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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Roessler, Arthur: Otto Obermeier
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https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0029
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Btto Gbermeier.

4( ii. 42. Skizzen; von Btto Bbermeier, München.

mehrfarbige Drucktechnik bestimmten zeichnerischen
Entwürfen. Lehr hübsch ist auch die Musterung
seiner Vorsatzpapier«;. Lie zeigt eine geschickte Ver-
wertung des Quadrates in verschiedener Anordnung
verbunden mit froschzungenförmigen Ornamenten,
Wellenlinien und Punkten. Von den beiden in
diesem pefte reproduzierten Beispielen dieser Art ist
das eine in Karamellbraun mit Lapisblau und Grau-
grün, das andere in Andamblau und Perlgrau ge-
halten.

Der bunte Inhalt von Großvaters perlgestickter
Brieftasche bot Obermeier manche Anregung zu
einer Neugestaltung einst im gewöhnlichen Gebrauch
gewesener Erzeugnisse des Kunstgewerbes. Denn die
unter Biedermeier „hochentwickelte persönliche Kultur
hob auch das graphische Kunstgewerbe auf ein an-
sehnliches Niveau. An den einfachen Besuchskarten
mag man das erkennen. Es genügte dem Geschmack
der Biedermeierzeit nicht, daß die Besuchskarten bloß
den Namen trugen. Eine zierliche Zeichnung mußte

dabei sein, die etwas von
der Persönlichkeit, von
ihrem Wesen, ihrem Be-
rufe aussagte. 5ie be-
kamen solcherart den Cha-
rakter von Exlibris. Wer
eine solche Visitenkarte
empfing, hatte ein In-
teresse daran, sie aufzu-
bewahren. Man hielt mit
der Karte unwillkürlich
die Person in Ehren oder
mindestens in Erinnerung.
Es kam von der Gesellig-
keit her und von der ver-
bindlichen Lebensart, die
sich als Legende aus jenen
Tagen herschreibt. Erst
als der Verkehr unter den
Menschen kühler und ge-
schäftsmäßiger wurde, be-
gnügte man sich mit dem einfachen Namen auf der
Karte, die keinen Anspruch mehr erhob, aufbewahrt
zu werden." — Es ist sehr charakteristisch für die
aus Biedermeier gestimmte Art unseres Künstlers,
daß er aufs neue die verloren gewesene anmutige
Gewohnheit der geschmückten Namenskarte in Auf-
nahme zu bringen trachtet. Er schuf in seinen Ent-
würfen zu geschmückten Visitenkarten etwas sehr
Liebenswürdiges; sie sind zwar keine „redenden"
Karten, weisen keine Embleme auf, sondern begnügen
sich mit der diskreten Verwendung leicht gemaschter
Kränze, zierlicher Laubblättchen oder Blumengewinde,
Kreisen winziger Harbkringelchen oder frei stilisierter
Umrahmungen, die den Namen umschließen. Die
Originale der hier abgebildeten Visitenkarten von
Anna Bueß und Rosa Blau in ihrem Grün und
Altblau, dem spärlichen Rot und Gelb, wirken sehr
freundlich, wenn man sich solche Karten auch nicht
mehr gut im Gebrauch der Allgemeinheit und be-
sonders im Verkehr der Männer denken kann.

Ich verstehe es nicht recht, warum es Ober-
meier unterließ, sich bei seinen Entwürfen für Ge-
( schirr und Möbel, insbesondere für Möbel, von
| Biedermeier anregen zu lassen, denn gerade in bezug
aus die Gestaltung von Möbeln und Ltubengerät-
formen erscheint mir Biedermeiers kunstgewerbliche
Hinterlassenschaft am entwicklungsgesetzmäßig fort-
bildungsfähigsten. Da wäre vor allem an die Tra-
dition anzuknüpsen. Dies wurde von Lichtwarck
als einem der ersten erkannt, der sagte: in Wirklich-
keit sind das Empire und sein Ausklang, die stille
Biedermeierzeit, die eigentliche Keimperiode des

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