirchen über daS Gewöhnliche hinausgehi Das bedeutendste Baumerk in
Avignon ist jedoch der ai!e päpsttiche Patast, das umfassenbste Schloß deg
MittelalterS. Die Schrifistellec redcn von der goldenen Pracht, wodurch dieseS
Gebäude sich dereinst auSzeichnete; gegenwärtig ist dasselbe in eins Casecne
verwandeit und mitunter in eiuem höchst betlagenswerthen Zustande. Die
schöiien Näume sinv durchschlagen, und selbst dis berühmten Gemäloe, womit
Giotio'S Meisterhand die Wänoe schmückte, siiio an vielen Stellen muthwillig
zerstört und verdocben. Aber deffen ungeachtet macht der auf einem Felsen er-
baute Palast, der wie eine großaiiigeCi adelle die Stadt überragt, noch immer
einen gewaltigen Eindruck, Ecbaut wurde dieser merkwürdige Palast in den
Zahren 1336 — 1370. Die schönen Stadimauecn. welche noch gegenwärtig
Avignon umgsben, sallen in dicse Zeit, und sis wurden trotz ihres ungeheu-
ren UmfangeS in wenigen Jahren vollendet, wie auch die Schlöffer und^
Burgen von Villeneuve, Avignon gegenüber, wo es noch eine höchst interes-
sanie Kirche gibt. Das bebeutetibfte Denkmal abec äuS jener Zeit ist
das schöne Grobmal Jnnocenz' VI,, das sich cinst in der Karihause zu Ville«
neuve defand. DieseS Gcabmal, gegenmärlig in der Capelle deS HospitaieS,
gehört mit zu de» schöustcn, melche die goihische Baukunst in der Beziehung
äuszuweisen hat. Auch ecblickt man hier 'ein sehc iiüereffanteS Bild, daS jüngste
Gecicht, melches man dem kunstserligen Könige Rene zuschreibt, eine Angade,
oie inoeß nicht so gar schwsc zu nüoeclegeu sein möchle Villeneuve scheint
e!n LieblingSsitz der Carbinäle und aoigiion'schen Päpste geioesen zu sein.
Sie haben hier viel gebaut, aber gegenwäctig ist daS Meiste Nuine. Die
Burgen sino gebrochen, und man sicht nur hier und da einzelne hervorragcnde
Thürme, Trümmec von Mauern uno gewaltigen Thocen, meist von einer
schönen, abec kräftigen Architekiur, modurch sich nicht bloß der päpstiiche Pa-
tast. sondern auch bie Mauern dcr Stadt, welche dieselbe rund umgeben, so
auszeichnen.

Urkunden
aus den Schreinskarten des Bezirks Niderich

Ln Köln.

Mitgetheilt von I. I. Merlo.

Fortsetzung. (S. Nr. 145, 150, 152, 155, 158, 164, 168, 170, 173, 175,
176 und 181.)

201. Maximinskloster. 1239.

Xolum sit t. f. g. p. quoä kuberlu» et uxvr eio» Llissbelk emeniut
erx» eonuentum «ti. ltlsximini äimiäism ävmum et sresm sitsm in vsläe-
msonis zvis-ill gue obposits (sio) est äomui keriboräi ,.. Xeia suot bee
snno älli. m°. vo°. xxxix.
 
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