VIII. ANNIBALE FONTANA ALS STEINSCHNEIDER
Die Persönlichkeit des Mailänder Bildhauers Annibale Fontana ist bisher in der
kunstgeschichtlichen Literatur kaum beachtet, seine Werke sind nur von ungefähr gestreift
worden. Im Jahre 1540 in Mailand geboren, stand er noch als junger Mann mit Lomazzo
in Fühlung, dem er eine Medaille gewidmet hat, wie er sich denn auch später gelegentlich
in diesem Fach bewährte. Mit dreißig Jahren finden wir ihn in Palermo; er muß sich
eine Zeit lang im Süden aufgehalten haben, wird er doch dort als »civis mediolanensis
et panormitanus, etiam scultor marmorum« erwähnt1. Schon damals war er in angesehener
und geachteter Stellung tätig und wird mit anderen Fachgenossen zu einem Gutachten
über Arbeiten des Gaggini herangezogen. Von diesen seinen Lehr- und Wanderjahren haben
wir indessen bisher keine nähere Kunde. Als er heimkehrte, im Jahre 15742, trat er in
die Dienste der Kirche Sta. Maria presso S. Celso in Mailand und war ohne Unterbrechung
bis zu seinem Tode im Jahre 1587 für die Vorsteher der Kirche als Bildhauer tätig,
anfänglich neben dem Florentiner Lorenzo di Stoldo, später allein. Seine Stellung war
zuletzt etwa die eines »Protomagisters«; die Rechnungsbücher der Kirche, die ich an
anderer Stelle einer Übersicht über die Arbeiten des Meisters zu Grunde lege3, lassen
auf seinen wachsenden Einfluß schließen. In der Kirche, der der Frühverstorbene den
besten Teil seiner Tätigkeit gewidmet hat, liegt er begraben. Eine Inschrift kündet seinen
Ruhm4, dem auch zeitgenössische Schriftsteller gelegentlich zu dienen versuchen. Lomazzo
heißt Mailand auf diesen seinen Sohn stolz sein5 und — was' schwerer wiegen mag als
das Lob des Landsmannes — ein fein gebildeter Toskaner, Vincenzo Borghini, hat dem
Meister eine kurze, aber inhaltsreiche Biographie gewidmet, die ihn im Anschluß an die
venezianischen Maler, an Veronese und Bassano, als berufenen Vertreter der Mailänder
Kunst seiner Zeit hervorhebt6. Es ist gewiß kein Zufall, daß der florentinische Literat
eben von seinen Werken zu berichten weiß, denn dem römisch-florentinischen Stilkreis hat
1 Vgl. dazu Thieme-Beckers Künstlerlexikon.
2 Dieses Datum entnehme ich den Rechnungsbüchern, die ich im Archiv der Kirche Sta. Maria presso
S. Celso auffand; die erste Zahlung an Fontana erfolgt am 6. März 1574 »per andar a tor a Ferrara (ver-
schrieben für Carrara) marmi per far le statue«.
3 Vgl. Mitteilungen des deutschen kunsthistorischen Institutes in Florenz, N. F. I.
4 Die Grabschrift abgedruckt bei Morigia, p. 284 f.
5 Lomazzo, Trattato, Rom 1844, I, p. 309; II, p. 157; III, p. 181.
6 Borghini, II Riposo, Mailand 1807, III, p. 133 f. — Es ist festzuhalten, daß Borghinis Schrift 1584,
im gleichen Jahr wie der Traktat des Lomazzo und drei Jahre vor dem Tode des Fontana erschienen
ist. Der 1595 herausgegebene Bericht des Morigia (Nobiltä, p. 284 f.) ist offenbar zum Teil von Borghini
abhängig; Borsieri, der 1619 die zweite Auflage von dem Werk des Morigia besorgte, steht dem
Fontana schon mit jener Verehrung gegenüber, die bei Torre und anderen Mailänder Periegeten zur
Legendenbildung führt.
