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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1860 (Nr. 179-190)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1806#0045
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um so getroster dem Kunstverstande überlaffe» werden, LlS die heutige Ursola»
Sirche ia noch eineu altsn Bilderlreis über daS Leben der heiligen Blut-
zeuginnen bsfitzt. Auch dürste daS Relief wohl «n die Geschichte erinnern,
die noch fetzt amUlrepörzchen auf der Stadtmauersteht. Wie die Chronik erzählt,
wollte Haveniet die Stadt verratheu, aber die Heilige nahm fie in ihren
Schutz oder, wie frühere Zeiten sagten, unter ihren Mantel. Das Pstiler»
Standbils zwilchen den Mittelthüren «ürde auch nicht schwer zu finden sein.
Jn Westen steht die Mutter des Heilandes, in Süden die Mutler der heiligen
Jungfrau. Wer ist die Muttcr der heiligen Ursula und ihrer heiligen Ge-
nosffnnen? Der christliche Tlaube nach alter Sprechweise, nach dem Ge-
setze darzustelle», d. h. mit Kelch und Hostie.

Für die

nördliche Männerthür

bietet Kölns Geschichte eine Fülls von Gestalten: erstens die Erweckung des
heiligen Maternus, Schülers und Sendboten des heiligen Apostelfürsten
Petrus. Jndem ich an dcn Stab erinnere, den bekanntlich Tricr und KLln
theilten, warne ich vsr der dummsn neumodischen Kririk, die z. 8. an St.
Peter beim Eingange in der «ternengaffe dem Heiligen eine Art Ziegen-
hainer in die Hand gibt, wabrscheinlich nach der geistreichen (!) Behaup-
tung unserer Zeit: die Npostel seien arme Schlucker gewesen. Bekanntlich
legten die ersten Christen ihr Gnt zu den Füßen der Apostcl. Und wer über
das Bermöge» der Gemeinde gebietet, kann der arm sein? Jedoch weiter.
Fernsre ausgezeichnete Männcr find die Heiligen Severinus und Cunibertus,
die Volkserbauer, der gewaltige Anno, der fast an dieser Stelle ans dem
Stadtringe stüchtete; endlich der heilige Engelbert, Martprer für Recht und
Reich. Den Zusammcnhang mit dem Ursula-Portale überlasse ich Jedem, selbst
zu erwägen, denn es würde eine Arbeit ohne Ende, wollten wir auf die
Begründnng jeder Einzelheit uns einlaffen.

Die Kirche ordnet ihre Heiligen in bestimmter Folge: Apostel, Martprer,
Beichtiger, Jungfrauen (Virxo wird auch von Männern gesagt, z. B. Jo-
hannes und dem Heilande selbst), zuletzt Witwen. Für die

nördliche Frauenthür

haltcn wir den Titel der Jungfräulichkeit am geeignetsten, gerade für das
voreinst so jungfräuliche Köln. Hermann Joseph, deffen Geburtshaus an St.
Mergen vvn dem wackeren Hausbefitzer durch eine Jnschrift bald näher be-
zcicknet werden soll, Bruno, Stiftcr der Carthäuser, u. s. w. würden hier
paffen, auch die heilige Kaiserin Mathilde, die bei der Krönung rbres Sobnes
Otto und oft zu Köln anwesend war; nicht minder die jungfräuliche Kaiserin
Kuncgunde und Kaiser Heinrich derHerlige. Jn Marien-Ablaß,Pantaleon,
biesem Ottonen-Archiv, so wie im nahen Brauweiler können die Steine die
Gründe für uns angeben. Jn der Spitze dachte ich mir früher das Auge
Go tt es, «llei» da diese Dorstellung mehr kabbalistisch-rabbinisch als christlich
ist, so wäre dic Hand Gottes aus der Wolke oder die Arche (wer außer-
halb, ging unter in der Sündflut), dieses uralte Sinnbild der allumfassen-
den Kirche, vorzuzieben.

So wären wir mit unseren neun Thüren und Titeln fertig und be-
ginnen nun, in ähnlichem Rundgange unS nach den

Standbildern

umzusehen. (Fortsetzung folgt.)

