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C. Krieg, F. G. Wanker.
in universitate nostra non nisi literis vacare debuerunt, seminarinm quoque ingredi iubebantur. Anno 1787
vicerector Schinzinger historiae eccl. professor constitutus et in eins locum Josephus Burkard pres-
byter secularis, antea generalis seminarii alumnus, sussectus est. Anno eodem summi imperantis iussu tres
anni practici alurnni e quovis seminario generali ad methodum catechizandi Socraticam addiscendam Viennam
missi sunt. Mittebantur e Friburgensi Josephus Haenle Günzburgensis, Georgius Müller Tettnangensis et
Josephus Boegner Günzburgensis. Anno 1788 constituti sunt quatuor studiorum praefecti, qui simul
repetitorum vices agant. Repetitiones ex theologia dogmatica et morali obtigerunt Francisco Xaverio
Haile Andelfingensi, ex iure ecd. et theologia pastorali Josepho Haenle, ex historia ecclesiastica, lingua
Hebraica et hermeneutica veteris testamenti Georgio Müller, ex hermeneutica novi testamenti et lingua
Graeca Leonardo Hug Constantiensi. Josephus Haenle practici anni alumnos simul methodum catechizandi
Socraticam docuit, et Georgius Müller scholae triviales catecheta suit. Anno 1789 tum hermeneutica tum
dogmatica ab uno professore tractabatur, quapropter seminarii tempus ad annos quatuor restrictum est
denuo. Abierunt hoc tempore duo studiorum praefecti: Franc. Xaverius Haile, rnorbo hypochondriaco
coactus, et Georgius Müller in parochum Waldseensem electus. In locum primi Bernhardus Galura6),
in alterius locum Jo. JJepomuc. Biechele constitutus est.
Interim mortuus est imperator Josephus II, inter principes Austriae post homines natos longe maximus,
et successor Leopoldus II omnia haecce seminaria, postquam septem nonnisi annos exstitere, abolevit.
Quidquid sit, quod seminariis obiici solet, certum tarnen est, per institutum istiusmodi agrestes
theologorum mores correctos, multis quibus antea dediti erant excessibus ansam ereptam, diligentiam iuvenum
stimulatam, scientias theologicas et philosophicas per idearum librorumque communicationem magis cultas,
et aptam praecipue concionandi atque catechizandi methodum in dies propagatam fuisse.
Hug, welcher unter Wanker fünf Jahre im Generalseminar lebte und studierte
und seinen Lehrer und langjährigen Kollegen (35 Jahre lehrte er neben ihm) wie kein
zweiter kannte, urteilt über dessen geistigen Werdegang und Charakter also: »Sein Leben
bis ins vierundzwanzigste Jahr ging in stiller wisfenschaftlicher Beschäftigung dahin.
In dieser Zurückgezogenheit mehrte lieh seine gelehrte Erkenntnis, ohne dass er an
Erfahrung viel gewonnen hätte. Aus seiner kleinen Umgebung beurteilte er die ganze
Welt. Er blieb daher bis in sein männliches Alter kindlich einfach, zutraulich, gegen
männiglich sonder Argwohn, der beste der Menschen. . . . Ein Mann von weniger
Geist hätte durch harte Warnungen verständigt werden oder in ewiger Verwersung
aus der thätigen Welt bei den Büchern bleiben müssen. Bei ihm bedurfte es nur
der Umstände und ihrer Andeutungen, um seine mehrseitigen Fähigkeiten zu entwickeln.
So trat er als zweiter Vorstand in das kaiserliche Seminar, in einen grösseren Kreis
ein, in eine Versammlung junger Männer von den verschiedensten Anlagen und
Thätigkeiten, wo ihm das Mannigfaltige der menschlichen Sinnesart und Richtung
das erste Mal näher vor die Augen trat. Er sollte ste leiten, ohne sie zu meistern.
Wenige Fehlgriffe würden ihn um Achtung und Liebe gebracht haben. In dieser
Lage gewöhnte er lieh eine Ueberlegung und Umsicht an, die ihm in der Folge immer
zur Seite stand und unter seine bezeichnenden Züge gehörte. Das Dringendste war
nun, jeden einzelnen kennen zu lernen, um ihn seiner Eigenheit gemäss zu behandeln,
damit er die Gesamtheit befriedige. Aber die Bewegungen des Lebens waren hier zu
einfach und gleichförmig, als dass sie ihm den Anblick verworrener gesellschaftlicher
Verhältnisse hätten gewähren können. Dennoch hat er hier den Grund zu den
psychologischen Einsichten gelegt, die ihn zum Lehren und Ausüben ausnehmend
befähigt haben« 7).
6) Bernhard Galura, 1764 zu Herbolzheim im Breisgau geboren, studierte von 1783 an ’m
Generalseminar zu Freiburg, promovierte an hiesiger Hochschule zum Doktor der Theologie, trat 1787 zu
Wien in das dortige Generalseminar, ward Priester 1788, dann Studienpräfekt zu Freiburg, 1791 Münster-
pfarrer, 1829 Fürstbischof von Brixen; gelt. 1856.
7) Hug, a. a. O. S. 19 f.
