Bedeutung der RenMance, ihre berechtigte, wenn auch einseitige Stellung in
der Kunstgeschichte und ihre Folgen in der Malerei, Sculptur und Archi-
tektur, welchen wir hier mittheilen. Regens Or. Koch schloß die Versamm-
lung, indem er für die Bemühungen und Leistungen der Mitglieder dankte
und zu unermüdeter weiterer Thätigkeit, der die schönsten Erfolge nicht sehlen
könnten, aufforderte.
Vortrag deS Leminaristen Herrn Alberty in der 7. General-
Versammluug des akademischen Donibau-Dereins zu Hildesheim
am 3. August 1864.
Es herrschen über die Bedeutung der Renaissance in der Geschichte der
Malerei, Sculptur und Architektur besonders zwei sich widersprechende An-
sichten: den Eincn gilt die Kunst dcr Renaissance als die schönste Blüthe der
Kunst, und diese haben dann sür andere Erscheinungen in der Kunstgeschichte
nur ein Achselzucken übrig, nennen z. B. die gothische Kunst das „Grab
alles Schönen", sprechen von einem „gothischen Chaos" und dergleichen,
während Andere nur die mittelalterliche Kunst als die einzig richtige und
wahre gelten laffen wolleu und die Renaiffance einen Abfall von der Jdee,
einen Rückfall ins Heidenthum nennen. Die erstere Ansicht herrschte ziemlich
allgemein bis ins gegenwärtige Jahrhundert herein, und die letztere wurde
vorzüglich durch die Romantiker angebahnt, indem sie durch unbefangene
Forschung das christlich-ideale Rkittelalter unserer Zeit wicder erschlosten und
die damalige Denk- und Anschauungsweise, wie sie in dem Wirken und in
den Werken jener Zeit zu Tage tritt, zum Verständniß brachten. Beide An-
sichten haben jetzt noch ihre Vertreter, und ob die eine oder die andere, oder
vielmehr, ob überhaupt eine von den beiden Anftchten die richtige sei, das
wäre zu untersuchen. Zu dem Ende müffen wir uns den Eharakter der mit-
telalterlichen Kunst und den der Renaissance vorführen. Wir beginnen mit
der mittelalterlichen Kunst.
Der Gcist eines Mannes zeigt sich in seinem Aeußeren und in seinem
Wirken; der Geist einer Zeit prägt sich aus in allen ihren Unternehmungen
und Werken, und hat man diesen Geist nicht begriffeu, so begreift man auch
seine Erscheinungsweise, seine Verkörperung, wenn ich so sagen darf, nicht.
Daher, um die mittelalterliche Kunst zu verstehen, erst einen Blick auf den
Geist, dcr in dem Leben der mittelalterlichen Menschen überhaupt wehte!
Das Leben im Mittelalter war ganz vom Geiste des Christenthums durch-
drungen und beseelt, alles Streben im Staate, in Ler Wiffenschaft, in der
Kunst ging fast ganz in der Kirche auf, und man sieht es an allen Erschei-
nungen, daß es eine Jdee ist, die sich in ibnen verkörpern, mit Fleisch und
Blut umgeben will: das Christsnthum. —Der Beherrscher der Welt empfing
vom Lenker des Gottesreiches seine Krone, und der Papst vom Kaiser, im
Falle der Noth, des Reiches Hülfe; sclbst die geistlichen Obern waren welt-
liche Herrscher. Die Wiffenschaft war fast ausschließlich Theologie; profane
Wissenschaften als solche kannte man nicht; sie waren so eng mit der Theo-
logie verwachsen, daß Naturwiffenschaft und die Lehre vom Absoluten, ma-
thematische Untersuchungen und die Lehre von der Trinität, Astrologie und
Jurisprudenz iu Einem Werke in der sriedlichsten und naivsten Weise ver-
eint waren, wie ja auch dis Träger aller Wiffenschast ausschließlich die Geist-
lichen waren. Kurz, wie im Leben, so in der Wiffenschaft stand Alles im
Dienste der Kirchc; der einzelne Mensch opferte sein individuelles Streben
ihrem Streben, und die einzelnen Wiffenschaste^ standen, freilich auf Kosten
ihrer weiteren eigenthümlichen Entwicklung, als 'ganz unselbständig da.
