südskandinavischen Trichterbecherkultur abweichenden Elemente, die wir
heute als donauländischen, speziell Rössener Ursprungs erkannt haben, mehr-
fach auch eine autochthone Entstehung behauptet worden. Insbesondere ver-
trat H. Schroller eine Konzeption, welche der unsrigen, die wir nachstehend
erläutern wollen, sehr nahekommt 25. Nach ihm handelt es sich bei der Tief-
stichkeramik um eine in Mitteldeutschland bodenständige Gruppe, aus der
die nordwestdeutsch-niederländische Megalithkeramik und die mitteldeutsche
Walternienburger Kultur als Weiterentwicklungen hervorgegangen sind.
Diese Anfang der dreißiger Jahre entsprechend der damaligen Forschungs-
situation und dem damaligen Aspekt entwickelte Theorie glaube ich heute,
anders begründet, stützen zu können.
Meine Überlegungen gehen einmal von der jetzt auch in Deutschland all-
gemein anerkannten Feststellung der dänischen Forschung aus, daß die süd-
skandinavische Trichterbecherkultur fremder — vermutlich südosteuropäischer
— Herkunft ist 26. Auf der anderen Seite verdient G. Mildenberger Beachtung,
der für die hauptsächlichsten Gefäßformen der ältesten mitteldeutschen Trich-
terbecherkultur, der Baalberger Gruppe, wie Trichterrandgefäße, zwei- und
vierhenklige Amphoren sowie Henkelkannen, auf Vorbilder in der mährisch-
ungarischen Lengyel-Kultur hingewiesen hat 27. Diese „deutliche Verwandt-
schaft" ist nach Mildenberger so zu bewerten, „daß die donauländische Kultur
eine der Wurzeln der Trichterbecherkultur ist".
Unter Berücksichtigung der vorstehend skizzierten Auffassungen von der
Bedeutung der Rössener Kultur für die Tiefstichkeramik und von der Ent-
stehung der Trichterbecherkultur möchte ich nun folgende Konzeption bezüg-
lich der Herausbildung der Tiefstichkeramik zur Diskussion stellen: Die von
Südosten, d. h. Böhmen-Mähren, kommende älteste Trichterbecherkeramik, die
Baalberger Gruppe, trifft in Mitteldeutschland auf die dortige Rössener Kultur
mit ihren Lengyel-Einsprenglingen, der sog. Gaterslebener Gruppe. Während
die Rössener Keramik im engeren Saalegebiet anscheinend völlig absorbiert
wird, erwächst aus einer Vermischung der Baalberger Gruppe mit dem Rössen-
Lengyel-Komplex im nördlichen Mitteldeutschland und im östlichen Nieder-
sachsen die Tiefstichkeramik mit einer primären Ausbreitungstendenz nach
Westen 28. — Um Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich nachdrücklichst
betonen, daß sich die vorstehend entwickelte Konzeption zunächst auf die
Tonware bezieht und nicht von vornherein mit einer entsprechenden ethni-
schen Dynamik identifiziert werden möchte.
Wie es nun einmal ist, wenn man Schlußfolgerungen aus einem nur
bedingt aussagefähigen Quellenmaterial wie dem archäologischen zieht, wird
sich auch die neue Konzeption über die Herausbildung der mitteldeutsch-
nordwestdeutschen Tiefstichkeramik mit Widersprüchen auseinanderzusetzen
haben. Von gewisser Bedeutung wird dabei die Frage sein, ob sich bei der
Tiefstichkeramik ein Zeithorizont herausschälen läßt, der mit der frühneolithi-
schen südskandinavischen Trichterbecherkultur parallelisiert werden kann29.
Des weiteren wäre es eine wichtige Aufgabe, Sprockhoffs Hinweis, daß sich
25 H. Schroller, Nachr. Nieders. Urgesch. Nr. 6, 1932, S. 41 f.
26 Vgl. die repräsentative Untersuchung von C. J. Becker, Aarb. 1947, dort S. 259.
27 G. Mildenberger, Studien zum mitteldeutschen Neolithikum, 1953, S. 82 ff.
28 An anderer Stelle habe ich mich darum bemüht, Zusammenhänge zwischen der
Rössener Kultur und der südskandinavischen Trichterbecherkultur aufzuzeigen; s.
Acta Archaeologica 30, 1959.
29 L. Lüüdik-Kaelas hat bereits einen ansprechenden Versuch in dieser Hinsicht
unternommen (Palaeohistoria IV, Groningen 1955, S. 47 ff.).
