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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0124
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halten werden sollte.606 Der künftige Schüler mußte sich beim Kassierer Baitz anmelden und
erhielt von diesem eine schriftliche Erlaubnis zum Schulbesuch. Nach der Aufnahme und
Einschreibung ins Schülerverzeichnis wurde jedem Schüler vom Zeichnungs Instructor ein
numerierter Platz im Klassenzimmer zugewiesen, den der Schüler nicht mehr wechseln
durfte. Alle Schüler waren zu Fleiß und Pünktlichkeit verpflichtet.607^/' in die Zeichnungs-
Schule gelassen werden will, Er seye, wer er wolle, soll ehrlich gekleydet und gesäubert
seyn. Dahero keiner ohne Schuhe und Strimpf erscheinen, ordentlich gekampelt (ge-
kämmt); auch im Angesicht und an den Händen reinlich gewaschen seyn solle. Jeder Schü-
ler, der gegen diese Ordnung verstieß, erhielt einen Verweis und wurde nach wiederholten
Vergehen vom Unterricht ausgeschlossen. Nach Eintritt ins Klassenzimmer mußte sich der
Schüler auf seinen zugewiesenen Platz setzen und seine Zeichnung fortmachen. Die Mit-
schüler durften nicht durch Geschwätz und anderen Possen gestört werden. Nach Fertigstel-
lung der Zeichnung prüfte der Lehrer diese, wies auf die Fehler hin und legte dem Schüler
ein anderes Stück zum Nachzeichnen vor. Jeder Schüler mußte sich um die zur Zeichnung
nöthigen Materialien, als Papier-, Reißfeder- und Röthel selbst kümmern;608 eine Ausnah-
me wurde nur für Kinder aus finanziell schlecht gestellten Familien und Waisenkinder ge-
macht. In diesen Fällen kam die Schule für die Materialbeschaffung auf. Die Aufsicht über
diese Ordnung lagen bei Lehrer Strobel, bei Kassierer Baitz und bei Senator Schedel, zu-
sätzlich fanden vierteljährliche Visitationen durch Abgeordnete des Rates statt. Wann die
Schule ihren Betrieb aufnahm, darüber geben die Akten keine Auskunft; es ist jedoch zu
vermuten, daß wohl am 1. Juni 1776, nach Verabschiedung der Ordnung über den Schulab-
lauf, der Unterrichtsbeginn anzusetzen ist.
Die Bedeutung der Zeichnungsschule erkannte das Goldschmiedehandwerk rasch, denn
schon wenige Monate später nahm das Mittel den Schulbesuch für Gesellen und die Anferti-
gung einer Zeichnung als Ergänzung zum Meisterstück in ihre erneuerte Goldschmiedeord-
nung vom 17. Oktober 1776 auf (vgl. Kapitel B. 2.2.4. Jungmeister),609 und seit 1781 be-
stand für alle Goldschmiedelehrjungen die Pflicht, die Zeichnungsschule zu besuchen.610
Die anfängliche Regelung, daß die Unterrichtszeiten auf Werktage fielen, stieß bei vielen
Meistern sicher auf Unmut, konnten die Gesellen doch in dieser Zeit nicht in der Werkstatt
tätig sein, und die Meister hielten sie nicht zum Schulbesuch an, beziehungsweise hinderten

606 Fiel der betreffende Tag auf einen Feiertag, so wurde der Unterricht entweder einen Tag früher oder später ab-
gehalten.
607 Die Schüler waren auch verpflichtet, dem Zeichnungsinstructor höflich zu begegnen, mit gebührender Ach-
tung, ohne jeglichen Ungehorsam. Bei Verstößen erhielt der Schüler zuerst einen Verweis, dann von dem
Waysen-Schulmeister auf ein und mehrere Stunden in ein besonderes Zimmer eingesperrt; bei mehrfacher
Wiederholung drohte der Ausschluß vom Unterricht. Die Schüler sollen sich ehrbar, still, ruhig sittsam und
so wie es einem wohlgezogenen Jüngling gebührt, aufführen.
608 Um Verschmutzungen von Klassenzimmer und Kleidung zu vermeiden, durften Röthel nur an bestimmten
Plätzen geschnitten und geschärft werden. Der Abfall gehörte in bereitgestellte Schächtelein.
609 (Sta Gd) Goldschmiedeordnung vom 17. Oktober 1776, Ergänzung zum Ratsdekret vom 7. Oktober 1762,
Punkt 2. Ursprünglich mußte die Zeichnung in Beisein des Ober- und eines Achtmeisters gefertigt werden,
doch nach der Ratsverordnung vom 22. April 1779 hatte der Geselle die Zeichung in Gegenwart des Lehrers
Johann Georg Strobel zu machen, der die Zeichung unterzeichnen mußte. Dies (Meisterstück plus Zeichnung)
galt als Voraussetzung für die Hochzeit für Gold- und Silberarbeiter, Messinggießer, Schlosser, Steinmetze
und Schreiner (Sta LB, Bestand 178 Bü 119 (S. 775), 22. April 1779).
610 (Sta Gd) RP 1781, 6. Februar 1781, S. 10 bis 11 a.
(Sta Gd) RP 1789, 26. November 1789, S. 102 a. Der Rat ermahnte die Meister unter Strafandrohung, ihre
Lehrjungen in die Zeichnungsschule zu schicken. Diese Mahnung wurde in der Goldschmiedeordnung vom
27. Februar 1798 wiederholt (Sta Gd, Goldschmiedeordnung vom 27. Februar 1798. Punkt 48). In Punkt 49
der Goldschmiedeordnung wurde zudem festgelegt, daß jeder Lehrjunge nur lediggesprochen wurde, wenn er
vor dem Ober- und einem Achtmeister eine Zeichung angefertigt hatte.

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