Jn cben dieser innigen Verbindung stand auch die Kunst mit der Kirche,
auch sie war kircklich-religiös. Die Architektur, damals die hauptsächlichste
unter den plastischen Künsten, beschäftigte sich vorzüglich mit Kirchen- und
Klosterbau, und da hat sie denn auch das Großartigste geleistet. Sculptur
und Malcrei, die im Mittelalter nur decorativen Charakter hatten, waren
natürlich eben so nur religiösen Zwecken gewidmet, und da ist es erbauend,
zu sehen, wie der Künstler so ganz in seinem Schaffen und Streben an das
Object seiner Kunst sich hingab, an sich in seiner Bescheidenheit und Her-
zenseinfalt gar nicht dachte, so daß uns meist nicht einmal die Namen der
mittelalterlichen Meister ausbewahrt und wir kaum im Stande sind, durch
mühselige Forschung uns Kenntniß von ihnen zu verschaffen. Die Meister
hatten sich ganz hineingelebt in die Jdee, die sie verkörpern, in den Geist, dem
sie Form geben wollten, und das christliche Jdeal der Heiligkeit und Fröm-
migkeit darzustellen, war ihre Aufgabe und ihr Ziel, und gerade deßhalb ist
ihre Kunst so hochideal. Die irdische Schönheit der Form war ihnen Neben-
sache, wenn nur die Schönheit der Jdee zum Ausdrucke kam. Von gold-
glänzendem Grunde, wie aus Himmelsglorie schauend, scheinen die Gestalten
der Malerei einer anderen Welt zu cntstammen, und nicbt Eleganz der Form,
nicht weiche und fließende Linicn, nicht Reichthum der Composition sind es,
was die Verehrer der mittelalterlichen Kunst an ihr so sehr preisen, nein,
„das ist der Rubm der alten Meister (sagt ein Kunstkritiker, Speth, „Kunst
in Jtalien"), daß sie die Urschönheit der Seele, wie sie nur im ewigen Früh-
linge einer neuerwachenden Welt blüht, wie sie, noch unvermischt mit Leiden-
schaften und fremdartigen Begriffen, dem Geiste inne wohnt, in ihren Werken
ruhig verklärt haben; das ist ihr höchster Ruhm, daß sie überall nach be-
deutungsvoller Jdealität gestrebt und sie in wunderbarem Gemische von Leiden
und Erquickung, von Hoheit und Demutb, von Ernst und Würde mit all
dcr Anmuth und Zucht der eigenen Seele, in Stellung, Blick und Geberden,
ernst und strenge angeordnet, zur Osfenbarung gebracht; — das ist ihr un-
sterblicher Ruhm, daß ihre Werke die Frucht himmlischer Begeisterung sind,
womit sie, voll Jnbrunst dem göttlichen Lichte zugewandt, durch Glaube und
Andacht sich zur Anschauung des Ewigcn erhoben, den Himmel herabzogen
und so das eigene fromme, beschauliche Leben zur Erscheinung brachten. So
sehen wir in jeder ibrer Gestalten, bei allen Gebrechen und Mängeln der
Form, selbst was im Leben sich feindlich begegnet, ftiedlich und freundlich
zusammen bestehen, und in alle Züge und Geberden ausgegoffen, sie zu be-
wegen; aber die Bewegung crscheint nicht, es ist die Ruhe in der Bewe-
gung; denn Alles hat sich in Lieke vereinigt, in Demuth ergcben, in Ver-
trauen aufgelöst, im Glauben streng bewährt. Die Materie ist überwunden
und lodert mit dem Geiste zugleich in eine Flamme des Dankes auf."
Fragen wir nun, ob die so charakterisirte mittelalterliche Kunst die Kunst
in ihrer höchsten Vollendung sei, so muß man, legt man den wahren Zweck
der Kunst als Maßstab an, offenbar mit „Nein" antworten. Zweck der Kunst
ist ja Darstellung der Jdee in adäquater Form: wo Jdee und Form sich
decken, wo dieJdee verkörpcrt, d. h., adäquat verkörperl und die Form ideali-
sirt ist, da ist die Kunst auf ihrem Höhepuncte. Betrachten wir nun die
Kunst der Renaiffance, ob sie die Kunst in der HSchsten Vollendung ist.
