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Zentral-Dombauverein <Köln> [Editor]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1860 (Nr. 179-190)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1806#0036
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6) FLrbung (Polychromirnng) der Portale, die vor Kurzem noch am
Südthurme gefunden ward;

6) Lettner, seine Nothwendigkeit und Beziehung zur Orgel und zum
Dompfarr-Altare, dcn die alte Zeit an dcr Chorscheide bezweckte;

7) dio gebrannten Fenster und ihre Farben-Nothwendigkeit gemäß den
Kirchengesctzen;

8) der Taufstein oder vielmchr die Tauf-Capclle in der Vorhalle;

ll) die künftige Treppc an der Trankgaffe und ihre Stationsbilder.

Dies werden ungefähr die Hauptfragen sein, über welche ich, fe nachdem
es rathsam scheint, mir ein Urtheil erlaube. Daß ich rein tcchnische Fragen
nie bcrühren werde, viclmehr den Männern vom Fache überlaffe, ist selbst-
redend; denn alle Kunstliebhaberei mit halbem, Biertels- oder Achtels-
Wissen ohne Kvnneii halte ich in allen Kunstzwckgsn für vcrderblich.

Gehen wir nun ohne Weiteres zu unserer ersten Frage: dem Chortbürm-
chen, über, deffen Gerippe schon der Vollendung naht und bald dem Wan-
dercr durch seinen Dreikönigen-Stern das Münster der heiligen Mager schon
in weiter Ferne verkünden wird. Wäre die christliche Kunst durch den Bruch
ihrer Einheit nicht so jammervoll außer Zusammenhang gebracht worden, so
wäre es Jedermann einleuchtend, daß solcherlei Thürnichen oder Dachreiter
nach altcm Geiste gefärbt oder vergoldet wurden. Rußland ist noch das Land
der goldenen Auppeln. Kratz, der wackere Forscher über den Dom zu Hildes-
heim, weiset auch nach, wie zn Godehard's Zeiten auch das Dach und Thurm-
werk dcr Äirche mit der grvßten Pracht ausgestattet ward. Wer Schwaben,
Baiern, Oesterreich u. s. w. kennt, findet auch die alten Kirchtbürme sogar
auf den Dörfern bemalt. Der Alte licbte die Farbc; dcmi Farbe ist Licht,
und frisches Leben hat gesunde Farbe, und erst die classische Unwiffenheit
meinte, ein bleiches Gpps- oder Marmorstück sei der Jnbegriff aües Schönen,
bis man auch jetzt dahinter gekommen ist, daß auch die Griechen die Fär-
bung liebten Und unlere Gelehrsamkeit, vielmehr Nichtgelehrsamkeit auf
Jrrwegen war. Jm sechszehnten Zahrhundert war die alte Ueberlieferung
noch nicht ganz gestorben, nnd als Gesrg Schön von Würzburg (Nieder-
maper, Kunstgeschichte der Stadt Würzburg S. 319) das Chordach 1564 bis
1568 erneuerte, vergoldetc der Maler Jakvb Cap die vorderen Thurmknöpfe
sammt ihren acht Kugeln. Anderer ähnlicher Beispiele ließen fich viele an-
führen; aber die Hauptfrage fassen wir gleich an: Darf unser Dom-Dachreiter
vergoldet werden? Die Antwort lautet einfach: er darf nicht allein, sondern
er muß vergoldet werden, wenn wir im Geiste der alten Zeit schaffen
wollen. Noch viele Leute entsinnen sich des früheren Chorthürmchens. Jm
ersten Jahrzehend (l8t>6 glaube ich) wurde der erste Obermantel wcggenom-
rncn, später das ganze Thürmchen abgetragen. Dieses Thürmchen war aber
keineswegs das ursprüngliche, vielmchr sagte schon dcr erste Anblick, daß
eS im hübschesten Birnenzopfe des vcrgangenen Jahrhunderts errichtet wor- j
dcn. Mehrere Abbildungen davon besitzt unser wackere Knnstsorschcr Herr >
Merlo, nnd mag über ihre Beröffcntlichung oder Nichtveröffentlichung selbst !
beschließcn. Jn wclchem Jahre wurde dieses Ungethüm errichtet? Nach dcm !
alerandrinernden Gedichte von Joh. Fcrd. Gryes, welches Herr Merlo !
mir mitzutheilen ebenfalls die Güte hatte, geschah dies^) im Brachmond !
1744. Wie war nun der älterc Thurm, wie wir ihn noch auf dem Bilde
von Anton von Worms sehen, im vollen Einklange mit dem übrigen Bau-
werke? Nicht allein vergoldet, sondern er hieß auch im Volke das g ol-
dene Thürmchen. Den Beweis für diese Thatsache entnehmcn wir aus
einer Handschrift, im Befitze des Regierungs-Haupt-Caffen-Secretärs Herrn
Selb. Diese Papier-Handlchrift, von etncm Domvicar in Form eincs Jahr-
buches verfafit, hat unter vielen Unbedcutenheiten zwet merkwürdige Nach-
richten, erstcns über dic setzt noch stehcnde Orgcl und ihren Mcister Neuhaus,
zweitens über unseren Thurm, der schlechtweg der goldene (turris aursa)
genannt wird. Da diese Thatsache für sich selber spricht, so ist uns also der
Fingerzetg für gleiche Behandlung dcs Thurmes gegeben. Knickeret und
Geldsparen an cinem Münster wäre unscren Vorvätern als ein Gräuel er-
schienen, und es gibt hoffentlich noch viel guten Willen, der ähnlich fühlt,
wie hoffentlich spater dic Domd ach-Collecte noch bewähren wird.