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Die Persönlichkeit des Mailänder Bildhauers Annibale Fontana ist bisher in der
kunstgeschichtlichen Literatur kaum beachtet, seine Werke sind nur von ungefähr gestreift
worden. Im Jahre 1540 in Mailand geboren, stand er noch als junger Mann mit Lomazzo
in Fühlung, dem er eine Medaille gewidmet hat, wie er sich denn auch später gelegentlich
in diesem Fach bewährte. Mit dreißig Jahren finden wir ihn in Palermo; er muß sich
eine Zeit lang im Süden aufgehalten haben, wird er doch dort als »civis mediolanensis
et panormitanus, etiam scultor marmorum« erwähnt1. Schon damals war er in angesehener
und geachteter Stellung tätig und wird mit anderen Fachgenossen zu einem Gutachten
über Arbeiten des Gaggini herangezogen. Von diesen seinen Lehr- und Wanderjahren haben
wir indessen bisher keine nähere Kunde. Als er heimkehrte, im Jahre 15742, trat er in
die Dienste der Kirche Sta. Maria presso S. Celso in Mailand und war ohne Unterbrechung
bis zu seinem Tode im Jahre 1587 für die Vorsteher der Kirche als Bildhauer tätig,
anfänglich neben dem Florentiner Lorenzo di Stoldo, später allein. Seine Stellung war
zuletzt etwa die eines »Protomagisters«; die Rechnungsbücher der Kirche, die ich an
anderer Stelle einer Übersicht über die Arbeiten des Meisters zu Grunde lege3, lassen
auf seinen wachsenden Einfluß schließen. In der Kirche, der der Frühverstorbene den
besten Teil seiner Tätigkeit gewidmet hat, liegt er begraben. Eine Inschrift kündet seinen
Ruhm4, dem auch zeitgenössische Schriftsteller gelegentlich zu dienen versuchen. Lomazzo
heißt Mailand auf diesen seinen Sohn stolz sein5 und — was' schwerer wiegen mag als
das Lob des Landsmannes — ein fein gebildeter Toskaner, Vincenzo Borghini, hat dem
Meister eine kurze, aber inhaltsreiche Biographie gewidmet, die ihn im Anschluß an die
venezianischen Maler, an Veronese und Bassano, als berufenen Vertreter der Mailänder
Kunst seiner Zeit hervorhebt6. Es ist gewiß kein Zufall, daß der florentinische Literat
eben von seinen Werken zu berichten weiß, denn dem römisch-florentinischen Stilkreis hat
1 Vgl. dazu Thieme-Beckers Künstlerlexikon.
2 Dieses Datum entnehme ich den Rechnungsbüchern, die ich im Archiv der Kirche Sta. Maria presso
S. Celso auffand; die erste Zahlung an Fontana erfolgt am 6. März 1574 »per andar a tor a Ferrara (ver-
schrieben für Carrara) marmi per far le statue«.
3 Vgl. Mitteilungen des deutschen kunsthistorischen Institutes in Florenz, N. F. I.
4 Die Grabschrift abgedruckt bei Morigia, p. 284 f.
5 Lomazzo, Trattato, Rom 1844, I, p. 309; II, p. 157; III, p. 181.
6 Borghini, II Riposo, Mailand 1807, III, p. 133 f. — Es ist festzuhalten, daß Borghinis Schrift 1584,
im gleichen Jahr wie der Traktat des Lomazzo und drei Jahre vor dem Tode des Fontana erschienen
ist. Der 1595 herausgegebene Bericht des Morigia (Nobiltä, p. 284 f.) ist offenbar zum Teil von Borghini
abhängig; Borsieri, der 1619 die zweite Auflage von dem Werk des Morigia besorgte, steht dem
Fontana schon mit jener Verehrung gegenüber, die bei Torre und anderen Mailänder Periegeten zur
Legendenbildung führt.
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