Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunde — N.F.2.1951

DOI Artikel:
Dieck, Alfred: Tacitus Germania 12 und die männlichen Moorleichen
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.70410#0052

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Tacitus Germania 12 und die männlichen Moorleidien.
Von Dr. Alfred Dieck (Göttingen).
Schon seit nahezu drei Generationen und zuletzt erst wieder durch
P. Zylmann1 wird angenommen, daß die (männlichen) Moorleichen Be-
lege für Tacitus Germania 12 seien. P. Zylmann schreibt: „Unter den
Moorleichen werden auch solche sein, die auf einen Unglücksfall oder
ein Verbrechen zurückgehen, doch dürften das Ausnahmen sein ... Als
Todesursachen werden in erster Linie sakrale Opferungen und Hin-
richtungen in Frage kommen." Ob diese Annahme in den Funden ihre
Bestätigung findet, mag im folgenden näher untersucht werden:
Verfasser2 rollte seit nunmehr fast zwanzig Jahren die Frage der
Moorleichen neu auf und erfaßte zu den bisher bekannten und zu-
sammenfassend behandelten 56 Moorleichen über hundert weitere.
Durch die große Zahl von 159 Moorleichen verschob sich das alte Bild
völlig:
Es stimmte zwar, daß in der Fachwissenschaft mit Recht von einem
Moorleichengebiet gesprochen wurde, das sich von den Niederlanden
über Nord-West-Deutschland bis zur Nordspitze Dänemarks erstreckt;
es zeigte sich aber auch, daß hierzu eine Anzahl Funde in Irland,
Norwegen, Schweden, Schottland, Mitteldeutschland, Ostdeutschland
(Ostpreußen) und Süddeutschland treten und einzelne weitere über
ganz Mittel- und Osteuropa verstreut zu finden sind.
Hinzu kommt noch als zweite neue Erkenntnis, daß diese Moor-
leichen sich auf die Zeit vom Neolithikum (etwa 3000 a. Chr.) bis zum
Jahr 1883 p. Chr. (!) verteilen.
Und als drittes Neues ließ sich zeigen, daß eindeutige Unglücksfälle,
Bestattungen von Erwachsenen bzw. Kleinkindern, Mordverbrechen und
Kampftötungen nachzuweisen sind.
Trotz allem befinden sich aber unter den 159 erfaßten Moorleichen
einige, die mit vollem Recht als Belege für Tacitus Germania 12 in
Anspruch genommen werden dürfen.
Tacitus schreibt:
„distinctio poenarum ex delicto:
proditores et transfugas
arboribus suspendunt;
1 Zylmann: „Ein urgeschichtlicher Nachweis zum altfriesischen Straf-
recht" Kunde N. F. 2 (1951) H. 2/3 S. 28—35.
2 Als Notveröffentlichung während des Krieges: Forschungen und Fort-
schritte 17 (1941) Nr. 21/22 S. 248. Die dort angekündigte Arbeit wurde wie so
manches durch Kriegseinwirkung vernichtet. Da ich jedoch das sehr umfang-
reiche Material — u. a. die wörtlichen Aktenabschriften von über 150 Moor-
leichen — retten konnte, gedenke ich, im nächsten Jahr das Material erneut
zu einer Monographie etwa unter dem Titel: „Die Moorleichen, ihr Vor-
kommen und ihre Bedeutung" zu verarbeiten.

48
 
Annotationen