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Krause, Katharina
Die maison de plaisance: Landhäuser in der Ile-de-France (1660 - 1730) — München, Berlin, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.2998#0212
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212

»La peinture travaillant au portrait du roi« - Charles Le Brun in Montmorency

das Aussehen einer anderen schließen. Dieser Umgang mit
dem Gebäude als einer Gruppierung von Flächen und Bautei-
len, die das Umschreiten nicht verlangen, ist charakteristisch
für alle (Klein)Architekturen, die aus Le Bruns Büro stam-
men.31 Die Verwandtschaft der Fassaden in Montmorency mit
Bühnendekorationen hat Junecke ausdrücklich hervorgeho-
ben.32

Auf Charles Le Brun als Autor seiner Maison de plaisance
verweist ebenfalls die ungewöhnliche Einbindung des Gebäu-
des in seinen Garten. Es war keineswegs üblich, das Gebäude
mit Hilfe der durchbrochenen Mauer mit angrenzenden Alleen
zu verbinden und dadurch geschlossene Gartenräume zu er-
zeugen, die die Geländeform unterstreichen, statt sie abzumil-
dern. Zwar gab es in Gärten Le Nötres immer einen »Giardino
segreto« - aber nur einen einzigen - der meist zu Seiten des
Hauptgebäudes eingerichtet und mit der Orangerie verbunden
wurde. Für die Gleichbehandlung von Gebäude, Mauer und
Alleen als Wänden - Kulissen - eines Gartenraums sind mir
weder in Frankreich noch in Italien Parallelen bekannt. Die
»modernen« römischen Villen standen ebenso wie die franzö-
sischen Schloßbauten nach Möglichkeit frei auf einem Plateau
und waren von den unmittelbar angrenzenden Gartenpartien
abgehoben. So dürfte die Schirmmauer in dieser Form eine
Erfindung des »Dilettanten« Le Brun gewesen sein.33 Mit ihrer
Hilfe unterteilte er den Garten in kleine überschaubare Räume,
deren variantenreiche Aufteilung er beherrschte. Ein unbe-
kannter Kritiker des 18. Jahrhunderts erkannte einen »goüt
colifichet« in den Verstößen gegen das »grand, noble, simple,
magnifique«, kurz: gegen den »goüt du celebre Le Notre«.34

Es ist nicht mehr zu klären, wann genau und ob überhaupt Le
Brun seinen Landsitz für vollendet hielt. Im Mai 1679 kam es
zu dem Ereignis, das dem Premier Peintre du Roi und Baron de
Thionville als Beweis höchster ständischer Anerkennung gel-
ten konnte. So wie Ludwig XIV. dem hohen Adel und den
Ministern gelegentlich die Gunst erwies, ihn auf ihren Landsit-
zen festlich bewirten zu dürfen, ließ sich Henri-Jules de Bour-
bon-Conde, Sohn des Lehensherrn, am 14. Mai 1679 von Le
Brun empfangen. M. le Duc verbrachte mit dem Duc de La
Rochefoucauld, Bossuet, dem Erzieher des Dauphin, und wei-
terem, namentlich nicht überlieferten Gefolge in Montmorency
sogar die Nacht:

»Hs y arriverent le dimanche 14. de may sur les six heures du soir et
regarderent avec plaisir, en entrant, la facade de la maison, qui est du
cöte de la cour. Ils monterent dans tous les appartemens et se pro-
menerent en suite dans les jardins. On y fit joüer toutes les eaux dont
ils admirerent les beautes. Ils furent surpris d'y voir tant de canaux, de
fontaines, de cascades, de grotes et surtout un grand canal, qui est
devant la facade de la Maison du coste du jardin. Son Altesse Sere-
nissime se promena en bateau sur ce canal et y receut le divertisse-
ment d'une fort agreable Symphonie. Le souper fut servi aussitost
apres. La magnificence s'y trouva jointe ä la proprete. M. le Duc
coucha dans cette maisonovec ceux, qui l'accompagnoient. II y dina
le lendemain apres s'estre promene tout le matindans les jardins, dont

on f it jouer de nouveau les eaux, et partit sur les deux heures pour aller
ä Chantilly.«35

Der Besuch verlief also nach dem üblichen Schema derartiger
höfischer Visiten: Ankunft mit Besichtigung des Hauses, Spa-
ziergang im Garten, wobei Le Brun sogar mit einer Bootsfahrt
aufwarten konnte, zu der eigens angeworbene Musiker spiel-
ten, Abendessen; am nächsten Tag erneute Visite des Gartens
und das Abschiedsmahl.

Gewiß war das Gefolge von Henri-Jules de Bourbon-Conde
bescheidener als das des Königs, und die Conde gefielen sich
in freundlicher Herablassung zu Künstlern und Literaten. Le
Brun konnte seinem Gast zudem nicht Theater, Illumination,
Spiel und Jagd bieten. Zu einer Notiz im >Mercure< aber reichte
es: Der Maler schien damit an den Stand herangerückt, zu dem
er sich seit seiner Erhebung in den Adels tand und dem Kauf der
Baronnie Thionville zugehörig fühlen mochte. Vehikel dieses
Aufstiegs waren nicht die zahlreichen Wohnhäuser, die Le
Brun in Paris besaß, sondern die Maison de campagne. Nicht in
der Stadt, wo er zeitlebens auf den Bau eines Hotel particulier
verzichtete, sondern auf dem Land strebte der Maler nach der
seinem Titel gemäßen Lebensform. Inwieweit er dabei auf die
Malkunst, die die Grundlagen seines Aufstiegs bildete, hinwies
und inwieweit er sich mit seiner Maison de campagne an Besitz
und Verhaltensweisen älterer oder zeitgenössischer Künstler-
kollegen anglich, wird im folgenden zu untersuchen sein.

Dabei ist vorab eine Einschränkung angebracht: Die feste
Dekoration des Landhauses wurde 1692 von den »Experts« nur
in Teilen beschrieben, das »Mobiliar«, einschließlich der
Gemälde und Skulpturen ist ausnahmslos verloren. Das Pro-
gramm der Domäne, sofern Le Brun eine in sich schlüssige,
einheitliche Aussage beabsichtigte, kann also nicht mehr ganz
beschrieben und entschlüsselt werden. Insbesondere fehlen
Angaben zu den Themen an der Hoffassade, die die hochge-
stellten Besucher 1679 »mit Vergnügen« betrachtet hatten.
Auch für die Gegenseite, zum »Giardino segreto«, mangelt es
an Auskünften über die Darstellung im Typanon und die
Büsten.

Besser unterrichtet ist man nur über die Fassade zum Kanal:
das Tympanon zeigte »un basrelief de petits amours tenant la
medaille du portrait du Roy«.36 Die vielleicht emblematischen
Darstellungen in den Tondi werden dagegen nirgends benannt,
und sie sind auf Silvestres Vedute nicht zu entschlüsseln. In der
oberen Loggia waren drei Büsten aus Gips auf die Wände mon-
tiert: Sie zeigten Ludwig XIV, seinen Bruder sowie den Dau-
phin. Zwei weitere Büsten an der Außenmauer bildeten Mon-
sieur le Prince (Bourbon-Conde) und den bereits verstorbenen
Kanzler Seguier ab, fügten also zum doppelten, erhöht und
zentral präsentierten Bildnis des Königs die wichtigsten
Mäzene des Malers.37

Die Serie von Porträts, die den König und seine Verwandten
offensichtlich nicht allein dynastisch, sondern als Protektoren
des Malers meint, war jedoch kein Mittel, das sich ausschließ-
 
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