Nehmen wir an, wir kännten die Renaiffance gar nicht und wollten
nun auf Grund der früheren Entwicklung der Kunst ihren weiteren Weg
berechnen, welche Richtung dürften wir wohl erwarten? Man könnte erwar-
ten, daß jetzt die wahre Kunst aufträte: denn man sühlte das Mangelhafte
an der mittelalterlichen Kunst, man vermißte an ihr die adäquate Form,
und deßhalb sollte man glauben, man würde diese jetzt der Jdee verleihen.
Allein der Mensch ist ein beschränktes, irdisches Wesen, und was er soll,
das kann er nicht immer: deßhalb liegt in unserem Falle die Gefahr zu
nahe, daß er die irdische Form zu sehr betonen werde auf Kosten der Jdee.
Und so ist es auch gekommen.. Hatte man früher die Form zu wenig be-
rücksichtigt, so betonte man sie jctzt zu viel, man hielt sie für mehr, als sie
in Wahrheit ist, wohl gar sür das Wesen der Kunst selbst. Man drang mit
aller Krafl auf Naturwahrheit und Naturschönheit. Die himmlischen Ge-
stalten auf Goldgrund verschwinden, wie auch schon bei einigen spät-mittel-
alterlichen Meistern, und statt deffen süllen den Hintergrund reizende Land-
schaften oder Architekturstücke, und das Ganze crschien nicht mehr wie ein
Gebilde aus Himmelshöhen, sondern trug den Charakter des irdischen Lebens
und naturwahrer Schilderung. „Naturstudium" war das Losungswort ge-
worden, und daher dann oft jene realistische Auffaffung und jene weichen
und fließenden Linien, jene eleganten, reinen Formen der irdischen Schönheit,
die man im Mittelalter vergeblich sucht; daher aber auch ost der Mangel
der höheren Jdee, das Zurücktreten des Jdcell-Eeistigen. Dieses Etreben,
das sich so in der Kunst ofsenbarte, zeigte sich in jener Zeit in allen Ge-
bieten des menschlichen Schaffens, und das haben Manche kurzweg einen
Rückfall ins Heidenthum genannt; drei Jahrhundcrte lang habe die Welt-
geschichte still gestanden, bis unsere Zeit endlich das Unglück crkcnne und
an den alten, abgeriffenen Faden wieder anknüpfe. Allcin dürsen wir wohl
annehmen, daß es in der Weltgeschichte cinen Stillstand, geschweige einen
Rückschritt geben könne? Die Geschichte verwirklicht den Weltplan Gottes,
und ein Stillstand oder Rückschritt in deffen Entwicklung scheint auf christ-
lichem Standpuncte doch wohl kaum statuirt werden zu dürsen. Sehen wir
genau zu, so wird sich ein Fortschritt, wie in der Geschichte überhaupt, so
auch in der Geschichte der Kunst nicht verkennen laffen.
(Schluß folgt.)
An auswärtige Nereins-Mitglieder.
Unsere aukwärtigen Bereins-Mitglieder und Dsmbau«
Freunde, welche ihre JahreS-Beiträge zum Fortbau des kölner
DomeS unmittelbar an die VereinS-Casie einzahlen und die-
selben pro 1864 bisher noch nicht eutrichtet habsn, ersuchen
wir hiermit ergebenst, die Einsendung balbgefäürgst be«
wirken zu wollen, damit diese Beträge noch in dre Rechnung
von 1864 aufgenommen werden können.
Köln, den 31. Decembcr 1864.
Der Verwaltungs-Ausschuß
des Central-Dombau-Bereins.
Extra-Abonnement
aus da»
Kslner Domblatt.
Die Bestellungen auf daS Extra-Abonnement für dm
Jahrgang 1865, welche auSwärtS bei allen königl. preuß.
