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welchem die künstlerischen Erzeugnisse betrachtet werden
müssen. Der Ursprung der Gestaltungseinheit ist Stileinheit.
Bezeichnet man die Idee der Kunstgestaltung als Stil, so ist
in der Kunstentwicklung wirkender Stil als ein System von
künstlerischen Gestaltungsaufgaben zu verstehen. Das
System von Aufgaben ist also durch den einheitlichen Ge-
staltungscharakter fundiert, weil zugleich von der Kunstidee
bedingt. Der Begriff des Gestaltungscharakters zieht, wie
wir sehen, den Korrelatbegriff des Systems der Gestaltungs-
aufgaben nach sich. Daß also eine Bestimmung des Stil-
ursprunges aus dem Volksgefühl als ganz verfehlt anzusehen
ist, bedarf nach dem Gesagten kaum der Erwähnung. Aber
selbst die Cohnsche Definition des Stiles „als die Summe von
Gestaltungsprinzipien“1) ist unbegründet, weil eine „Summe“
keine oberste Einheit ergibt, was doch der Stil als Idee der
Kunstgestaltung notwendig bedeuten muß. Alle Kunst ist
Stilkunst, und als Gestaltungsprodukt gründet sie sich eben
im Gestaltungscharakter und vollzieht sich im Systeme, der
Gestaltungsidee — im Stile.
Nunmehr kann eine Definition der Kunst versucht werden,2)
sie liegt bereits in dem Ausgeführten latent enthalten: Kunst
ist stilprinzipielle Gestaltung des Gegenstandes. Die
Betonung fällt hier auf das stilprinzipielle, dadurch soll
zugleich der Unterschied vom gestaltungsgesetzlichen markiert
werden, denn das bloß Gesetzliche eines Gestaltungsobjektes
macht noch nicht die Wesenheit des Kunstgegenstandes aus,
dieses ist vielmehr nur die notwendige Basis. Das Wesen
eines GestaltungsWerkes als das der schönen Kunst kommt
erst durch das Prinzip, von welchem die Gestaltung inspiriert
und dessen Wirkung im Ausdrucke desselben objektiviert ist,
zur identischen Bestimmung. Denn die Kunst eines Mantegna
— Tizian odei’ Beethoven — Wagner unterscheidet sich nicht
’) J. Cohn: Allgemeine Ästhetik, S. 122.
2) Der berüchtigte Zolaaphorismus: die Kunst sei ein Stück Leben,
gesehen durch ein Temperament, besagt selbstverständlich gar nichts.
Aber die berühmte Formel Kants der „Schönen Kunst“ als der des Genies
besagt gleichfalls nicht viel mehr, da man den Grundbegriff der Kunst
ebensowenig durch das Genie definieren kann, wie etwa die Wissenschaft-
lichkeit der mathematischen Physik durch das Genie Newtons.
welchem die künstlerischen Erzeugnisse betrachtet werden
müssen. Der Ursprung der Gestaltungseinheit ist Stileinheit.
Bezeichnet man die Idee der Kunstgestaltung als Stil, so ist
in der Kunstentwicklung wirkender Stil als ein System von
künstlerischen Gestaltungsaufgaben zu verstehen. Das
System von Aufgaben ist also durch den einheitlichen Ge-
staltungscharakter fundiert, weil zugleich von der Kunstidee
bedingt. Der Begriff des Gestaltungscharakters zieht, wie
wir sehen, den Korrelatbegriff des Systems der Gestaltungs-
aufgaben nach sich. Daß also eine Bestimmung des Stil-
ursprunges aus dem Volksgefühl als ganz verfehlt anzusehen
ist, bedarf nach dem Gesagten kaum der Erwähnung. Aber
selbst die Cohnsche Definition des Stiles „als die Summe von
Gestaltungsprinzipien“1) ist unbegründet, weil eine „Summe“
keine oberste Einheit ergibt, was doch der Stil als Idee der
Kunstgestaltung notwendig bedeuten muß. Alle Kunst ist
Stilkunst, und als Gestaltungsprodukt gründet sie sich eben
im Gestaltungscharakter und vollzieht sich im Systeme, der
Gestaltungsidee — im Stile.
Nunmehr kann eine Definition der Kunst versucht werden,2)
sie liegt bereits in dem Ausgeführten latent enthalten: Kunst
ist stilprinzipielle Gestaltung des Gegenstandes. Die
Betonung fällt hier auf das stilprinzipielle, dadurch soll
zugleich der Unterschied vom gestaltungsgesetzlichen markiert
werden, denn das bloß Gesetzliche eines Gestaltungsobjektes
macht noch nicht die Wesenheit des Kunstgegenstandes aus,
dieses ist vielmehr nur die notwendige Basis. Das Wesen
eines GestaltungsWerkes als das der schönen Kunst kommt
erst durch das Prinzip, von welchem die Gestaltung inspiriert
und dessen Wirkung im Ausdrucke desselben objektiviert ist,
zur identischen Bestimmung. Denn die Kunst eines Mantegna
— Tizian odei’ Beethoven — Wagner unterscheidet sich nicht
’) J. Cohn: Allgemeine Ästhetik, S. 122.
2) Der berüchtigte Zolaaphorismus: die Kunst sei ein Stück Leben,
gesehen durch ein Temperament, besagt selbstverständlich gar nichts.
Aber die berühmte Formel Kants der „Schönen Kunst“ als der des Genies
besagt gleichfalls nicht viel mehr, da man den Grundbegriff der Kunst
ebensowenig durch das Genie definieren kann, wie etwa die Wissenschaft-
lichkeit der mathematischen Physik durch das Genie Newtons.