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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 74.1924

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Wettbewerbe und Ausstellungen in textilem Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.8625#0051
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EUGEN MAyER-FASSOLD

Relief „Bergsteiger'

EUGEN MAyER-FASSOLD

Relief „Musik"

WETTBEWERBE UND AUSSTELLUNGEN IN TEX-
TILEM KUNSTHANDWERK.

Die Herstellung textiler Erzeugnisse im weiteren
Sinne ist wesentlich weiter verbreitet als dies bei allen
anderen Produktionszweigen der Fall ist,
jedes weibliche Wesen unserer Kulturstufe
beherrscht irgend eine textileTechnik mehr
oder weniger. Wenn also schon andere
kunsthandwerkliche Fachgebiete den An-
drang Unberufener beklagen, so .wächst
dieser Mißstand beim textilen Kunsthand-
werk ins Ungemessene. Es ist menschlich
zu verstehen, wenn Damen, die früher dem
Erwerbsleben ferne standen, einmal dazu
gezwungen, sich lieber mit feineren Hand-
arbeiten befassen als mit anderen Ver»
dienstmöglichkeiten, auch die Möglichkeit
zu Hause zu beliebigen Zeiten arbeiten zu
können, führt dem textilen Kunsthandwerk
ein Heer von Mitläufern zu.

So kann wohl gesagt werden, daß in
keinem Zweig des Kunsthandwerkes die
Halbgelernten, das künstlerischeProletariat
einen solchen Umfang angenommen haben
wie im textilen.

Die mangelnde Selbstkritik, die den An-
fänger auf allen Gebieten plagt, richtet ge-
rade in der Kunst deshalb besondere Ver-
heerungen an und führt soviele Talente in
die Irre, weil hier die Probe auf's Exempel

fehlt. Der Begriff des Schönen, des Vollendeten ist für
den Laien zu verschwommen als daß durch Anlegung
dieses Maßstabes die Selbstüberschätzung
abgeschwächt werden könnte. Für die mei-
sten ist der geglüdite Verkauf die Quittung
für allseitige Anerkennung, die Bestätigung,
daß etwas Großartiges geleistet worden sei.
Der Kundige weiß natürlich, daß damit für
den künstlerischen Wert noch nichts gesagt
ist, man müßte sich erst den Käufer einmal
kritisch betrachten.

Zweifellos wird durch alle diese Käufe
auf die künstlerische Erziehung des Erzeu-
gers meistens ein schädlicher Einfluß aus-
geübt, das ist nicht zu hindern, denn jeder
kann kaufen was er mag, es muß ja nur
ihm gefallen. Der Künstler könnte sich
seinerseits aber nur durch eine strenge
Selbstkritik oder durch Aufsuchen sachver^
ständiger Beurteilung schützen. In wie weit
er das tut, hängt von dem Ernst ab, mit
dem er arbeitet und ist jedermanns eigenste
Angelegenheit.

Besonders schädigend wirken aber die
neuerdings von industrieller Seite — meist
wohl zu Reklamezwecken — veranstaU
tetenWettbewerbe für textiles Kunsthand-
werk, die sich auf Grund der geschilderten

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