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Die Kunde — N.F.10.1959

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Heft 1-2
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Scholand, Anton: Studienfahrt des Niedersächsischen Landesvereins vom 6.-27. Mai in die Bretagne
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https://doi.org/10.11588/diglit.71587#0186
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der Kammer mit symbolischen Zeichen (Dolch, Frauenbrüste) versehen.
Nicht weit davon entfernt sahen wir zwei weitere Grabkammern, eine Block-
kammer und eine „Galerie couverte". Einer der hohen Tragsteine der letzteren
war auf der Innenseite mit einer Darstellung von vier Frauenbrüsten
versehen. Einige Kilometer entfernt lernten wir vor Abschluß des Tages-
programms den imposanten und sonderbaren Menhir von St. Duzec kennen,
den man im 17. Jahrhundert mit christlichen Symbolen geschmückt hat. Am
Abend kamen wir in Tregastel, unserem nächsten Rastort, an der nördlichen
Felsenküste der Bretagne an.
20. Mai: Wir nahmen Abschied von Tregastel, von dem romantischen Fel-
sengewirr der Küste. Die Fahrt ging über Lannion nach der Halbinsel Kerne-
lehen. Bei dem Dörfchen Barnenez wurde ausgestiegen, und zu Fuß ging es auf
einen Berg, auf dem ein Tumulus von 87 m Länge, 35 m Breite und 8 m Höhe
liegt. Der Besuch dieser Anlage war einer der Höhepunkte unserer Fahrt.
Leider ist von dem gewaltigen Grabbau von Barnenez nur noch ein Rest
vorhanden, während der größte Teil desselben abgetragen wurde, um das
Steinmaterial zum Straßenbau zu verwenden. In dem noch erhaltenen Teil
befinden sich 10 Kammern. Zu einer jeden führt ein fast 10 m langer Gang.
Acht dieser Kammern haben eine 5 m hohe Kuppel, die sich nach oben ver-
jüngt. Sie wurden als „falsche Gewölbe" in Trockenmauertechnik errichtet
und gehören der westeuropäischen Form der Kuppelgräber an. Zwei Kam-
mern dagegen sind richtige Steinkammern und bestehen aus Trag- und Deck-
steinen. Im Innern einiger Kammern sind bildliche Darstellungen von Axten
und Bronzedolchen angebracht. Eine andere ist im Mittelalter geöffnet wor-
den, man hat aus magischen Gründen ein Feuer darin angezündet und Ge-
treide ausgestreut. Nachdem die Zerstörung des Grabhügels eingesetzt hatte,
bemühte man sich von archäologischer Seite, den Hügel so zu konservieren,
daß sein Aufbau klar zu erkennen ist. Dabei hat man große Sorgfalt walten
lassen.
Weiter ging es nach dem Süden. Theogonnec und Guimiliau mit ihren
Kirchen und Calvarien lagen hinter uns und ebenso Commana. An einer
Wegekreuzung wurde ausgestiegen, und eine Fußwanderung führte uns
nach Le Mougau. Es wurde hier eine große und guterhaltene Galerie
couverte besucht, die in ihrer Form ünseren Riesensteingräbern in ge-
wisser Weise ähnlich ist. Der Unterschied besteht darin, daß diese an ihrer
Längsseite einen Eingang in das Innere des Grabes aufweisen, während jene
ihren Eingang an der Schmalseite der Grabkammer haben. Das Innere des
Grabes enthält bildliche Darstellungen, wie Axt, Frauenbrüste und Dolch.
Unsere Weiterfahrt führte uns durch die Monts d'Arree (welliger Höhen-
zug südöstlich von Brest), in der sich ein „Montagne St. Michel" als höchster
Berg (391 m) in der Bretagne erhebt. Ihm wurde ein kurzer Besuch abgestattet.
Von vielen Bretonen der dortigen Gegend wird er noch heute am Abend
und an trüben, nebeligen Tagen nach Möglichkeit gemieden; alte Sagen, die
von diesem Berg Schauergeschichten berichten, sind im Volke noch lebendig.
Der Volksmund spricht auch nicht von einem St.-Michaels-Berg, sondern er
nennt ihn Youdig, den Höllenrachen. — Abends trafen wir in St. Guenole ein,
wo übernachtet wurde.
21. Mai: Für den Vormittag war ein Museumsbesuch in St. Guenole vor-
gesehen, und am Nachmittag war eine Fahrt in die Umgebung. — Private Spen-
der hatten ein Gebäude zur Aufnahme des Museums in St. Guenole errichtet,
in dem sie ihre privaten Sammlungen unterbrachten, bis später der Staat

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