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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Zimmermann, Ernst: Das Kunstgewerbe auf der "Deutschen Kunstausstellung" zu Dresden, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0344
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Das Kunstgewerbe auf der Deutschen Kunstausstellung zu Dresden.

jedoch, trotzdem hier alles nach einer Verbesserung
schreit, noch Niemand gewagt.

Lamm ert in München hat mehrere etwas
massive Standleuchter in Eisen und Messing aus-
gestellt, die an Eckmann'sche Schöpfungen anklingen
(Abb. 4(79), Prof. Weiße in Dresden eine kfänge-
lampe, einen Tisch, ein Schirmgestell (Abb. 4(78) und
einen hohen Ständer für Blumen u. dgl., dazu eine
höchst unglückliche Standuhr. Zierlicher sind Ri einer-
schmid's Leuchter. Beleuchtungskronen lieferten
Wenig (Berchtesgaden), Berlepsch (München),
Seifert in Mügeln und pan kok, letzterer wieder,
seiner ganzen Schaffensweise entsprechend, mit eitlem
ungeheueren Aufwand von Formen und Material
für ein Paar winzige Glühlainpen. Die technische
Behandlung des Materials ist hier in der Regel
sehr verständig — Schmiedeeisen und Leder waren
ja die ersten Stoffe,'denen in unserer Zeit wieder
eine gesunde technische Behandlung zu Theil wurde
— in die Formenbehandlung spielt oft der Natura-
lismus hinein, den Eckmann auf diesent Gebiet an-
gegeben hat. Etwas zu viel Gebrauch macht ntan
von dem spitzen Messingblech als füllende Zu-
that, das weder sehr solide aussieht, noch sich als
solches erweisen wird. Ein Reinigen desselben ist
überhaupt kaum denkbar.

Im Uebrigen sei nur noch ein Wort von der
textilen Aunst, der Nadelarbeit, gesagt, deren künst-
lerische Ausgestaltung mehr und mehr den fleißigen,
aber niemals sehr selbständigen Frauenhänden ent-
zogeit wird, unt, wie es früher bei wirklich künst-
lerischen Leistungen fast Regel war, männlicher
Schaffensvollkraft anheimzufallen. Der Berliner
Maler L e i st i k 0 w hat hier einen nach Scherrebecker
Art gewebten Wandteppich, See bei Mondschein be-
titelt, eingesandt, der trotz der bei ihm immer auf-
dringlichen Stilisirung durch die düstere Farben-
harnronie sehr stimmungsvoll wirkt (Abb. 4(80).
Aleinhempel lieferte einen hübschen stilisirten
Tischläufer und einen Wandteppich mit rother
Weinlaubwand, beide in Applikationsstickerei. Die
hervorragendsten Leistungen auf diesen: Gebiete dürfte
jedoch prof. Gußmann aufzuweiscn haben. Sein
Wandteppich, eine laut klagend durch den perbstwald
schreitende Gestalt zeigend, ist in den drei Farben
braun, blau, roth von stimmungsvollster Wirkung.
Geschickt ist der Ausgang der Baumstämme in ein
Rundbogenmotiv. Man wird an die Legende der
Romantiker von dem Entstehen der Gothik erinnert
(Abb. 4(64(). Einfach aber sehr feinfühlig sind die
blauen portieren mit gelbbraunem fallendem bserbst-
laub. Zn beiden Fällen handelt es sich gleichfalls
um Applikationsstickerei, die eben für eine etwas

Kamin von 11t. Länger, Karlsruhe.

höher strebende Aunst eine äußerst dankbare Technik
ist. Unter den weiblichen Arbeiten seien die Rücken-
kissen Frau hsottenrot's in Chemnitz in mannig
faltigen Stichen und die wie Glasfenster wirkenden
Fenstervorsätze aus mosaikartig zusammengesetzten
Seidenstoffen von Frl. Guasch in Charlottenburg
erwähnt, die geschickt den Charakter des Rahmens
bewahren und erfreuliche farbige Wirkungen er-
zielen (Abb. 4(8 (). Auf diesem hierdurch für die
moderne Aunst neu gewonnenen Gebiet könnte manche
Dilettantin etwas Nützliches und zugleich Schönes zu
Stande bringen.

* *

*

Und nun die Summe des Ganzen? Sie mag
zur freudigen Hoffnung stimmen, daß wir nun bald
eine gesunde, normale Aunst der Dekoration wieder
besitzen werden, die Herz und Auge erfreuen kann,
daß wir in absehbarer Zeit in den täglichen Lebens-
gewohnheiten in einer Welt von Aunst uns wieder
bewegen können, die für alle Verwöhnten vergangener
Jahrhunderte eine Selbstverständlichkeit war, auf die
nur das unsrige aus freien Stücken verzichtet hat.
Die moderne, dekorative Bewegung ist aus schüchternen
Anfängen zu einer großen geworden. Mehrere Städte
haben dieselbe ausgenommen und überall sind Aräfte
thätig, deren Begabung die Gewähr einer befrie-

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