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Kohn, Pinchas Jacob
Rabbinischer Humor aus alter und neuer Zeit: eine Sammlung von Anekdoten und "Guten Wörtchen" — Berlin: Lamm, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.42085#0039
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— 35 —

hen eines künftigen Rabbiners, der er doch werden soll-
te, vertrage, und was die Leute dazu sagen würden, ant-
wortete er mit dem Verse aus dem Liede der Deborah:
„rauchwe assaunaus zechauraus (die da reiten auf schim-
mernden Eselinnen) jauschwe al midin (werden auf Rich-
terstühlen sitzen) wehaulche al derech (und die da ihres
Weges gehen) sichu (mögen sagen, was sie wollen).
Als er einst seine Mutter in der Küche besuchte,
fand er sie mit dem Anrichten zweier Tauben beschäftigt,
die einer Wöchnerin als Geschenk bestimmt waren. Da
er wusste, dass unter solchen Umständen für ihn nichts
davon abfallen würde, beschloss er, aufs Ganze zu ge-
hen. Er ging hinaus und kam bald mit der Meldung
wieder, der Vater wünsche sie zu sprechen. Die Mutter
ging, und als sie wiederkehrte, war ihr Sohn mitsamt
den Tauben verschwunden. Als er später zur Rechen-
schaft gezogen wurde, entschuldigte er sich mit den Wor-
ten: „Ich habe doch nur ein Gebot der Thora erfüllt,
denn so heisst es ja im 5. Buche Moses: Wegschicken
sollst du die Mutter, und die jungen Vögel sollst du dir
nehmen.“
* ♦ ♦
An einem Freitagabend, auf dem Wege zur Synago-
ge, traf ihn einst sein Vater mit einem grossen Stück
Fisch in der Hand, über dessen Herkunft er nicht lange
im Zweifel zu sein brauchte, da der Knabe zugab, es
aus der Küche gemaust zu haben. Auf die heftigen Vor-
würfe seines Vaters entschuldigte ei' sich auch in diesem
Falle, einer Vorschrift des Gesetzes entsprochen zu haben.
Es heisse nämlich vom Sabbat: meangeho kowaud jin-
cholu, tauameho chajim sochu (die ihn geniessen, wird
Ehre, die ihn — d. h. seine Speisen — kosten, wird
Leben zuteil werden). „Schön,“ sagte versöhnt lächelnd
der Vater. „Zum Kosten hätte doch auch ein kleineres
Stück genügt?“ „O nein“, erwiderte der Knabe, „der
Vorschrift gemäss musste es ein grosses Stück sein, denn
so heisst es zum Schluss: wegam hoauhawim deworeho
g e d u 1 o h bochoru,“ (und die seine Satzungen lieben,
wählen Grosses.)
 
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