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Koepplin, Dieter
Cranachs Ehebildnis des Johannes Cuspinian von 1502: seine christlich-humanistische Bedeutung — 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.9938#0092
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86

VII. INTERPRETATION DER IKONOGRAPHIE

VII.1. Humanistische Bildsymbolik

Der Humanist Joachim Vadian (1484-1551), der in Wien seit 15ol/o2
Schüler des Celtis (1459-15o8) und des Cuspinian (1473-1529) ge-
wesen ist, spricht in seinem Werk "De Poetica" 1518 die Ueber-
zeugung aus, dass die göttlichen Geheimnisse und die Wunder der
Natur die wahren Gegenstände der Dichtung seien; darum seien die
ältesten Dichter Theologen, die ältesten Philisophen Dichter und
die wahren Dichter alle Philosophen gewesen (21o). Gleich lautet
die Formel des Celtis: "poetica prima philosophia et theologia"
(211) . In den dichterischen Mythen und Bildern liege die alte
Theologie eingeschlossen: die ursprüngliche Kunde von Gott und
von den göttlichen Weltgesetzen. Die "Poetica Theologia", die
dem Florentiner Neuplatoniker Pico della Mirandola (1463-1494)
vorschwebte (212), hätte den Symbolgehalt der Dichtung, die,
auch wenn sie "weltlich" zu sein scheint, immer einen religiösen
Sinn hat, erhellen sollen. Auch Marsilio Ficino (1433-1499), der
Freund und Lehrer Picos, glaubte, dass die dichterischen Bilder
wie die Natur, dieses Bildwerk des göttlichen Künstlers (213),
einen tieferen Sinn und eine verborgene Seele besitzen (214). Al-
les Wahre in der inspirierten Dichtung und in der Natur weise,
wenn man es recht versteht, auf Gott hin.

(210) Näf 1944, I, 29o f.. Vgl. M. Feldges (zit. in Anm.748), 21 ff.

(211) Celtis in seiner Ingolstädter Antrittsrede 1492: "Quamob-
rem a Pythagora et Piatone, summis philosophis, poetica
prima philosophia et theologia nominata est, quae ad de-
monstrationes suas cantibus utitur modulatoque sermone
pergit..." (Celtis/Forster 1948, 62, dazu 48 Anm. 1: glei-
cher Ausspruch von Aventin, später von Opitz, Gottsched und
Herder). S. unten Anm. 252.

(212) Garin 1947, 98; Wind 1958, 24 ff. (Kap. I "Poetic Theology").

(213) Z.B. lobt Johannes von Butzbach die unaussprechliche Schön-
heit der sichtbaren Welt, die Gott als der grösste Maler

so herrlich geschaffen hat (Schrift über die berühmten Ma-
ler 15o5; Bezold 1883, 34). Das Bild von Gott als dem voll-
kommenen Künstler geht allerdings auf Augustin zurück und
ist auch dem Mittelalter nicht fremd (z.B. Hildebert von
Lavardin im 12. Jahrhundert).

(214) Garin 1947, lo9 (auch loo).
 
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