Berichtignng. Jn Nr. 167, Seite 3, Columne 1, Zeile 19, lieS statt
THLrme „Thüren".

Die Prämonstrateufer-Kirche zu Knechtsteden.

Die seit einer Reihe von Jahren auf dem Gebiete der niederrheinischen
Geschichte herrschende Tbätigkeit ist auch für die Kunstgeschichte nicht ohne
Ausbeute geblieben. So find wir durch das vor einiger Zeit erschienene
fiebente Heft der Annalen des historischen Vereins sür den Nieverrhein wieder
in Stand gesetzt, über die Baugeschichte dcr Prämonstratenser-Kirche zu
Knechtsteden genauere Mittheilungen zu machen. Die Kirche zu Knechtst-den
ist disher im Ganzen wenig von der neueren Kunstzeschichte beröcksichtigt
worde.n, ohne Zweifel, weil fie schwer zu erreichen war. Rachdem die Eisen-
bahn zwischen Köln und Neuß in die Rähc derselben führt, wird fich diese
Zierde des streng romanischen Stples gewiß eines häufigeren Besuches von
Seiten der Kunstfreunde zu erfreuen haben.

Die Kirche thut im Leußeren sowohl als auch im Jnneren eine bedeu-
tende Wirkung. Nach außen präsentirt fich besonders vortheilhaft der östliche
Theil. Das Chor mitden zwei dasselbe flankirenden viereckigen Thürmen,so wie
den seitwärts vorspringenden Flügeln desQuerschiffes bildet eine schvneGruppe,
die in dem über der Merung fich erhebenden mächtigen achteckigen Thurme
den beherrfchenden Mittclpunct findet. Auf der Südseite führt ein reiches
Portal, wie solche romanischeu Kirchen eigen zu sein pflegen, in die Kirche,
das aber, wie die entwickelteren Formen andeuten, wahrscheinlich etwas jünger
ist, als die übrigen Tbeile der Kirche. Besonders wohlthucnd ist das Jnnere;
die Träger der die Schiffe von einander trennenden Arcaden find mannig-
faltig: Pfeiler von vier Säulen umstellt, einfache Säulen, vicrfach gekup-
pelte Säulen, einfache Pfeiler; durch diesen Wechsel von Säulen und Pfei-
lern entsteht eine gewiffe Bewegung, ohne dem Eindrucke der ruhigen Würde,
welchen das Jnnere hervorbringt, Eintrag zu tbun. Die Kirche ist nie eine
Bafilica m!t flacher Dccke gewesen, sondern ursprünglich auf Gewölbe an-
gelegt, wodurch fie mit Rückficht auf ihre frühe Entßehung sehr merkwürdig
ist und in dieser Beziehung mit der jetzt niedergelegten Mauritius-Kirche zu
Köln concurrirt; überhaupt hat die Kirche, wenn man von dem erhöhten
östlichen Chore, das vielleicht ursprünglich mit dem unverändert geblrebenen
westlichen Chore übercinstimmen sollte, abfieht, keine Veränderung erlitten.

Ueber die Gründung des Kloster« und die Baugeschichte der Kirche gibt
nun eine Kloster-Chronik (k'unä-ttio Lnktstoäenöis), welche der um die Ge-
schichte des Rheinlandes sehr verdiente Herr Pfarrer Mooren aus einem
dem Pfarr-Archive zu Grefrath bei Kempen angehörigen Coder in dem ge-
nannten Hefte der Annalen mittheilt, erfreulichen Aufschluß, wie man ihn nicht
leicht über Kirchenbauten findet. An der Stelle, wo jetzt die Kloster-Gebäulich-
keiten und die Kirche stehen, befand fich vor dcr Gründung dcs Klosters ein so-
genannter Herren- oder Frohnhof, wozu weitläufige Grunvkücke, Wald,
Wiese und Weide gehörten, damals dem Dechanten am Domstifte zu Äöln,

