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Kristeller, Paul [Hrsg.]; Universitätsbibliothek Heidelberg [Hrsg.]
(Band 2): Biblia Pauperum: Unicum der Heidelberger Universitäts-Bibliothek ; in 34 Lichtdrucktafeln und 4 Tafeln in Farbenlichtdruck ; [Cod. Pal. germ. 438] — Berlin: Cassirer, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.48025#0012
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Charakteristisch sind z. B. die Zaddelverzierungen an den Gewändern, die tiefe
Gurtung derSchwerter, die langen Schösse der Panzerhemden und Koller, die Ketten-
panzerung am Halse u. a. m.
Inder technischen Ausführungschliessensichdie Bilderunserer Biblia pauperum
aufsengsteandieGruppevonHolzschnitten an, indenen wirdie zweite Entwickelungs-
stufe des ältesten deutschen Holzschnittes erkennen dürfen, und von denen einige
nachweislich aus dem Anfänge der Vierziger jahre des XV. Jahrhunderts stammen3).
Von der edlen Einfachheit, von der charaktervollen Stilreinheit der ältesten uns be-
kannten Werke des Holzschnittes aus dem Anfänge des XV. Jahrhunderts sind diese
Arbeiten schon ziemlich weit entfernt, sie bewahren aber noch die weiche Rundung
der Linien, den langen, schwungvollen Zug der Falten und in vielen Gestalten und
Motiven noch etwas von der Unmittelbarkeit der Empfindung, die jene ältesten Werke
auszeichnen. Schraffierungen fehlen auch hier noch fast vollständig. Andererseits
muss ein Vergleich unserer Bilder mit den Holzschnitten in den ältesten datierten,
typographisch gedruckten Büchern der sechziger und siebziger Jahre, z. B. in Pfister-
sehen Drucken, unbedingtzu dem Schlüsse führen,dasswir in unsererBibliapauperum
eine wesentlich frühere Entwickelungsstufe der Technik, eine künstlerisch noch viel
frischere und lebendigere Formen- und Liniengestaltung vor uns haben, und dass wir
sie demnach um Jahrzehnte über jene ältesten Buchillustrationen hinaufzurücken
genötigt sind. Wir werden deshalb unser Blockbuch sicher nicht zu früh datiert haben,
wenn wir seine Entstehung in die Zeit um 1440—1450 ansetzen. Für die Geschichte
des Holzschnittes im XV. Jahrhundert ist die Biblia pauperum als ein Bindeglied
zwischen den ältesten Einblatt-Holzschnitten aus dem Anfänge des XV. Jahrhunderts
und den Illustrationen der typographisch gedruckten Bücher von grosser Wichtigkeit.
Ohne Zweifel hat das Werk seine xylographischen Vorgänger gehabt, die uns
nicht erhalten geblieben sind. Dass der Holzschneider schon eine gewisse Routine
in der Bewältigung solcher Aufgaben besass, beweist die Art, wie er sich die Arbeit
des Schneidens zu erleichtern verstand. Er hat nicht jedes Bild ganz aus einem
neuen Stock geschnitten, sondern nur vier verschiedene Rahmen mit den Halb-
figuren der Propheten hergestellt. Er brauchte dann nur die drei Darstellungen jedes
Blattes auf kleineren Blöcken zu schneiden und diese in die leeren Stellen in den
Abdrücken der Rahmen einzudrucken. Die erste Umrahmung ist für zwölf Bilder
verwendet, die zweite für drei, die dritte für zehn und die vierte für neun.
Nach Schreibers Ansicht ist die Heidelberger Biblia pauperum mit ihren
34Tafeln vollständig, weil alte Handschriften ebenfalls nur diese 34Darstellungen ent-
halten, deren Kreis erst später in den niederländischen Ausgaben des Werkes auf
40 und sogar auf 50 Tafeln erweitert worden sei. Bei der Zusammenstellung der
Blätter des Heidelberger Codex sind die Tafeln 11 und 13 vertauscht und Tafel 18 aus
Versehen vor Tafel 16 gestellt worden. In unserer Publikation ist die richtige Auf-
einanderfolge der Tafeln wieder hergestellt werden. Von der Kolorierung können
die vier den einfarbigen Lichtdrucken angefügten Abbildungen der Tafeln 3, 13, 16
und 19 in Farbenlichtdruck eine Vorstellung geben. Das Papier zeigt als Wasser-
zeichen: Ein Dreieck im Kreise, darüber ein Kreuz auf einer Stange. Ein Kreuz auf
Untersatz.
Die Direktion der grossh. Universitäts-Bibliothek zu Heidelberg hat durch die
gütige Uebersendung des kostbaren Bandes die orthochromatische Ausführung
der Lichtdrucke wesentlich erleichtert und die treue Nachbildung der Farben des
Originales ermöglicht.

3) S. Kristeller. Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten. Berlin 1905. p. 25 ff.
 
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