Oie
Moderne Malerei
in Osutlcklanö.
ls Student wollte ich Heldentenor wer-
den. — Die Menge begeistern, be-
rauschen, innerlich erschüttern, ein sich
selbst vergessender Künstler — welch ein
Traum! —
Täglich hörte ich von den „olympischen"
Plätzen der Studenten die großen gefeier-
ten Künstler, ahmte daheim nach, um den
eigenen Ton bilden zu lernen. Das waren
Stunden höchster Selbstbegeisterung! —
Und nun die schüchternen Versuche im Kreise
der Freunde, in der Gesellschaft, auf der
Dilettantenbühne. Dann endlich das Ge-
fühl: du darfst es wagen! — und eines
Tages stehe ich vor dem gestrengen Kenner.
Der hört, schüttelt das Haupt und spricht
lächelnd: „Alles da, lieber Freund, herrliche
Stimme, Leidenschaft, Temperament und
Auffassung und — doch nichts. Durch und
durch verbildet! Sie müssen von vorn an-
fangen, wie ein Kind sprechen lernen."-
Es ist ein warmer Sommerabend und
mit einem alten Studienfreunde sitze ich
in einem Gartenlokal bei einem Glas Bier,
einem Leutnant und einem Kaufmann gegen-
über. „Waren Sie schon in der Sezession,
Herr Leutnant?" „Was soll man da? Ich
habe in der Tante Voß eine Kritik ge-
lesen, — na habe genug; soll ja wieder
furchtbares Zeug sein!" „Aber erlauben
Sie, auf die Vossische Zeitung und ihren
Kritiker gebe ich ganz und gar nichts, man
muß selbst hingehen und sehen! Sie
waren doch auch da, Herr Regierungsrat,
welchen Eindruck haben Sie denn?" —
„Wissen Sie, die ganze Richtung paßt uns
nicht! Solche Kleckserei—und von Schönheit,
nicht eine Spur!" „Aber, lieber Freund!"
„Na ja, du wirst nun wieder deinen Lob-
gesang auf deinen Freund Liebermann und
Uhde anstimmen — nein, laß gut sein,
andere Leute haben eben darüber eine an-
dere Auffassung, und meines Erachtens ist
die ganze Sezession ein Skandal!" Vor
innerer Erregung ballt er die Hand, trinkt
sein Glas Bier aus, schweigt und sieht
mich an. — Wie einst der Musiklehrer bin
ich erst still, dann sage ich lächelnd, ebenso
ruhig: „Lieber Hans, es ist schade um
dich, du kannst sehen, hast Auffassungskraft,
Leidenschaft — und es ist doch nichts-
du bist blind!" —
Mit sehenden Augen wandelnde Blinde
—- immer und immer wieder, wohin ich
auch gehe: im Salon, im Freundeskreise,
in der Gesellschaft, vor dem Kunstladen.
Sie wenden sich von der modernen Ma-
lerei ab, schelten ihre neuartige Technik,
die sich gegen die herkömmliche auflehnt,
roh, ihren Inhalt z. T. trivial, ihre Ideen-
schöpfungen geistlos; sie preisen viel lieber
die Kunst, die „alle" loben, die Werke
der älteren deutschen Künstler oder die der
großen klassischen Meister, von deren Kunst
geistvolle Bücher in gedankenreicher Sprache
reden.
In ihrer Jugend haben sie an den Bild-
werken der Griechen und Römer, an den
Gemälden Raffaels, Dürers, Rembrandts,
Velasquez' gelernt, was schön ist, haben
Lessings „Laokoon", Herman Grimms „Leben
Michelangelos" gelesen und sich ihre ästhe-
l'