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heute als donauländischen, speziell Rössener Ursprungs erkannt haben, mehr-
fach auch eine autochthone Entstehung behauptet worden. Insbesondere ver-
trat H. Schroller eine Konzeption, welche der unsrigen, die wir nachstehend
erläutern wollen, sehr nahekommt 25. Nach ihm handelt es sich bei der Tief-
stichkeramik um eine in Mitteldeutschland bodenständige Gruppe, aus der
die nordwestdeutsch-niederländische Megalithkeramik und die mitteldeutsche
Walternienburger Kultur als Weiterentwicklungen hervorgegangen sind.
Diese Anfang der dreißiger Jahre entsprechend der damaligen Forschungs-
situation und dem damaligen Aspekt entwickelte Theorie glaube ich heute,
anders begründet, stützen zu können.
Meine Überlegungen gehen einmal von der jetzt auch in Deutschland all-
gemein anerkannten Feststellung der dänischen Forschung aus, daß die süd-
skandinavische Trichterbecherkultur fremder — vermutlich südosteuropäischer
— Herkunft ist 26. Auf der anderen Seite verdient G. Mildenberger Beachtung,
der für die hauptsächlichsten Gefäßformen der ältesten mitteldeutschen Trich-
terbecherkultur, der Baalberger Gruppe, wie Trichterrandgefäße, zwei- und
vierhenklige Amphoren sowie Henkelkannen, auf Vorbilder in der mährisch-
ungarischen Lengyel-Kultur hingewiesen hat 27. Diese „deutliche Verwandt-
schaft" ist nach Mildenberger so zu bewerten, „daß die donauländische Kultur
eine der Wurzeln der Trichterbecherkultur ist".
Unter Berücksichtigung der vorstehend skizzierten Auffassungen von der
Bedeutung der Rössener Kultur für die Tiefstichkeramik und von der Ent-
stehung der Trichterbecherkultur möchte ich nun folgende Konzeption bezüg-
lich der Herausbildung der Tiefstichkeramik zur Diskussion stellen: Die von
Südosten, d. h. Böhmen-Mähren, kommende älteste Trichterbecherkeramik, die
Baalberger Gruppe, trifft in Mitteldeutschland auf die dortige Rössener Kultur
mit ihren Lengyel-Einsprenglingen, der sog. Gaterslebener Gruppe. Während
die Rössener Keramik im engeren Saalegebiet anscheinend völlig absorbiert
wird, erwächst aus einer Vermischung der Baalberger Gruppe mit dem Rössen-
Lengyel-Komplex im nördlichen Mitteldeutschland und im östlichen Nieder-
sachsen die Tiefstichkeramik mit einer primären Ausbreitungstendenz nach
Westen 28. — Um Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich nachdrücklichst
betonen, daß sich die vorstehend entwickelte Konzeption zunächst auf die
Tonware bezieht und nicht von vornherein mit einer entsprechenden ethni-
schen Dynamik identifiziert werden möchte.
Wie es nun einmal ist, wenn man Schlußfolgerungen aus einem nur
bedingt aussagefähigen Quellenmaterial wie dem archäologischen zieht, wird
sich auch die neue Konzeption über die Herausbildung der mitteldeutsch-
nordwestdeutschen Tiefstichkeramik mit Widersprüchen auseinanderzusetzen
haben. Von gewisser Bedeutung wird dabei die Frage sein, ob sich bei der
Tiefstichkeramik ein Zeithorizont herausschälen läßt, der mit der frühneolithi-
schen südskandinavischen Trichterbecherkultur parallelisiert werden kann29.
Des weiteren wäre es eine wichtige Aufgabe, Sprockhoffs Hinweis, daß sich
25 H. Schroller, Nachr. Nieders. Urgesch. Nr. 6, 1932, S. 41 f.
26 Vgl. die repräsentative Untersuchung von C. J. Becker, Aarb. 1947, dort S. 259.
27 G. Mildenberger, Studien zum mitteldeutschen Neolithikum, 1953, S. 82 ff.
28 An anderer Stelle habe ich mich darum bemüht, Zusammenhänge zwischen der
Rössener Kultur und der südskandinavischen Trichterbecherkultur aufzuzeigen; s.
Acta Archaeologica 30, 1959.
29 L. Lüüdik-Kaelas hat bereits einen ansprechenden Versuch in dieser Hinsicht
unternommen (Palaeohistoria IV, Groningen 1955, S. 47 ff.).
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