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Kraus, Theodor
Hekate: Studien zu Wesen und Bild der Göttin in Kleinasien und Griechenland — Heidelberger kunstgeschichtliche Abhandlungen, N.F. 5: Heidelberg: Carl Winter, Universitätsbuchhandlung, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.57160#0079
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III. Hesiod — Thrakien — Enodia

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gewöhnlichen Attribute. P. Hartwig, der die große Ähnlichkeit mit einem be-
kannten spätklassischen Artemistypus hervorhob, hat bereits das typisch Thra-
kische ihrer Erscheinung betont. Nicht nur an Artemis fühlt man sich erinnert,
sondern ebenso an Dionysos, mit dem Bendis bei der Deutung eines Reliefs
bezeichnenderweise einmal verwechselt werden konnte.370 Artemis, die grie-
chische Jägerin, und Dionysos, der in Thrakien hoch Verehrte, standen wohl
beide Pate für die Gestaltung des Kultbildes in Athen, auf das zweifellos die
unter sich so ähnlichen attischen Bendisdarstellungen zurückgehen.371
Auch in Thrakien erscheint die Göttin als Jägerin, so vor allem auf den
Felsreliefs von Philippi.372 Charakteristisch ist die Wiedergabe der Jagd — das
Dahinstürmen hinter dem fliehenden Tier erinnert sehr an die Bilder des Thra-
kischen Reiters, der ja auch in voller Aktion auftritt; es handelt sich offenbar
um einen typisch nordgriechischen Bildgedanken.
Daß diese Bendis der griechischen Artemis gleichgesetzt wurde, verwundert
nicht.373 Doch auch mit Hekate wurde sie identifiziert — Hesychios weiß noch
davon.374 Das Gemeinsame beider Gestalten dürfte die chthonische Seite ihrer
369 Letztere kehrt in der Literatur wieder: BeiKratinos heißt Bendis δίλογχος, und dazu
vermerkt Hesych. s. v. δίλογχον'... δτι δύο λόγχας φέρει, κυνηγετική ούσα. Diese
Erklärung hat den Vorrang vor den beiden anderen, die er im gleichen Zusammen-
hang gibt (... δτι δύο τιμάς έκληρώσατο, ούρανίαν τε και χθονίαν ... οι δέ δτι δύο
φώτα έχει, τό ίδιον και τοϋ ήλιου) und die mehr nach theologischer Gelehrsamkeit
der Spätzeit aussehen.
370 Relief im Museum von Chalkis: Zuerst veröffentlicht von Snijder, RA. 5. ser. 20,
1924, 42 Taf. 3 mit der richtigen Deutung (Dionysos). Zu den Fehlbenennungen
als Bendis s. Picard, BCH. 68/69, 1944/45, 264 Anm. 1 (m. Abb. 13). Das Relief
zuletzt behandelt von Picard, BIBulg. 16, 1950, 30 f. Abb. 5 und Schauenburg, Jdl.
68, 1953, 45 Nr. 17; 62.
371 Eine statuarische Vorlage nahm bereits Hartwig a. O. 12 an (zu rundplastischen
Typen ebenda 16 ff.).
372 P. Collart, Philippes, Ville de Macedoine 431 ff. Taf. 72 ff. Picard, BIBulg. 16, 1950,
28 ff. Abb. 3. 4. Auf den Zweig, den Bendis hier oft in der Linken hält, bezieht
sich Picard zu Recht bei der Benennung des Münzbildes von Abdera auf Bendis;
er spricht dieses als Vorläufer und Prototyp der Reliefs von Philippi an. — Die
Deutung der archaistischen, inschriftlich als Parthenos bezeichneten Göttin auf dem
Urkundenrelief von 355 in Athen (s. S. 124 m. Anm. 582) als Bendis von Collart
a. 0.112 möchte ich mit Wilamowitz, GdH. I 185 Anm. 2 ablehnen.
373 Die thrakische Artemis, die Herodot (V 7) nennt, ist Bendis: Zuletzt Pettazzoni,
Essays 82 (= BIBulg. 16, 1950, 291). Vgl. Hesych. s. v. Βενδΐς· ή ’Άρτεμις.
θρφκιστί.
374 Hesych. s. v. Άδμήτου κόρη' Εκάτη, τινές δέ τήν Βενδϊν. Wilamowitz, GdH. I
175 hat versucht, die verschiedenen Vorstellungen, die in dieser Glosse stecken, aus-
einanderzulegen. Mit seinem Satz „Die Bendis geht die Hekate des thrakischen
Zerynthos an“ kann ich mich nicht befreunden: s. u. S. 76. F. Dölger, Ιχθύς II 418
sieht in der „griechisch-jonischen Bezeichnung“ Hekate und der thrakischen Bendis
schlechthin nur zwei verschiedene Namen für dieselbe Gestalt, was unsere heutige
Kenntnis der Bendis zumindest stark überfordert.
 
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