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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Schwindrazheim, Oskar: Führer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0043
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Führer.

tonangebendsten Champions einfach sklavisch Nach-
treten, daß es ganz einerlei ist, ob's ein Stuhl oder
ein Inserat oder ein Schrank oder Gott weiß was
sonst ist, das sie zu „schaffen" Vorhaben - dieselbe
Linienkombination gicbt eine Armlehne oder eine
Umrahmungslinie oder eine senkrechte Stütze oder
einen Damenärmel! Fällt Einem nicht unwillkürlich
jener Dorfmaler ein, der ein Wirthshausschild malte
und, gefragt, was für ein Dich seine Striche vor-
stellen sollten, antwortete, er wisse es selbst noch nicht,
vielleicht einen Schwan, vielleicht auch 'ne Ente,
vielleicht auch 'neu Ochsen, er wolle 'inal sehen,
was draus würde — kommt's Einem manchmal
nicht so vor, als wäre diese oder jene moderne
Romposition auch so ähnlich entstanden?

Freiwilliges Fludribusthum! das von Runftideen
zehrt, die ein Anderer vorher schon an die Wand
gemalt, und zum Unterschied vom wirklichen Fludri-
bus kein Bedauern darob fühlt!

Als im vorigen Jahre in Hamburg die Garten-
bau-Ausstellung im Bau begriffen war und man j
statt der früheren Renaissance- u. a. Ornamente
Pflanzenornamente anbringen sah, die ihre Herkunft
aus dem »stuckic»« und anderen „modernem" und
„modernstem" Stile gewidmeten Vorbildern nicht ver-
bargen, meinte Jemand mir gegenüber, daß das
ein bedeutender Fortschritt sei! Und wic's diesem
Einzelnen ging, „geht's Manchem iin deutschen
Land", sie sehen nicht, daß die eigentlichen Grund-
fehler noch vorhanden sind, daß sie heut nur in
anderem Gewände erscheinen.

Ob wir einem alten Meister abgucken, „wie er
sich räuspert und wie er spuckt", oder einem modernen,
ist moralisch eins so viel werth wie das Andere,
beide Male verschwindet das eigene Selbst unter
einen: äußerlichen fremden Firniß, einer neuen
Manier.

Gerade das Barockste, das Uebertriebene ist
das, was kopirt wird! Gerade wie man beim
Studiren der alten Stilarten nicht auf den Grund
zurückging, sondern mit der Renntniß der äußerlichen
Formensprache genug gethan zu haben glaubte —
wodurch man selbstverständlich zum bservorziehcn
des Barocksten kain —, gerade so sieht man nicht
auf das, was Tieferes in den Arbeiten wirklich
bahnschaffender heutiger Rünstler liegt, sondern nur
auf das, was in ihnen äußerlich auffällt, auf die
Mache, die Manier.

Das ist keine Reforin des Runstgewerbes, wie
unsere Zeit sie ersehnt hat, das ist nur ein Mode-
wechsel, und es drängt sich unwillkürlich die Be-
fürchtung auf, daß es mit dem heut Modernen fo
gehen möge wie mit einem sensationellen modernen

3-*. Möbel von B. wenig, Berchtesgaden.

Theaterstück: Nach kurzer Zeit spricht kein Mensch
mehr davon!

Und das wäre schade, denn in den: Neuen
stecken die Reime zu einem dauerhaften Aufbau
eines wahrhaft unserer Zeit entsprechenden Runst
gewerbes, die bei naturgemäßer Behandlung ein
vortreffliches, fruchtbringendes Gewächs Hervor-
bringen könnten, die aber, künstlich emporgetrieben,

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