dem Grafen Hugo, zugehorig. Hugo bestimmte den Hofzu frommen Zwecken,
damit er und seine Eltern Verzeihung ihrer Sünden gewinnen möchten uud
damit fromme Menschen Gelegenheit hätten, dort in klösterlicher Zncht dem
Herrn zu dienen. Als die reiche Schenkung gemacht war, kam es darauf
an, «loster und Kirche zu bauen. Die Chronik erzählt darüber Folgendes:
Hugo ließ auf den Rath dcs ErzbischofS Friedrich 1. im Jahre1132 an einer
Stelle des genannten Hofes cine Kirche beainnen, weil die junge Pflanzung
noch in den Anfängen war, klsin und beschränkt; an deren Stelle sollte aber
im Laufe der Zeit, nachdem fich die Zahl der Mönche vermehrt hätte, eine
herrliche Kirche tretcn. Dieses vorzügliche Werk zu beginnen, ließen fich drei
Männer durch göttliche Eingebung bestimmen, nämlich der Sckwlasticus
Heribert von St. Aposteln, deffen Bruder Berenger und der Converse Gez«,
welche den Grundstetn zum klösterlichen Leben und zum Baue legren. Heribert,
welcher zum Propst ernannt worden war, sammelte, um die neue Anstalt zu
bevölkern, Brüder und bestimmte fie zum göttlichen Dienste'). Es ist hier,
wie man aus dem Folgenden ersehen wird, von einer kleinen Nothkirche die
Rede, die man mit Rückficht auf die Umstände vvtläufig errichtete. Die jetzt
stehende Kirche kommt in Folgendem zur Sprache: Nach wcnigen Jahren,
nämlich im Jahre 1138, begab fich Christianus, Aedituus von St. Andreas
in Köln, nach Knechtsieden und erbaute aus seinem Vermögen zur Ebre un-
sereS Herrn Jesus Christus, der glorreichen Jungfrau Maria und des heiligen
Apostels Andreas diese (die noch jetzt stcbende) hehre Kirche, nachdem eine
Religiose, Namens Udalinve, deren Gcbeine auf der rechten Seite dieser Ba-
filicä ruhen, den ersten Stein gelegt hatte. Er erbaute das Chor und die
Wölbung desselbcn")... Nachdcm Christianus, welcher dem IISll gestorbenen
Heribert als Propst gefolgt war, sin Jahr lang krank gewesen und 1151
gestorben war, kam unter seinem Rachfolger Hcrimann (1151- H6I) Alber-
tus, Propst zu Aachen und Dechant am Domstift zu Köln, nach Knechtsteden
und verwandte sein ganzes Vermögen zum Baue der Kirche. Er baute das
Münster^) von da an, wo Christianus aufgehört hatte, bis zu Ende, errich-
tcte die drei Thürme, ließ die Glocken gießen und svarte nichts, was zum
Tlanze der Kirche dienen konnte, indem er im Ganzsn 15V0 Mark auf dcn
Bau der Kirche verwandte'»).

Wir hättcn also hier unbekannte Daten über den KirchenbaiD). Die
Kirche selbst ist großentheils entstanven zwischen 1138 und
II5I, die drei Thürme in den oberen Theilen nach 1151. Die
Bauformen der Kircbc zeigen in stetem Fortschritte von Westen nach Osten
eine reichere Entwicklung, und so ließen sich wohl Anhaltspuncte finden, um
den Antheil, welchen Cbristianus und Albertus an dem Baue gehabt, auch
an diesem selbst nachzuweisen. Vergleichen wir nun die Bauformen mit diesen
Nachrichten, so finden wir eine völlige Usbereinstimmung. Die Formen haben
durchgängig einen einfachen und streng romanischen Charakter. Es sind noch
keine Spuren des Uebergangs-Stples vorhanden, keine Ringelsäulen, keine
Fächerfenster, keine Kreuzblumen, das westliche Chor ist nicht polpgon, son-
dern halbkreisförmig, höchst einfach und hat drei einfache (jctzt vermauerte)
Fenster, die Thürme haben noch nicht, wie dies bei spätromanischen Kirchen
der Fall ist, Giebel über den Seiten, über den Arcaden des Mittelschiffes
iff noch keine Spur einer Galerie oder ein Triforium, nur ein einfacher Leisten
läuft über denselben hin. Die Säulen haben noch das Würfel-Capitäl, die
Gewölbe flnd flachromanisch. Man hat diese strenge Einfachheit der Formen
nicht genug in Anschlag gebracht, wcnn man die Entstehung der Kirche in
das Ende des 12. Jahrhunderts oder gar in den Anfang des 13. Jahr-
hunderts setzte. (Schluß folgt.)

