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Kuhn, Alfred
Anselm Feuerbach — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 25:, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.73673#0008
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Reiche der Klassizität jenes Asyl, das ihm im nach-
goethischen Deutschland versagt war.
Heiß und Kalt mischen sich in seiner Kunst; die
kühle Verstandesklarheit des rationalistischen Bür-
gertums, das vor nicht allzu langer Zeit zur Herr-
schaft gelangt war und gerade in der ersten Hälfte
des neunzehnten Jahrhunderts in der Person künst-
lerischer Gelehrter und gelehrter Künstler eine
Führerrolle zu spielen begann, und die Heißblütig-
keit, Fragwürdigkeit des artistischen Temperamen-
tes. Eben diese Mischung schlechterdings unver-
träglicher Elemente gibt den Produkten Feuer-
bachs ihre Spannung und erzeugte in ihrem
Schöpfer eine seelische Zerrissenheit und eine bis
ins Beispielhafte gesteigerte individuelle Isoliert-
heit. In einem Hause höchster geistiger Kultur
aufgewachsen, Aristokrat in seinen Neigungen, doch
aber nicht mit der liebenswürdigen Selbstverständ-
lichkeit des „Geborenen", sondern sehr wohl wis-
send um*die eigene, sich von der harmlosen Bürger-
lichkeit der anderen Professorenfamilien unter-
scheidende Sonderrichtung, edel von Bau und
Gesichtsschnitt, mit dem Kopfe eines Apoll und
den langfingerigen weißen Händen eines spanischen
Granden, aber wiederum bewußt, allzu bewußt,
ohne die heitere Naivität antiken Menschentums,
voller Ansprüche an das materielle Leben, an ein
Niveau der Existenz, das eigentlich nur mit dem
eines Tizian, Raffael oder van Dyck verglichen
werden könnte, dabei tatsächlich von Hause aus

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