Wenn also dcr gsldene Dachreiter wieder ernent werdcn soll, so drän-
gcn fich wieder zwei Fragen vor: W orauf kann vergoldet werden? und
zweitens: da an einen sinnlosen goldenen Anstrich nicht gedacht werden
kann, wic muß die Bergoldung beschaffen sein, um kirchlich, d. h. geistig,
und mit allem übrigen Zierwerk im Einklange zu stehen?

Ueber die erste Frage hast Du selber gcnug nachgedacht und Erfahrun-
gen gesammelt. Stände unsere alte Gereons-Kirche noch, die, zu den gol- j
denen Martyrern voreinst genamit, schon vom Bischof Gregsr von j
Tours (starb 595) hocbgcrühmtwird, weil an ihr nichts Brennbares, also !
kein H olz, auch kciri hölzernes Dach war, so wäre die Frage leicht zu !
lösen. Hier denken die Lcute gewöhnlich an Bleidächer, und vondem Bane :
Clotar's von Frankreich bis auf die neuesteZeit laffen fich solcher bleierneu
Kirchendächer schon aus Mabillon vielc nachweisen. Jndessen steht cs fest bei
den Männern vom Fache, denen hier das Wort zusteht, daß Blei sich nicht
vergolden läßt, wenigstens nicht haltbar. Der goldene Stern, dcr srit ^
569 Jahren auf der westlichen Giebelwand des Chores stand, ist auch nicht
von Blei, sondcrn von Knpfer, das sehr gut die Vergoldung annimint.
Die Rcste der alten verzierten Bedachung unseres Domes bewcisen auch,
daß dic alten Dommeister ein Pigment zum Behufe der Vergoldung gebrauch-
ten, leider aber ergab die chemische Untersuchung nur, daß es ein Pflan-
zensto ff war, uicht, wclcher. Um sicher zu gehcn, wandte sich Deine Für- j
fichtigkeit nach Jnnsbruck in Tyrol, wo noch das goldene Dach nach
sv vielcn Jabrhunderten im hrllen Sonnenlichte wie ein Rcgen von Edel-
stcinen die Augen ersreut. Sind wir der edlen Bebvrde Jnnsbrucks, die so
wohlwollend schnelle Auskunft gab, ja, sogar einen Goldziegel zu übersenden
stch erbot, in unsercm und Kölns Namen den ausrichtigsten Dank schuldig,
den wir hiermit gern öffentlich abtragcn, so ist das Ergebniß doch jetzt

^) Der Titel dcs launigen Gedichkes lautct also: Des löblichen
Zimmer-Handwerks Gesellen-Spruch, als dieselbe im
Brachmonat 1744 auf den neu-aufg eführten Hohen
Dohm-Thurm Zn Cölln Mit gewöhnlichem Gepränge
den Straufi aufgestecket. Der Bau fällt also unter dcn Baier- j
Fürsten, den Kurfürsten Clemens August.

ziemlich feststehend, daß für die Bergoldung eine Kupser-Unterlage nötbig
ist. Merdings ist Kupfer theurer als Blei; allein kann eine solche kleine
Ausgabenerhöhung bsi einem Wcrke in Anschlag kommen, das nicht nur ein
Gottesberg, sondern cin Preis Deutschlands werden soll? So viel über das
Material; die Männer vom Fache werden das Jhrige besorgen.