Post-Anstalten cntgegengenommm werden, wolle man baldigst
machen. — Der PränumerationSpreiS, deffen Brutto-
Ertrag in die Dombau-BereinS-Easie fließt, beträgt hier
wie auSwärtS IV Tgr. für den Jahrgang.
der Kunstgeschichte und ihre Folgen in der Malerei, Sculptur und Archi-
tektur, welchen wir hier mittheilen. Regens Or. Koch schloß die Versamm-
lung, indem er für die Bemühungen und Leistungen der Mitglieder dankte
und zu unermüdeter weiterer Thätigkeit, der die schönsten Erfolge nicht sehlen
könnten, aufforderte.
Vortrag deS Leminaristen Herrn Alberty in der 7. General-
Versammluug des akademischen Donibau-Dereins zu Hildesheim
am 3. August 1864.
Es herrschen über die Bedeutung der Renaissance in der Geschichte der
Malerei, Sculptur und Architektur besonders zwei sich widersprechende An-
sichten: den Eincn gilt die Kunst dcr Renaissance als die schönste Blüthe der
Kunst, und diese haben dann sür andere Erscheinungen in der Kunstgeschichte
nur ein Achselzucken übrig, nennen z. B. die gothische Kunst das „Grab
alles Schönen", sprechen von einem „gothischen Chaos" und dergleichen,
während Andere nur die mittelalterliche Kunst als die einzig richtige und
wahre gelten laffen wolleu und die Renaiffance einen Abfall von der Jdee,
einen Rückfall ins Heidenthum nennen. Die erstere Ansicht herrschte ziemlich
allgemein bis ins gegenwärtige Jahrhundert herein, und die letztere wurde
vorzüglich durch die Romantiker angebahnt, indem sie durch unbefangene
Forschung das christlich-ideale Rkittelalter unserer Zeit wicder erschlosten und
die damalige Denk- und Anschauungsweise, wie sie in dem Wirken und in
den Werken jener Zeit zu Tage tritt, zum Verständniß brachten. Beide An-
sichten haben jetzt noch ihre Vertreter, und ob die eine oder die andere, oder
vielmehr, ob überhaupt eine von den beiden Anftchten die richtige sei, das
wäre zu untersuchen. Zu dem Ende müffen wir uns den Eharakter der mit-
telalterlichen Kunst und den der Renaissance vorführen. Wir beginnen mit
der mittelalterlichen Kunst.
Der Gcist eines Mannes zeigt sich in seinem Aeußeren und in seinem
Wirken; der Geist einer Zeit prägt sich aus in allen ihren Unternehmungen
und Werken, und hat man diesen Geist nicht begriffeu, so begreift man auch
seine Erscheinungsweise, seine Verkörperung, wenn ich so sagen darf, nicht.
Daher, um die mittelalterliche Kunst zu verstehen, erst einen Blick auf den
Geist, dcr in dem Leben der mittelalterlichen Menschen überhaupt wehte!
Das Leben im Mittelalter war ganz vom Geiste des Christenthums durch-
drungen und beseelt, alles Streben im Staate, in Ler Wiffenschaft, in der
Kunst ging fast ganz in der Kirche auf, und man sieht es an allen Erschei-
nungen, daß es eine Jdee ist, die sich in ibnen verkörpern, mit Fleisch und
Blut umgeben will: das Christsnthum. —Der Beherrscher der Welt empfing
vom Lenker des Gottesreiches seine Krone, und der Papst vom Kaiser, im
Falle der Noth, des Reiches Hülfe; sclbst die geistlichen Obern waren welt-
liche Herrscher. Die Wiffenschaft war fast ausschließlich Theologie; profane
Wissenschaften als solche kannte man nicht; sie waren so eng mit der Theo-
logie verwachsen, daß Naturwiffenschaft und die Lehre vom Absoluten, ma-
thematische Untersuchungen und die Lehre von der Trinität, Astrologie und
Jurisprudenz iu Einem Werke in der sriedlichsten und naivsten Weise ver-
eint waren, wie ja auch dis Träger aller Wiffenschast ausschließlich die Geist-
lichen waren. Kurz, wie im Leben, so in der Wiffenschaft stand Alles im
Dienste der Kirchc; der einzelne Mensch opferte sein individuelles Streben
ihrem Streben, und die einzelnen Wiffenschaste^ standen, freilich auf Kosten
ihrer weiteren eigenthümlichen Entwicklung, als 'ganz unselbständig da.
