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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Zimmermann, Ernst: Das Kunstgewerbe auf der "Deutschen Kunstausstellung" zu Dresden, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0341
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Das Runstgewerbe auf der Deutschen Aunstausstellung zu Dresden.

des praktischen. Seine Vasen, gefüllt, müssen Um-
fallen. Ursprünglich ließen sie ja sogar Wasser
durch. An den Erzeugnissen der übrigen wird aber
der wirklich künstlerisch Gebildete, der nicht über
alles nur irgendwie Neue gleich aus dem Häuschen
geräth, nicht allzuviel dauernde Freude haben. Aein
Zweifel, daß es sich hier, gegenüber dem, was vorher-
ging, um einen großen Fortschritt handelt, der nicht
freudig genug zu begrüßen ist, kein Zweifel aber
auch, daß diese Erzeugnisse sich noch nicht als
die Zeugnisse einer hohen Aultur darstellen. Es
ist alles so roh, so unbehilflich und alles dies mit
solcher Absichtlichkeit. Die
Aeußerlichkeit wird zur Haupt-
sache, nicht die wahre Noth
zur Tugend, sondern eine er-
heuchelte. Auch hier dürften
wir, wenn wir von den Bauern
unsere Grundlage nehmen,
statt am Anfang am Ende
anfangen und unrettbar in
eine Sackgasse laufen, durch
die wir nicht weiter gelangen.

Warum bei diesen Be-
strebungen überhaupt immer
Fayence und nichts als dies?

Warum das unbehilfliche,
formal plumpe Produkt dem
feineren, dankbareren, dem
Porzellan, für das die Fayence bisher
immer nur ein Nothbehelf war, vor-
ziehen? Hat Böttger ganz umsonst mit
heißem Bemühen das Porzellan erfunden?

Das Porzellan vor der Fayence zurück-
stellen, heißt die keramische Geschichte des
f8. Jahrhunderts für nichtig erklären.

Damals jauchzte alle Welt, als dieses
wundervolle Produkt auch bei uns er-
funden wurde und blickte mit Neid auf
Dresden, wo diese große That geschehen
war. Die Fayencefabriken gingen ein,
und nur das neu erfundene Steingut, iinmer der Affe
des Porzellans, konnte, wie jedes Surrogat in unserer
Zeit, sich zu dauernder Geltung durchringen. Sein
Geburtsland war bezeichnender Weise England, in
dem es schon vor dem ffl. Jahrhundert Menschen des
l9- Zahrh. gab. Seine That war die Verdrängung
des Zinns, weshalb es, dreimal gesegnet, von allen
zum putzen verurtheilten Hausgeistern, als eine wahre
Wohlthat begrüßt wurde. Doch auch dies will man
uns ja jetzt wieder „mundgerecht" machen.

Es soll keineswegs geleugnet werden, daß die
Fayence ihre ganz besonderen, wenn auch nur rein

ästhetischen Vorzüge hat. Als reines Luxusprodukt
für unsere nach immer neuen Reizen lechzende,
blasirte Zeit darf sie sich daher wohl ihren be-
scheidenen Platz in unseren Wohnräumen sichern.
Aber die großen Aufgaben, die heute der gänzlich
heruntergekommenen Aeramik, wie überhaupt der
ganzen modernen Bewegung gestellt sind, bedeuten
mehr als das müssige Tändeln mit den Launen
des Ueberfluffes. Das Praktische steht überall als
erste Forderung auf den Fahnen geschrieben. Es
ist kein Wunder, daß die Spielerei mit der Fayence
bis jetzt keine anderen Resultate gezeitigt hat, als
die Schöpfung ungezählter
Blumenvasen und Blumen-
töpfe, gerade als ob wir das
blumenliebendste Volk der Welt
feien, dessen wir uns im Ver-
gleich zu den Japanern, Eng-
ländern und Holländern doch
wahrlich nicht rühmen können.
Wo bleibt die künstlerische
Ausgestaltung unseres Tisch-
geräthes, unserer Aaffeservice,
unserer Waschtischgarnituren
u. s. w.? Man gehe einmal
in die keramischen Abtheilungen
unserer 'Kunstgewerbemuseen
und sehe, was für einen
Prozentsatz unter den dort
ausgestellten keramischen Produkten früherer
Zeiten die Blumenvase ausmacht. Nur
in der Delfter Fayence der ob ihrer
Blumenliebe schon dainals berühmten
Holländer und bei den Orientalen ist sie
überhaupt ein in die Augen fallender
Bestandtheil.

Anzeichen, daß es in dieser Beziehung
besser wird, sind erfreulicher Weise seit
dem letzten Jahre vorhanden. Roßbach
in München ward zuin Urheber eines
Kaffeeservice, dessen etwas steife korrekte
Ornamentik jedoch noch nicht recht zur unbestimmten
Erscheinung eines keramischen Produktes paffen will.
Schmutz-Baudiß in München, Schlicht und Aleinhempel
in Dresden versuchen sich wenigstens in Porzellan,
wenn sie es auch wieder fast nur zu den obligaten
Vasen bringen. Erfreulich ist, daß bei diesen Versuchen
Kopenhagen trotz seines erdrückenden Erfolges nicht
Gevatter gestanden hat. Schmutz-Baudiß' Vasen
sind kleine flache oder schlanke Gebilde, deren leicht
reliefirte breite Blätter und Blüthen mit zarten
grünen und violetten Farben gedeckt sind. Die
Wirkung ist reizvoll, der Preis im Vergleich zu

^7(. Handspiegel
von £. v. Hoffmann,
Berlin.

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