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VI. Die hellenische Kunst.

besonders die Statuen athletischer Sieger angeführt werden. Es wird
bei diesen die feinere Durchbildung der körperlichen Form und der
harmonische Rythmus der Erscheinung gerühmt, somit, wie es scheint,
eine höhere Vollendung dessen bezeichnet, was z. B. in den äginetischen
Statuen angestrebt war.

Drei folgende gleichzeitige Meister, Myron aus Eleutherä, Pliidicis
von Athen und PolyMet aus Sikyon, deren jedem eine mehr oder
weniger grosse Zahl von Schülern und Nachfolgern sich anschliesst,
bilden die grossen Höhepunkte der hellenischen Kunst dieser Zeit.
.Sie waren in gemeinsamer Schule, der des Ageladas von Argos, ge-
bildet, ein Umstand, der allerdings eine freiere und reichere Ent-
wickelung, als in der Enge einer Lokalschule zu erreichen war, an-
kündigt. Gleichwohl sprechen sich in ihnen aufs Neue die Gegen-
sätze des Hellenismus aus, doch eben in freieren, mehr begeistigten
und bewussten Richtungen.

Myron, aus Eleutherä im Grenzlande zwischen Attika und Böo-
tien stammend, wird den Athenern zugezählt. Er war vorzugsweise
Erzbildner. Als Werke seiner Hand werden, neben einigen wenigen
Götterstatuen, besonders Heroengestalten, unter denen Herakles
mehrfach wiederkehrt, athletische Figuren und Thierbildungen auf-
geführt. Unter den athletischen Figuren sind einige, die wegen dev
so kühnen wie kunstvollen Darstellung höchst concentrirter Hand-
lung vorzugsweise gepriesen werden; so die Statue des Läufers Ladas,
der im Momente der äussersten und letzten Anspannung der Kräfte
gefasst war; so die Statue eines Diskuswerfers im Augenblicke
des Abschleuderns. Der Ruhm der letzteren erhellt zugleich aus
einer Anzahl von Nachbildungen, welche auf unsre Zeit gekommen
sind; die vorzüglichste im Pal. Massimi zu Rom. Von einer Gruppe
der Athene und des Marsyas, der die von der Göttin fortgeworfenen
Flöten aufhebt, ist uns in einer Marmornachbildung die energisch
lebensvolle Gestalt des Marsyas im Museum des Laterans erhalten.1
Nicht minder ausgezeichnet waren die Thierbildungen, namentlich
die Figur einer Kuh; die unvergleichliche Naturlebendigkeit der
letzteren hat zu einer Menge von preisenden Sinngedichten Anlass
gegeben. Die Entwickelung regsten Lebens, in den entschiedensten
Momenten seiner Bethätigung, giebt sich hiedurch als das Wesent-
liche in Myrons künstlerischer Richtung kund; mit reiflichstem Be-
dacht, mit schärfstem Eingehen auf die Gesetze des körperlichen
Organismus wusste er „die Wahrheit zu vervielfachen“. Doch blieb
er bei solchem Streben, welches den weiteren Entwickelungen der
Kunst eine feste Grundlage zu bereiten geignet war. den Zufällig-
keiten der realen Erscheinung, der Leidenschaft, dem Pathos des
Individuellen noch durchaus fern. Es vereinigte sich hiemit bei ihm
sogar noch eine charakteristische Strenge der Behandlung, beson-
ders in den Köpfen seiner Gestalten; das Haar soll an diesen selbst

Brunn in den Ann. d. Inst. 1858 und Mon. VI.
 
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