Jn cben dieser innigen Verbindung stand auch die Kunst mit der Kirche,
auch sie war kircklich-religiös. Die Architektur, damals die hauptsächlichste
unter den plastischen Künsten, beschäftigte sich vorzüglich mit Kirchen- und
Klosterbau, und da hat sie denn auch das Großartigste geleistet. Sculptur
und Malcrei, die im Mittelalter nur decorativen Charakter hatten, waren
natürlich eben so nur religiösen Zwecken gewidmet, und da ist es erbauend,
zu sehen, wie der Künstler so ganz in seinem Schaffen und Streben an das
Object seiner Kunst sich hingab, an sich in seiner Bescheidenheit und Her-
zenseinfalt gar nicht dachte, so daß uns meist nicht einmal die Namen der
mittelalterlichen Meister ausbewahrt und wir kaum im Stande sind, durch
mühselige Forschung uns Kenntniß von ihnen zu verschaffen. Die Meister
hatten sich ganz hineingelebt in die Jdee, die sie verkörpern, in den Geist, dem
sie Form geben wollten, und das christliche Jdeal der Heiligkeit und Fröm-
migkeit darzustellen, war ihre Aufgabe und ihr Ziel, und gerade deßhalb ist
ihre Kunst so hochideal. Die irdische Schönheit der Form war ihnen Neben-
sache, wenn nur die Schönheit der Jdee zum Ausdrucke kam. Von gold-
glänzendem Grunde, wie aus Himmelsglorie schauend, scheinen die Gestalten
der Malerei einer anderen Welt zu cntstammen, und nicbt Eleganz der Form,
nicht weiche und fließende Linicn, nicht Reichthum der Composition sind es,
was die Verehrer der mittelalterlichen Kunst an ihr so sehr preisen, nein,
„das ist der Rubm der alten Meister (sagt ein Kunstkritiker, Speth, „Kunst
in Jtalien"), daß sie die Urschönheit der Seele, wie sie nur im ewigen Früh-
linge einer neuerwachenden Welt blüht, wie sie, noch unvermischt mit Leiden-
schaften und fremdartigen Begriffen, dem Geiste inne wohnt, in ihren Werken
ruhig verklärt haben; das ist ihr höchster Ruhm, daß sie überall nach be-
deutungsvoller Jdealität gestrebt und sie in wunderbarem Gemische von Leiden
und Erquickung, von Hoheit und Demutb, von Ernst und Würde mit all
dcr Anmuth und Zucht der eigenen Seele, in Stellung, Blick und Geberden,
ernst und strenge angeordnet, zur Osfenbarung gebracht; — das ist ihr un-
sterblicher Ruhm, daß ihre Werke die Frucht himmlischer Begeisterung sind,
womit sie, voll Jnbrunst dem göttlichen Lichte zugewandt, durch Glaube und
Andacht sich zur Anschauung des Ewigcn erhoben, den Himmel herabzogen
und so das eigene fromme, beschauliche Leben zur Erscheinung brachten. So
sehen wir in jeder ibrer Gestalten, bei allen Gebrechen und Mängeln der
Form, selbst was im Leben sich feindlich begegnet, ftiedlich und freundlich
zusammen bestehen, und in alle Züge und Geberden ausgegoffen, sie zu be-
wegen; aber die Bewegung crscheint nicht, es ist die Ruhe in der Bewe-
gung; denn Alles hat sich in Lieke vereinigt, in Demuth ergcben, in Ver-
trauen aufgelöst, im Glauben streng bewährt. Die Materie ist überwunden
und lodert mit dem Geiste zugleich in eine Flamme des Dankes auf."
Fragen wir nun, ob die so charakterisirte mittelalterliche Kunst die Kunst
in ihrer höchsten Vollendung sei, so muß man, legt man den wahren Zweck
der Kunst als Maßstab an, offenbar mit „Nein" antworten. Zweck der Kunst
ist ja Darstellung der Jdee in adäquater Form: wo Jdee und Form sich
decken, wo dieJdee verkörpcrt, d. h., adäquat verkörperl und die Form ideali-
sirt ist, da ist die Kunst auf ihrem Höhepuncte. Betrachten wir nun die
Kunst der Renaiffance, ob sie die Kunst in der HSchsten Vollendung ist.