Gehen wir nun zur zweiten Frage über: Wie soll die Goldverzierung
beschaffen sein? so ist diese weniger schwierig, als vielmehr fremdartig für
eine Zeit, die in einer anderen Lebensliift athmet und fich in die kirchlichen
Anschauungen der früheren Jahrbunderte schwer hineindenkcn und zurückver-
setzen kann. Man merkt cs bei allen Gelegenhcitcn, wo solche Fragen zur
Verhandlung kommen, wie unsicher und schwankend die Meinungen und
Kenntnisse sind. Der Eine hat diesen, ein Anderer einen anderen Einfall;
der Eine sucht in aller Herren Ländern, ob nichts Brauchbares zu sinven,
der Andere schlägt eigene Wege vor, und die Unwiffenheit deckt fich mit dem
Mantel der Genialität. Nirgends wird mehr gesündigt, als in der Verzie-
rung der Kirche, natürlich, denn wer hat seit Karl Borromäns sich mehrmit
Kirchenbaukunst und ibrem Geiste befaßt? Allcrdings sind wir jetzr zur Ein-
sicht gekommen, daß wir auf falschc Wege abgeirrt sind; abcr wer zcigt
uns den rcchten? Wir können sebr vft sagen: das taugt nicht; aber
fragen wir: was ist rccht und muß an die Stelle? so ist die Verlegenheit
groß, der Wortprunk oft größer, das Ergebniß keines.

Wenn wir uns an die ewigen Grundsätze halten, die späier wenigstens
theilweisc zur Sprache kommen sollen, so muß unsercs Dafürbaltens die Verzie-
rung des goldenen Thurmes in Bildern bestrhen. Aber in w a s fürBildern?
Jn me ral'.cnen Zeichnungen oder Skizzcn, dic keine ausgcsührtcn Gemälde
werden dürfen, vielmehr in großartigen Andeutungen, um aus der Fernc,
sogar außerhalb der Stadt, gesehen werden zn können, jedem Auge anzei-
gen: das ist das hohe Münster, der Berg Gottes, Kölns Dom. Jedoch hier-
mit ist nicht genug gesagt. Das Bildwerk derVergoldung muß auch in naher
Bcziehung mit dem Dom selbst stchen, so daß es auf ihn vorzüglich und
nicht auf jcde Kirche paßt. Schon um dieser Rückstcht allein willen passen auf
diese Thurmhöhe nur symbolische Bilder, obgleich ich wohl weiß, daß
unsere Zcit diese Geistessprache, wie der Apostel Paulus sprkcht, nicht sehr
liebt, weil cben nicht schr kcnnt.

Fragen wkr jetzt: Welche Bilder würdcn paffen und zngleich mit dem
kölner Dom in Beziehung stehen? Bedenke ich, daß die Pyramide acht-
eckig ist, so scheint mir solgende Anordiiung ihrem Zwccke zu entsprechen:

Erstens in Osten paßt nur Cbristus oder vielmehr sein Zeichen, wie
es auf dem konstantinischen Labarum steht, der Buchstabe Olii mit dem durch»
fahrenden Illlo. Dieses allgcmeine Sinnbild ift nothwendig; dcnn be-
kanntlich mnß j ed e Kirche geostet sein, dsr Heiland ist der ewige Osten
(Orisns ex alto), zu ihm, d. h. znm Osten, wendet sich der Christ zmn Gcbete
seit den Aposteltagen; jedoch, ich habe i» meincm „Kirchenbau" die übrigen
Gründe angegeben und verweile nicht bei bekannten Dingen. Daß das apo-
kalyptische Alpha und Omega zn beiden Seiten nicht fehlen darf, verstebt
fich von selbst, und da größere Lücken für das Auge mißliebig wirken, so
könnte viellcicht das konstantiiiische I. II. 8. V. (In lloo signo vinees) die
Wahrheit neu einprägen, daß Hcil und Sieg nur in Christus und seinem
Kreuze.