') 8llgo ill looo glloäam gjnsckoill Lllitis Lllll» äomilli 1132 ill bollvrvw
vowilli »ostri ckssa Okrisü st boatss LlariLe dlLgcksIsnae iueboari ksoit
svolssiaill strllvtllra gllickem ob plslltntiollis reUgiosss illitis LllAllstsm
et mockivam, Isbvnts tempors st sllvto rsligiosorllm nllmsro ill allgustill,
seäiLoillM erigelläsm. äck bllills tsm insigllis operis illvboLtionsm Vvlls
tros viros Slla gr»tia oxsitavit, viäelioet Llagistrllm Heribortllm, 8eko-
Isstieum s. s. A.posto1orllm Lolonise, ot krutrem oslls Lorillgerllm st
guemäam oouversllm dsso llomiuo, glli roligiovis ok strlleturue llllläs-
mollt» foeorullt. Dorro 11 Doribortlls prsopositus ersatus kratros eolli-
Zens äivillo servitio ot eultlli msueipllbat.

2) kaueis post uiniis lloäitlllls ssllvti ^uckioso 6ololl!ao dkristisulls uomillo
piotatis eauss et roligioiiis amoro aä blluo looum so eoutulit ot cko
rsbus sib! a Deo eollatis iu bouorom Domini uostri ckosu Lkristi rt
Zloriosuo virgillis blsriao et ssueti A.llckrsao äpostoli Sllllv äomilli I138
bauo Lugllstam illoboavit busiliosm juoto primo lapicks sb Däs.Iilläs ro-
ligiosa tssmill», ouills eorpllsolllum ill äextera parto buills bssilioao
ill soplllero oolläitllm ost. Lxstrllxit itugue vir pius SLlletllarillm ot
testlläillöm ejlls ub lltragllS parts obori loruioes oorllm oollsummuvit.
Die Stelle oxstruxit bis oollsummavit ist schwer zu verstehen, wahr-
scheinlich ist sie corrumpirt.

^) Unter mvllLstorium ist wohl dic Kirche zu verstehen; daß mouusterillm
diese Bedeutung hatte, geht z. B. aus einer Urkunde vom Jahre 1> 43
hcrvor, wo Erzbischof Hermann II. von Köln sagt, er habe das
von seinem Vorgänger bezonnene mollustorillm von Sanct Severin
vollendek, und die Erklärung hinzufügt: iä est orutorium oum bripta:
Quellen zur Gesch. der Stadt Köln von Ennen und Eckertz, I. x- 478.

«) Sllvoossorom knbuit Leridortlls sam äiotum 6kr!stiunum gui iu morbum
illlliäit ooguo por Ullllllm ckur»llt« (». 1151) äiom Sllllm obiit. blortuo
6kristi»llo HerimLlllllls prepositlls sueeessit. Nllill» tomporo ^ibertlls
praepositlls ^guoosi» et mvtropolitsuLo 6olou. eoolesiss DeoullUS, vir
omui morum bvllostuto vouspiolllls sä kllvo loeum ruptus tallto sbkootll
Doum amuvit, ut omll!» su» kuius oeolesiLe usibas erogurot. 1s igitur
mollLsterillm »b o» p»rte, gll»m LkiistiaullS prsopositus oxstruxer»t,
llsgll« »ä üllem peräuxit, tro» turres oroxit, e»mp»ll»s oollü»ri keoit ot
gllickgllick »ä »säiüoii splellckorem laoors possot proovrLvit. Ill d»ll0
struetllram impouckit mills guiugentas m»ro»s.

') Die Jabreszahl 1131, welche fich auf dem westlichen Giebel des Haupt-
schiffes befindet, ist jüngeren llrsprungs.

Verantwortlicher Herausgeber: I. I. NelleS in Köln.
Commisfions-Verlag des BerlegerS der Köln. Ztg.: Jos. DuMont in Köl».
Druck von M. DuMont-Schauberg in Köln.
 
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