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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0053
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heitlich, zeitgemäß und folgerecht zu regeln.224 Zur endgültigen Abschaffung der Zünfte
kam es 1862 durch die „Neue Gewerbe-Ordnung“, die am 1. Mai in Kraft trat und in deren
Artikel 58 es hieß: Die Zünfte sind aufgehoben.225
2.1.2. Zunft-, Handwerkszwang und Aufnahme ins Handwerk
Die Mitgliedschaft in einer Zunft beziehungsweise in einem Handwerk war obligatorisch,
wenn jemand ein Gewerbe oder Handwerk in der Stadt betreiben wollte; nur der zünftige
Handwerker durfte seinen Beruf ausüben. Meister, die dem Ehrbahren Handtw erckh nicht
eingeschrieben noch incorperieret waren und trotz ausdrücklichem Verbot ihrem Beruf
nachgingen, wurden als Stumppier oder Pfuscher bezeichnet. Man konfiszierte ihnen das
Handwerkszeug, um eine Weiterführung der Tätigkeit unmöglich zu machen und belegte sie
mit einer Geldstrafe von zehn Reichstalern.226 Dieser Artikel aus der Goldschmiedeordnung
von 1739 wurde 1776 und 1798 bestätigt und erneuert.227
Jeder Gewerbetreibende durfte in der Regel nur einen Beruf betreiben und nur Mitglied ei-
nes Handwerks oder einer Zunft sein (vgl. Kapitel D.1.2. Die Loslösung des Silberwaren-
handels von der Herstellung).228
Die Aufnahme ins (Goldschmiede-)Handwerk war je nach gesellschaftlichem Stand und
Herkommen an diverse Bedingungen geknüpft. Der reguläre Weg in die Mitgliedschaft, der
jedoch nicht die Regel war, begann mit der Lehre: Der Gmünder Bürgersohn229 oder häufi-
ger der privilegierte Sohn eines Goldschmiedemeisters verdingte sich als Lehrjunge bei sei-
nem Vater oder einem anderen Meister und wurde beim Handwerk eingeschrieben. Er
durchlief die Ausbildung, wurde lediggesprochen und erhielt den Gesellenbrief, begab sich
auf Wanderschaft, kehrte in seine Heimatstadt zurück, fertigte sein Meisterstück, wurde als
selbständiger Meister ins Handwerk aufgenommen und durfte heiraten (vgl. Kapitel B.2.2.3.
Lehrjungen und Gesellen, B.2.2.4. Jungmeister).
Manchmal kam es auch vor, daß ein Gmünder Bürger, der nicht den Beruf des Gold-
schmieds erlernt hatte, aber ein verwandtes Gewerbe betrieb, in das Goldschmiedehandwerk
aufgenommen werden wollte. Vermutlich spielte dabei die wirtschaftliche Situation und die
Lobby der Goldschmiede in der Stadt eine große Rolle. Über die Aufnahme in das Hand-
werk konnte aber das Mittel nicht selbständig entscheiden, sondern es mußte auch hier, wie
bei so vielen anderen Entscheidungen, die Erlaubnis beim Rat einholen. 1752 erschienen der
Oberachtmeister Johann Michael Mösnang, der Achtmeister Jakob Bulling und der gesamb-
te Außschuß der Goldschmidts-Profession beim Rat mit dem Ansinnen, den berufsfremden
Lorenz Fischer in das Goldschmiedehandwerk aufnehmen zu dürfen. Der Wunsch des
Handwerks wurde vom Rat ohne Angabe von Gründen abgelehnt.230
Anders entschied der Rat im Falle des Dosenstechers Peter Albrecht. Die Goldschmidts Vor-

224 RAISER 1978, S. 190 bis 191.
225 Vgl. RAISER 1978, S. 198.
LAURENTZSCH 1979, S. 143.
226 (Sta Gd) Goldschmiedeordnung vom 28. Juli 1739, Punkt 8.
227 (Sta Gd) Goldschmiedeordnungen vom 17. Oktober 1776, Punkt 8, und vom 27. Februar 1798, Punkt 37.
228 (Sta Gd) GBO G: Hauptrezeß vom 9. April 1723, Punkt 19.
Erneuerung des Punkts im Vereinigungsrezeß von 1753/58, Punkt 55 (Sta Gd, GBO H).
229 Wer Lehrjunge werden wollte, mußte der ehelich geborene Sohn eines Bürgers, eines freien, vollberechtigten
Stadtbewohners mit allen Rechten und Pflichten, sein. Söhne von sogenannten Beisassen oder Schutzver-
wandten, die nicht das volle Bürgerrecht besaßen, hatten kein Anrecht auf die Aufnahme in die Lehre eines
städtischen und zünftischen Handwerks.
230 (Sta Gd) Extr. RP 1700 bis 1778, 5. Juli 1752, S. 73.

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