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liefert worden, dass die alten Christen sich dieser von dem demokratischen Kaiserthum
vielfach beschützten Organisation bedient haben, um unter deren Deckmantel eine ge-
wisse gesetzmässige Existenz, wenigstens eine Sicherung ihres Begräbnisswesens zu
erreichen. Die Ecclesia fratrum constituirte sich förmlich als Funeralcollegium und
genoss dann derselben Rechte wie andere Associationen dieser Art. Diess, im Zusammen-
hang mit der jede Grabstätte schützenden römischen Gesetzgebung, erklärt allein, wie
so bedeutende Anlagen wie die Katakomben Roms, inmitten einer feindlich gesinnten
Gesellschaft entstehen konnten. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen. dass die
Christen die vom Gesetze geforderten Bedingungen erfüllten, wo sie sich als Funeral-
collegium constituirten; die wesentlichste dieser Bedingungen war die Anzeige des Vor-
stehers bei der Stadtpräfectur: sie wurde seitens der Christen geleistet, und das Ver-
zeichniss dieser Vorsteher, welches die Stadtpräfectur besass, liegt dem ältesten uns
erhaltenen Papstkatalog, dem sog. Bucherianischen, zu Grunde. Ich verweise für die
Details dieser merkwürdigen Untersuchungen auf meine Roma sotterranea, S. 21 ff.,
S. 43 ff.
Die griechischen Genossenschaften waren bereits durch Böckh, von Holst und
Wescher untersucht worden; sie sind dann kürzlich durch Foueart {Les Associations
religieuses cliez les Grecs, thiases, eranes, orgeons, avec le texte des inscriptions relatives
d ces associations, Par. 1873; vgl. Wescher Rev. arch. 1864, 460. 1865, 214) in ein ganz
neues Licht gesetzt worden, welches uns Entstehung, Entwicklung und Verfassung der-
selben klar erkennen lässt. Prof. Gr. Heinrici in Marburg hat in seinen beiden Ab-
handlungen : ,Die Christengemeinde Korinths und die religiösem Genossenschaften der
Griechen‘ (Ztschr. f. wissenschaftl. Theol. 1876, IV.) und .Zur Geschichte der Anfänge
paulinischer Gemeinden1 (eb. 1877) den Nachweis zu liefern gesucht, dass die früheste
uns in dem Detail ihrer Organisation näher bekannte Gemeinde Achaja’s, diejenige von
Korinth, eine Form der Existenz angenommen habe, welche ihr vorläufig dem Gesetze
gegenüber einen bestimmten Rechtstitel gab und ihr unter dem Schutze dieser Ein-
richtung Zeit liess, sich nach ihrem eigenen Princip weiter zu entfalten; diese Existenz-
form aber ist, wie Henrici, auf Foucarts epigraphische Studien gestützt, ausführt, keine
andere als die der religiösen Genossenschaften Griechenlands gewesen. Vgl. meine
Roma sott. S. 60. Auch Holtzmaun (Ueher Fortschritte und Rückschritte der Theologie
unseres Jahrhunderts und über ihre Stellung zur Gesammtheit der Wissenschaften,
Strassb. 1878, S. 18) gesteht zu, ,dass die erst neuerdings in umfassendem Betracht ge-
zogenen Inscriptionen uns einen Einblick in das Wesen jener griechischen Cultvereine
gewähren, deren Vorbild für die Gestaltung urchristlicher Gemeindeverhältnisse vielleicht
fast so wichtig war, wie diejenige der Synagoge.’
Die blosse Anführung dieser neueren Studien sagt, wie sehr unsere Ansichten
über das Verhältniss der Christen zur Staatsgewalt gegenwärtig modificirt sind. Aber
auch nach anderen Richtungen ist dieses Verhältniss jetzt klarer gelegt. Le Blants
Untersuchungen über die rechtliche Grundlage der Christenverfolgungen (s. o. S. 33)
gingen zunächst von der Prüfung der bekannten römischen Rechtsquellen aus; sie ver-
glichen damit die Acten der Märtyrer und gelangten zu neuen und werthvollen Er-
gebnissen, welche durch die letzten Arbeiten auf diesem Felde von Mieseier, Keim,
Glörres namhaft ergänzt und bereichert wurden. Von letzterm wird meine Real-
Encyclopädie der christlichen Alterthümer eine zusammenhängende Darstellung der
römischen Christenverfolgungen bringen.
133 Die Ausnutzung der christlichen Inschriften für die Kirchengeschichte ist in
neuerer Zeit bereits vielfach mit Erfolg versucht worden. So vor Allem, was die
römische Kirchengeschichte und diejenige Mittelitaliens wie Nordafricas betrifft, durch
de Rossi; für Nordafrica auch durch Blampignou {De S. Cypriano et de pnmaeva
Carthaginiensi ecclesia, Par. 1862, 8U); für die Schweiz durch Glelpke Kirchengesch. d.
