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Künstle, Karl; Friedrich <I., Baden, Großherzog> [Honoree]
Die Kunst des Klosters Reichenau im IX. und X. Jahrhundert und der neuentdeckte karolingische Gemaeldezyklus zu Goldbach bei Ueberlingen: Festschrift zum 80. Geburtstage seiner koenigl. Hoheit d. Grossherzogs Friedrich von Baden — Freiburg i. Br. [u.a.], 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.7735#0059
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I[. Der neuentdecktc karolingische Gemäldezyklus.

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Träger im Vordergrund hat in Oberzell die Linke in die Seite gestemmt; eine
ganz verwandte Stellung hat er in Goldbach. Sein Partner schaut in Oberzell
auf den Jüngling zurück; während die rechte Hand vorfaßt, greift die linke
geöffnet zurück und hakt sich mit dem Daumen an der Stange fest. Diese
Haltung ist recht ungeschickt und unverständlich. Sollten wir es hier nicht mit
einer mißverstandenen Kopie der entsprechenden Figur in Goldbach zu tun
haben, wo der Träger auf den Herrn schaut und mit der Linken, an der der
Daumen weit absteht, auf den Jüngling deutet, um das Mitleid mit dem Toten
zu erregen ? Leider hat der Codex Egberti den Vorgang nicht illustriert, und
von der Miniatur im Epemacensis zu Gotha ist mir eine Abbildung nicht zugänglich.
Wichtig ist, daß eine Reichenauer Handschrift aus dem Ende des 10. Jahr-
hunderts, Cimelie 58 in der Münchener Staatsbibliothek, unsere Szene hat; und

Bild 22. Wandgemälde der St Georgskirche zu Reichenau : Auferweckung des Jünglings von Naim.

Vöge1 vergleicht sie mit dem Bild in Oberzell, wobei er in der Disposition
des Ganzen und in den ikonographischen Details eine so große Verwandtschaft
konstatiert, daß man annehmen muß, dem Miniator habe das Oberzeller Bild
vorgeschwebt. Nur verdient hervorgehoben zu werden, daß die Miniatur einen
modernen Zug einfügt; der Jüngling sitzt in einem kastenartigen Sarg.

Aus der karolingischen Kunst kennen wir für unser Wunder nur einen
Titulus in den Carmina Sangallensia2, und in den römischen Katakomben
wurde es nie dargestellt. Ob die Sarkophagskulpturen, die Garrucci aus dem
4. und 5. Jahrhundert zusammenstellt3, mit der Erzählung bei Lk 7, 1 i —15
identifiziert werden können, ist recht zweifelhaft. Zugegeben auch, daß einige
Skulpturen bei Garrucci die Erweckung des Jünglings von Naim illustrieren
wollen, so muß doch gesagt werden, daß zwischen diesen Bildern, die das

1 A. a. (). 75. 2 Schlosser 328.

3 Storia dell'arte cristiana IV Taf. 3194 352' 367 1 3764 379* 385° 4004; vgl. auch III 141 '.
 
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