Beim zweiten Bilde müssen wrr eine kleine Vorbemerknng uns erlau-
ben. Von dem Heilande wird die jungfräuliche Mutier nie getrennt. Wo
eine Hcilandskirche, steht gewiß, wie zu Trier, in der Nähe eine Liebfrauen-
kirche, oder wie zu Köln früher am Dome (UsriLnck ArLckns) Margrie ten,
aus dessen Paradies man in den Dom gelangcn konnte und umgekehrt. Das
Muttergottes-Chvrchen im Dome selbst wollen wir nebst andcren Dingen frei-
willig überseben, müffen abcr betonen, daß unser Dom auch auf den Namen
der heiligen Jungfrau gewciht ist, also hier eine nähere Beziehung eintritt. .
Die nächste Frage für uns ist aber hier, da in der Kirche Gottes Alles feste
Ordnung ik: Welche Stellung wird der Mutter, der von allen Geschlechtern
glückselig Gepriescnen (Lukas I. 48), neben dem göttlichen Sohne angewis-
sen? Antwort: Gesetzlich immer die Ebrenseite oder die rechte Seite.
Weßhakb? Den irdischen Salomo besuchte scine Mutter nach der Schrift
(RsZ. III. o. 2. 19.), iim för Adonias, den Sobn Aggith's, zu flehen, und
Salomo stand auf, ging der Mutter entgegen und setzte ste auf dcn Thron
zu seiner Rechten. Der wahre himmlische und cwige Salomo ist Christus,
dcr auch die Mutter znr Rcchten hat, selber also die linke Seite einnimmt.
Die alte Kunst befotgte diese Rcgel gcwiffenhaft, und setzte darnm das
Jesnkindletn auf den linken Arm, wie noch bci unserem berühmten Maricn-
bilde im Dome zu sehen ist.

^ck szns cksxtram rsssäisti,

Ouancko munckum religuisti,

sagt auch das alte Kirchenlied bei Mone (Ost. H)mii.). Wir werden also
auch von dem Gesetze nicht adweichen dürfen, rechts von Ost ist Südost, und
dorthin gehört Maria. Wie wird sie dargestellt? Jn ibrem bekannten Bild-
zcichen mit dem Mecrcsstcrne, der fie selber ist (blir-zaiu), und umschlossen
von der gebeimiiißreichcn Rose und Lilie, diesen ans dcm Hohenliede ent-
nommcnen Blumen. die von jeher die heilige Jungfrau gesinnbildet babcn.
Daß die Lilie des Morgenlandes mit unserer Kaiserkrone großc Aehnltchkcit
hat, ist auch eine Bcmerkung, die für den Bergolder ein Fingerzeig sein kann.

Gehen wir nnn zum dritten Bilde über, so ist dieses kcin andcrcs,
als das des heiligen Petrus, dcn der Herr als Felsen für seine Kirche aus-
erwäblte, nnd dem er vorzugsweise dcn Schlüffel des Himmcls, den Schlüffcl
des Bindens und Lösens übergab. Der Schlüffel, und naiiicntlich der got-
dene Schlüffel überhaupt (über silberne u. s. w. mag Mabillon nachgesehen
werden), gilt als Sirmbild der höchsten Kirchengewalt; abcr einc Bemer-
kung scheint mir nicht überflösfig, daß der Schlöffel nicht ncumodisch sein dars,
sondern ein alter. Die Alten nämlich burchbrachen den Bart des Schlüs-
sels vierfach, als Anspielung auf die vier Evangelien nnd auf die vier,
d. h. alle Weltrichtungen, nach welchen hin aus dem Mittelpunctc Rom der
Glaube verkündet wird, wie Pautus im Eingange ietnes Brikfes an die
Römer (Bers 8) glückwünschend sckreibt. Der Griff dcs Schlüffels sei eben-
fglls ein Viereck, gleich dem Vierccke der Kirche, nur übereck gcstellt. Der
kölner Dom hat auch scine besondercn Beziebungen zu Petrus, unter An-
derem, daß er eigentlich und ursprünglich als Petri-Dem geweiht ist. Auch
Petri Zünger, Maternus, gründete nach der Sage die kölner Kirchc, und
der Schlüssel in Nordost mag daran erinnern.
 
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