Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0094
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
daß Geringlötigkeit bei einzelnen Teilen nicht erkannt werde. Außerdem führten sie, wie in
allen Jahrzehnten zuvor, wenn geringlötige Silberarbeiten beanstandet wurden, den Abgang
des miintz-weesens und die Problematik des bruch=Silbers ins Feld; diese beiden Argumen-
te wurden im Laufe der Jahre zu Topoi. Auf Spriegel bezogen meinten die Schaumeister,
daß er häufig selbst den für ihn arbeitenden Goldschmieden Bruchsilber geliefert habe, wo
der strich mit seinem selbst eigenen wissen, sich mehrer nit als zwischen 12. und 13. gezei-
get hat. Spriegel habe also sehr wohl gewußt, in welchem Gehalt legiert wurde. Am Ende
des Schreibens beschuldigten sie Spriegel, daß er oft genug sowohl die Goldschmiede als
auch die Schaumeister unter Druck gesetzt habe, geringlötig zu arbeiten, beziehungsweise
für geringlötige Ware einen „Probzettel“ auszustellen, damit der als Oberschaumeister tätige
Bürgermeister diese anstandslos mit der Stadtbeschaumarke versehen werde.454 Die negative
Einflußnahme der Handels- und Kaufleute auf die Goldschmiede war, wenn man die Archi-
valien durchsieht, kein Einzelfall. Da seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Gold-
schmiede immer mehr ihre Selbständigkeit verloren und zunehmend zu Lohnarbeitern der
Handels- und Kaufleute wurden, verstärkten diese den Druck, nach ihren Maßgaben zu ar-
beiten. Die große Zahl der Meister und der dadurch bedingte Konkurrenzkampf verschärfte
die Abhängigkeit noch mehr (vgl. Kapitel D. 1.3. Vertrieb durch Kaufleute und Handels-
männer, Kapitel D. 1.3.1. Die Abhängigkeit des Goldschmieds vom Kauf- und Handels-
mann).455

454 (Sta Gd) GBO G: Spriegelaffäre. Rechtfertigungsschreiben der Schaumeister Johann Michael Mösnang und
Jakob Bulling vom 9. Februar 1751. Der für Spriegel produzierende Goldschmied Johannes Bletzger habe vor
einigen Jahren seine Waren zum damaligen Oberacht-und Schaumeister Caspar Mayer gebracht, der sich nach
der Strichprobe geweigert habe, für diese den „Probzettel“ auszustellen. Daraufhin habe Spriegel vom Schau-
meister verlangt, sein Waar auf sein Sprigels aigener gefahr zu proben. Diese Aussage wurde von Mayer be-
stätigt, nämlich daß vor ungefehr 10. Jahren der Johannes Bletzger (. . .) zu Ihme (. ..) mit Löffel und
Schnallen in die Prob gekommen, weilen Er aber solche Waar nicht für probmässig erkennet, habe er ihme
Bletzger mit seiner Waar abgewiesen: Woraufhin Herr Handelsmann Sprigel, als welchem solche Waar ge-
hörte, Mittags 11. Uhr an einem Frey tag, mit ihme Bletzger selbsten in sein deponentens Haus gekommen,
und begehrte habe, Er solle solche Waar auf sein Sprigels gefahr proben; welches Er deponent aber mit
nichten gethan. Daraufhin habe Spriegels Schwager, Franz Buck, Mayers Sohn angesprochen, er solle auf sei-
nen Vater ein wirken, daß dieser die Ware probe. Er brauche dise Gefälligkeit nicht umbsonst thuen. (Sta Gd,
GBO G: Spriegelaffäre. Aussage von Caspar Mayer, protokolliert am 9. Februar 1751).
455 Fälle von geringlötiger Ware, die auf Veranlassung eines Gmünder als auch auswärtigen Händlers produziert
werden mußten, bzw. Fälle, in denen Händler geringlötiges Silber nach Gmünd lieferten:
(Sta Gd) RP 1702 bis 07, 11. Januar 1702, S. 9 und RP 1702/1704 bis 07/1716 bis 23, 10. Februar 1702,
S. 3 a. Händler Hans Beys aus Nesselwang bringt eine leichtfertige Laborant-Materie nach Gmünd, um es ver-
arbeiten zu lassen.
(Sta Gd) RP 1707 bis 11, 31. Juli 1708, S. 78. Goldschmied Jakob Roth erhielt vom Kaufmann Sebastian
Spriegel Silber mit dem Auftrag, 1 llötige Rock- und Kamisolknöpfe zu fertigen.
(Sta Gd) GRP 1715 bis 22, 30. Oktober 1717, S. 107 bis 108. Der reisende Goldschmied Jakob Seybold liefert
den Goldschmieden, die für ihn arbeiten, 9- bis lOlötiges Silber.
(Sta Gd) GRP 1715 bis 22, 27. April 1718, S. 115 a bis 116. Goldschmied Patriz Mösnang verklagt den rei-
senden Goldschmied Jakob Seybold, er habe ihm falsches Silber zur Verarbeitung gegeben.
(Sta Gd) RP 1702/1704 bis 07/1716 bis 23, 20. Februar 1720, S. 62 bis 62 a. Kaufmann Anton Ziegler über-
gab dem Goldschmied Johann Urbon 3 Mark Laborant-Silber für verschiedene Arten von Agnus Dei. Urbon
brachte das Silber zuvor zur Schau, wo sich herausstellte, daß das Silber nur 6 l/21ötig war.
(Sta Gd) GRP 1723 bis 28, 1. April 1724, S. 14 a. Kaufmann Eustachius Jauffert wird von Goldschmied Ca-
spar Fischer wegen geringhaltigem Silber verklagt.
(Sta Gd) RP 1737 bis 38, 24. Oktober 1737, S. 43 bis 44. Der Silbercrämer Joseph F. Schieß aus Augsburg
wurde bestraft, weil er Silber, das er von Gmünder Goldschmieden verarbeiten lassen wollte, nicht zuvor zur
Schau gebracht hatte. Bestraft wurden außerdem die für Schieß arbeitende Goldschmiede, weil sie auf seine
Anweisung hin geringlötige Ware gefertigt hatten.
(Sta Gd) RP 1739 bis 44, 17. März 1740, S. 98. In Augsburg wurde die Ware von Händler Joseph F. Schieß
wegen Geringlötigkeit beschlagnahmt. Daraufhin bestrafte man in Gmünd den Produzenten.

90
 
Annotationen