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Die Kunde — N.F.2.1951

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Zylmann, Peter: Ein ungeschichtlicher Nachweis zum altfriesischen Strafrecht
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https://doi.org/10.11588/diglit.70410#0036

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erlaubt sein mag, in ihrer geographischen Verbreitung einen Hinweis
auf den Bereich des Ingväonenverbandes zu sehen.
Die Beschränkung der Moorleichenfunde auf die der Nordseeküste
vorgelagerten Randgebiete ist nicht durch eine Zufälligkeit der Funde
oder durch ein etwaiges beschränktes Vorkommen von Moorgebieten
zu erklären. In Mittel- und Nordeuropa gibt es auch weiterhin aus-
gedehnte Moore, hätte dort der Brauch der Menschenversenkung ge-
herrscht, dann hätten bei den überall verbreiteten Kultivierungsarbeiten
auch solche Funde zum Vorschein kommen müssen.
Bei dem Einzelfall, der den Ausgangspunkt dieser Betrachtung bildet,
handelt es sich um einen Moorleichenfund, der bereits 1817 im Moor
von Marx-Etzel im nordöstlichen Ostfriesland gehoben wurde. Der
Finder, ein Tagelöhner, vergrub die Leiche sofort wieder und machte
der Behörde Meldung. Das Gericht in Aurich, das vielleicht ein neu-
zeitliches Verbrechen vermutete, ließ die Leiche wieder ausgraben.
Durch den Medizinalrat Toel wurden die Fundumstände festgestellt
und die Fundstücke gerettet. Sie befinden sich jetzt im Landesfnuseum
zu Hannover; es sind ein ärmelloses Rumpfkleid, eine Kniehose, Reste
eines weiteren Kleidungsstückes, ein rechter Schuh. Die Leiche zerfiel
sehr schnell. Nach dem Bericht der Auricher Zeitung von 1817, Nr. 100,
war der Körper mit starken eichenen Pfählen niedergehalten. Friedrich
Arends, ein zuverlässiger ostfriesischer Schriftsteller, der sich an Ort
und Stelle um die näheren Fundumstände kümmerte, berichtet8), daß
zwei Pfähle kreuzweise über dem Körper lagen, die an beiden Enden
in die Erde gesteckt zu sein schienen, dem Ansehen nach aus Birken-
holz. Doch bemerkt er in einer Fußnote, daß der erste Entdecker des
Fundes ihm gegenüber die Zahl der Pfähle auf vier angegeben hätte.
Ob es nun zwei oder vier Pfähle gewesen sind, an einer gewaltsamen
Versenkung eines Menschen im Moor ist nicht zu zweifeln. Es wird aus
einem strafrechtlichen Grunde geschehen sein, wie wir ihn von Tacitus
bis in das neuzeitliche ostfriesische Landrecht hinein verfolgen können.
Zum Vergleich sei hier noch ein weiterer Moorfund erwähnt, der
südlich von Ostfriesland, im emsländischen Moorgebiet bei
Neu-Verssen, Kr. Meppen, um 1900 aufgedeckt wurde. Die männ-
liche Leiche war vollkommen nackt (ein Jahr später wurde vier Meter
von der Leiche entfernt ein Tuch in der Größe einer Pferdedecke ge-
funden) und lag in nach rechts gekrümmter Stellung auf dem Rücken.
Die Nasenwurzel schien zertrümmert zu sein, die linke Ober- und die
Unterlippe fehlten. Alle Merkmale deuten auf eine gewaltsame Ver-
senkung eines Lebenden hin, wenn zwar auch ein absolut sicherer Be-
weis dafür nicht zu erbringen ist. Das Fundgebiet hat nie zu dem Raum
des ostfriesischen Stammes und seines Rechts gehört, beide Funde ge-
8) Arends, Friedrich: Erdbeschreibung des Fürstenthums Ostfriesland und
des Harlingerlandes. Emden 1824, S. 161 ff.

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