MAUREN UND CHRISTEN
9
spanischen Gelüste zu erwehren; dagegen drohen die letzteren in dem völlig
anarchisch gewordenen östlichen Nachbarland im 16. Jahrhundert die Gestalt
einer planmäßigen Eroberung anzunehmen, bis ihnen das abenteuerliche Genie
zweier Seeräuber, der Brüder Horuk und Kheireddin Barbarossa, die Rechnung
verdirbt durch die Gründung der Piratenrepublik Algier (1518). In der staats-
rechtlichen Form einer türkischen Regentschaft, aber im Grunde völlig unab-
hängig, hat sie drei Jahrhunderte lang durch die kühnen Raubzüge ihrer
Korsaren die Meere beunruhigt, und Tunis, dessen Bey seit 1574 in einem
ähnlichen Verhältnis zu Konstantinopel stand, wie der Agha oder Dey von
Algier, hatte an diesem heiligen Seekrieg der gefürchteten „Barbaresken"
seinen gehörigen Anteil.
Es wäre lehrreich, den einen oder anderen der hier kurz skizzierten
historischen Vorgänge näher zu verfolgen, und vom Standpunkte der euro-
päischen Kulturgeschichte dürfte es besonders interessieren, die Beziehungen
und Auseinandersetzungen zwischen Christentum und Islam auf spanischem
Boden genauer zu beleuchten, aber wir würden damit den Rahmen, der
unseren Betrachtungen gezogen ist, überschreiten und müssen uns daher
begnügen, mehr andeutend als ausführend auf einzelne Momente noch hin-
zuweisen.
Die religiöse Grundbedeutung des jahrhundertelangen Kampfes um die
Vormacht in Spanien steht außer Frage; aber die Formen, in denen die
Konflikte ausgetragen wurden, waren denn doch wesentlich gemildert durch
politische Rücksichten, vor denen die Sache des Glaubens in mehr als einem
Falle zurücktrat. Wir sehen nicht nur mohammedanische und katholische
Fürsten miteinander verbündet, wenn es gilt, die Macht eines gefährlichen
Glaubensgenossen zu brechen, sondern wir finden sie auch oft selbstlos sich
gegenseitig unterstützen, um Unruhen und Aufstände zu überwinden. Nicht
ohne Kopfschütteln wird der Leser vernehmen, daß in einer der Schlachten
um das Khalifat von Cordoba katalanische Streitkräfte im Jahre 1010 den
Ausschlag gaben und daß drei Bischöfe bei dieser Gelegenheit für den
„Herrscher der Gläubigen" ihr Leben ließen. Noch aus der letzten Phase
des gegenseitigen heiligen Krieges kann die Hilfeleistung, die zwei sonst so
erbitterte Gegner wie Peter der Grausame von Kastilien und Mohammed V.
von Granada einander gegen innere Feinde liehen, in demselben Sinne als
9
spanischen Gelüste zu erwehren; dagegen drohen die letzteren in dem völlig
anarchisch gewordenen östlichen Nachbarland im 16. Jahrhundert die Gestalt
einer planmäßigen Eroberung anzunehmen, bis ihnen das abenteuerliche Genie
zweier Seeräuber, der Brüder Horuk und Kheireddin Barbarossa, die Rechnung
verdirbt durch die Gründung der Piratenrepublik Algier (1518). In der staats-
rechtlichen Form einer türkischen Regentschaft, aber im Grunde völlig unab-
hängig, hat sie drei Jahrhunderte lang durch die kühnen Raubzüge ihrer
Korsaren die Meere beunruhigt, und Tunis, dessen Bey seit 1574 in einem
ähnlichen Verhältnis zu Konstantinopel stand, wie der Agha oder Dey von
Algier, hatte an diesem heiligen Seekrieg der gefürchteten „Barbaresken"
seinen gehörigen Anteil.
Es wäre lehrreich, den einen oder anderen der hier kurz skizzierten
historischen Vorgänge näher zu verfolgen, und vom Standpunkte der euro-
päischen Kulturgeschichte dürfte es besonders interessieren, die Beziehungen
und Auseinandersetzungen zwischen Christentum und Islam auf spanischem
Boden genauer zu beleuchten, aber wir würden damit den Rahmen, der
unseren Betrachtungen gezogen ist, überschreiten und müssen uns daher
begnügen, mehr andeutend als ausführend auf einzelne Momente noch hin-
zuweisen.
Die religiöse Grundbedeutung des jahrhundertelangen Kampfes um die
Vormacht in Spanien steht außer Frage; aber die Formen, in denen die
Konflikte ausgetragen wurden, waren denn doch wesentlich gemildert durch
politische Rücksichten, vor denen die Sache des Glaubens in mehr als einem
Falle zurücktrat. Wir sehen nicht nur mohammedanische und katholische
Fürsten miteinander verbündet, wenn es gilt, die Macht eines gefährlichen
Glaubensgenossen zu brechen, sondern wir finden sie auch oft selbstlos sich
gegenseitig unterstützen, um Unruhen und Aufstände zu überwinden. Nicht
ohne Kopfschütteln wird der Leser vernehmen, daß in einer der Schlachten
um das Khalifat von Cordoba katalanische Streitkräfte im Jahre 1010 den
Ausschlag gaben und daß drei Bischöfe bei dieser Gelegenheit für den
„Herrscher der Gläubigen" ihr Leben ließen. Noch aus der letzten Phase
des gegenseitigen heiligen Krieges kann die Hilfeleistung, die zwei sonst so
erbitterte Gegner wie Peter der Grausame von Kastilien und Mohammed V.
von Granada einander gegen innere Feinde liehen, in demselben Sinne als