Schweiz, 1856 f. für Deutschland und den Rhein durch Friedrich {Kirchengeschichte
liefert worden, dass die alten Christen sich dieser von dem demokratischen Kaiserthum
vielfach beschützten Organisation bedient haben, um unter deren Deckmantel eine ge-
wisse gesetzmässige Existenz, wenigstens eine Sicherung ihres Begräbnisswesens zu
erreichen. Die Ecclesia fratrum constituirte sich förmlich als Funeralcollegium und
genoss dann derselben Rechte wie andere Associationen dieser Art. Diess, im Zusammen-
hang mit der jede Grabstätte schützenden römischen Gesetzgebung, erklärt allein, wie
so bedeutende Anlagen wie die Katakomben Roms, inmitten einer feindlich gesinnten
Gesellschaft entstehen konnten. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen. dass die
Christen die vom Gesetze geforderten Bedingungen erfüllten, wo sie sich als Funeral-
collegium constituirten; die wesentlichste dieser Bedingungen war die Anzeige des Vor-
stehers bei der Stadtpräfectur: sie wurde seitens der Christen geleistet, und das Ver-
zeichniss dieser Vorsteher, welches die Stadtpräfectur besass, liegt dem ältesten uns
erhaltenen Papstkatalog, dem sog. Bucherianischen, zu Grunde. Ich verweise für die
Details dieser merkwürdigen Untersuchungen auf meine Roma sotterranea, S. 21 ff.,
S. 43 ff.
Die griechischen Genossenschaften waren bereits durch Böckh, von Holst und
Wescher untersucht worden; sie sind dann kürzlich durch Foueart {Les Associations
religieuses cliez les Grecs, thiases, eranes, orgeons, avec le texte des inscriptions relatives
d ces associations, Par. 1873; vgl. Wescher Rev. arch. 1864, 460. 1865, 214) in ein ganz
neues Licht gesetzt worden, welches uns Entstehung, Entwicklung und Verfassung der-
selben klar erkennen lässt. Prof. Gr. Heinrici in Marburg hat in seinen beiden Ab-
handlungen : ,Die Christengemeinde Korinths und die religiösem Genossenschaften der
Griechen‘ (Ztschr. f. wissenschaftl. Theol. 1876, IV.) und .Zur Geschichte der Anfänge
paulinischer Gemeinden1 (eb. 1877) den Nachweis zu liefern gesucht, dass die früheste
uns in dem Detail ihrer Organisation näher bekannte Gemeinde Achaja’s, diejenige von
Korinth, eine Form der Existenz angenommen habe, welche ihr vorläufig dem Gesetze
gegenüber einen bestimmten Rechtstitel gab und ihr unter dem Schutze dieser Ein-
richtung Zeit liess, sich nach ihrem eigenen Princip weiter zu entfalten; diese Existenz-
form aber ist, wie Henrici, auf Foucarts epigraphische Studien gestützt, ausführt, keine
andere als die der religiösen Genossenschaften Griechenlands gewesen. Vgl. meine
Roma sott. S. 60. Auch Holtzmaun (Ueher Fortschritte und Rückschritte der Theologie
unseres Jahrhunderts und über ihre Stellung zur Gesammtheit der Wissenschaften,
Strassb. 1878, S. 18) gesteht zu, ,dass die erst neuerdings in umfassendem Betracht ge-
zogenen Inscriptionen uns einen Einblick in das Wesen jener griechischen Cultvereine
gewähren, deren Vorbild für die Gestaltung urchristlicher Gemeindeverhältnisse vielleicht
fast so wichtig war, wie diejenige der Synagoge.’
Die blosse Anführung dieser neueren Studien sagt, wie sehr unsere Ansichten
über das Verhältniss der Christen zur Staatsgewalt gegenwärtig modificirt sind. Aber
auch nach anderen Richtungen ist dieses Verhältniss jetzt klarer gelegt. Le Blants
Untersuchungen über die rechtliche Grundlage der Christenverfolgungen (s. o. S. 33)
gingen zunächst von der Prüfung der bekannten römischen Rechtsquellen aus; sie ver-
glichen damit die Acten der Märtyrer und gelangten zu neuen und werthvollen Er-
gebnissen, welche durch die letzten Arbeiten auf diesem Felde von Mieseier, Keim,
Glörres namhaft ergänzt und bereichert wurden. Von letzterm wird meine Real-
Encyclopädie der christlichen Alterthümer eine zusammenhängende Darstellung der
römischen Christenverfolgungen bringen.
133 Die Ausnutzung der christlichen Inschriften für die Kirchengeschichte ist in
neuerer Zeit bereits vielfach mit Erfolg versucht worden. So vor Allem, was die
römische Kirchengeschichte und diejenige Mittelitaliens wie Nordafricas betrifft, durch
de Rossi; für Nordafrica auch durch Blampignou {De S. Cypriano et de pnmaeva
Carthaginiensi ecclesia, Par. 1862, 8U); für die Schweiz durch Glelpke Kirchengesch. d.
Schweiz, 1856 f. für Deutschland und den Rhein durch Friedrich {Kirchengeschichte