Nehmen wir an, wir kännten die Renaiffance gar nicht und wollten
nun auf Grund der früheren Entwicklung der Kunst ihren weiteren Weg
berechnen, welche Richtung dürften wir wohl erwarten? Man könnte erwar-
ten, daß jetzt die wahre Kunst aufträte: denn man sühlte das Mangelhafte
an der mittelalterlichen Kunst, man vermißte an ihr die adäquate Form,
und deßhalb sollte man glauben, man würde diese jetzt der Jdee verleihen.
Allein der Mensch ist ein beschränktes, irdisches Wesen, und was er soll,
das kann er nicht immer: deßhalb liegt in unserem Falle die Gefahr zu
nahe, daß er die irdische Form zu sehr betonen werde auf Kosten der Jdee.
Und so ist es auch gekommen.. Hatte man früher die Form zu wenig be-
rücksichtigt, so betonte man sie jctzt zu viel, man hielt sie für mehr, als sie
in Wahrheit ist, wohl gar sür das Wesen der Kunst selbst. Man drang mit
aller Krafl auf Naturwahrheit und Naturschönheit. Die himmlischen Ge-
stalten auf Goldgrund verschwinden, wie auch schon bei einigen spät-mittel-
alterlichen Meistern, und statt deffen süllen den Hintergrund reizende Land-
schaften oder Architekturstücke, und das Ganze crschien nicht mehr wie ein
Gebilde aus Himmelshöhen, sondern trug den Charakter des irdischen Lebens
und naturwahrer Schilderung. „Naturstudium" war das Losungswort ge-
worden, und daher dann oft jene realistische Auffaffung und jene weichen
und fließenden Linien, jene eleganten, reinen Formen der irdischen Schönheit,
die man im Mittelalter vergeblich sucht; daher aber auch ost der Mangel
der höheren Jdee, das Zurücktreten des Jdcell-Eeistigen. Dieses Etreben,
das sich so in der Kunst ofsenbarte, zeigte sich in jener Zeit in allen Ge-
bieten des menschlichen Schaffens, und das haben Manche kurzweg einen
Rückfall ins Heidenthum genannt; drei Jahrhundcrte lang habe die Welt-
geschichte still gestanden, bis unsere Zeit endlich das Unglück crkcnne und
an den alten, abgeriffenen Faden wieder anknüpfe. Allcin dürsen wir wohl
annehmen, daß es in der Weltgeschichte cinen Stillstand, geschweige einen
Rückschritt geben könne? Die Geschichte verwirklicht den Weltplan Gottes,
und ein Stillstand oder Rückschritt in deffen Entwicklung scheint auf christ-
lichem Standpuncte doch wohl kaum statuirt werden zu dürsen. Sehen wir
genau zu, so wird sich ein Fortschritt, wie in der Geschichte überhaupt, so
auch in der Geschichte der Kunst nicht verkennen laffen.
(Schluß folgt.)
An auswärtige Nereins-Mitglieder.
Unsere aukwärtigen Bereins-Mitglieder und Dsmbau«
Freunde, welche ihre JahreS-Beiträge zum Fortbau des kölner
DomeS unmittelbar an die VereinS-Casie einzahlen und die-
selben pro 1864 bisher noch nicht eutrichtet habsn, ersuchen
wir hiermit ergebenst, die Einsendung balbgefäürgst be«
wirken zu wollen, damit diese Beträge noch in dre Rechnung
von 1864 aufgenommen werden können.
Köln, den 31. Decembcr 1864.
Der Verwaltungs-Ausschuß
des Central-Dombau-Bereins.
Extra-Abonnement
aus da»
Kslner Domblatt.
Die Bestellungen auf daS Extra-Abonnement für dm
Jahrgang 1865, welche auSwärtS bei allen königl. preuß.
Post-Anstalten cntgegengenommm werden, wolle man baldigst
machen. — Der PränumerationSpreiS, deffen Brutto-
Ertrag in die Dombau-BereinS-Easie fließt, beträgt hier
wie auSwärtS IV Tgr. für den Jahrgang.