C. Krieg, F. G. Wanker.
in universitate nostra non nisi literis vacare debuerunt, seminarinm quoque ingredi iubebantur. Anno 1787
vicerector Schinzinger historiae eccl. professor constitutus et in eins locum Josephus Burkard pres-
byter secularis, antea generalis seminarii alumnus, sussectus est. Anno eodem summi imperantis iussu tres
anni practici alurnni e quovis seminario generali ad methodum catechizandi Socraticam addiscendam Viennam
missi sunt. Mittebantur e Friburgensi Josephus Haenle Günzburgensis, Georgius Müller Tettnangensis et
Josephus Boegner Günzburgensis. Anno 1788 constituti sunt quatuor studiorum praefecti, qui simul
repetitorum vices agant. Repetitiones ex theologia dogmatica et morali obtigerunt Francisco Xaverio
Haile Andelfingensi, ex iure ecd. et theologia pastorali Josepho Haenle, ex historia ecclesiastica, lingua
Hebraica et hermeneutica veteris testamenti Georgio Müller, ex hermeneutica novi testamenti et lingua
Graeca Leonardo Hug Constantiensi. Josephus Haenle practici anni alumnos simul methodum catechizandi
Socraticam docuit, et Georgius Müller scholae triviales catecheta suit. Anno 1789 tum hermeneutica tum
dogmatica ab uno professore tractabatur, quapropter seminarii tempus ad annos quatuor restrictum est
denuo. Abierunt hoc tempore duo studiorum praefecti: Franc. Xaverius Haile, rnorbo hypochondriaco
coactus, et Georgius Müller in parochum Waldseensem electus. In locum primi Bernhardus Galura6),
in alterius locum Jo. JJepomuc. Biechele constitutus est.
Interim mortuus est imperator Josephus II, inter principes Austriae post homines natos longe maximus,
et successor Leopoldus II omnia haecce seminaria, postquam septem nonnisi annos exstitere, abolevit.
Quidquid sit, quod seminariis obiici solet, certum tarnen est, per institutum istiusmodi agrestes
theologorum mores correctos, multis quibus antea dediti erant excessibus ansam ereptam, diligentiam iuvenum
stimulatam, scientias theologicas et philosophicas per idearum librorumque communicationem magis cultas,
et aptam praecipue concionandi atque catechizandi methodum in dies propagatam fuisse.
Hug, welcher unter Wanker fünf Jahre im Generalseminar lebte und studierte
und seinen Lehrer und langjährigen Kollegen (35 Jahre lehrte er neben ihm) wie kein
zweiter kannte, urteilt über dessen geistigen Werdegang und Charakter also: »Sein Leben
bis ins vierundzwanzigste Jahr ging in stiller wisfenschaftlicher Beschäftigung dahin.
In dieser Zurückgezogenheit mehrte lieh seine gelehrte Erkenntnis, ohne dass er an
Erfahrung viel gewonnen hätte. Aus seiner kleinen Umgebung beurteilte er die ganze
Welt. Er blieb daher bis in sein männliches Alter kindlich einfach, zutraulich, gegen
männiglich sonder Argwohn, der beste der Menschen. . . . Ein Mann von weniger
Geist hätte durch harte Warnungen verständigt werden oder in ewiger Verwersung
aus der thätigen Welt bei den Büchern bleiben müssen. Bei ihm bedurfte es nur
der Umstände und ihrer Andeutungen, um seine mehrseitigen Fähigkeiten zu entwickeln.
So trat er als zweiter Vorstand in das kaiserliche Seminar, in einen grösseren Kreis
ein, in eine Versammlung junger Männer von den verschiedensten Anlagen und
Thätigkeiten, wo ihm das Mannigfaltige der menschlichen Sinnesart und Richtung
das erste Mal näher vor die Augen trat. Er sollte ste leiten, ohne sie zu meistern.
Wenige Fehlgriffe würden ihn um Achtung und Liebe gebracht haben. In dieser
Lage gewöhnte er lieh eine Ueberlegung und Umsicht an, die ihm in der Folge immer
zur Seite stand und unter seine bezeichnenden Züge gehörte. Das Dringendste war
nun, jeden einzelnen kennen zu lernen, um ihn seiner Eigenheit gemäss zu behandeln,
damit er die Gesamtheit befriedige. Aber die Bewegungen des Lebens waren hier zu
einfach und gleichförmig, als dass sie ihm den Anblick verworrener gesellschaftlicher
Verhältnisse hätten gewähren können. Dennoch hat er hier den Grund zu den
psychologischen Einsichten gelegt, die ihn zum Lehren und Ausüben ausnehmend
befähigt haben« 7).
6) Bernhard Galura, 1764 zu Herbolzheim im Breisgau geboren, studierte von 1783 an ’m
Generalseminar zu Freiburg, promovierte an hiesiger Hochschule zum Doktor der Theologie, trat 1787 zu
Wien in das dortige Generalseminar, ward Priester 1788, dann Studienpräfekt zu Freiburg, 1791 Münster-
pfarrer, 1829 Fürstbischof von Brixen; gelt. 1856.
7) Hug, a. a. O. S. 19 f.