Abb, 2S lText S, IS> Der Leichnam Chrifti nn Grabe
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Märchenpalast der Renaissance hat Holbeins Pin-
sel aus dem schlichten Basler Bürgerhaus geschaf-
fen. Übrigens war das Haus „zum Tanz"
nicht das einzige der Stadt, welches derartigen
Schmuck von Holbeins Hand aufzuweisen hatte,
— leider ist von diesen Herrlichkeiten alles, gar
alles zugrunde gegangen. Nur ein paar Ent-
iwürfe (Abb.2t) und geringeKopien geben uns heute
noch Kunde über diese Seite von Holbeins Kunst, die
allem Anschein nach die bedeutendste neben seiner
Bildnismalerei gewesen ist. Zu solchem Ansehen
war der Meister durch derartige Arbeiten bei sei-
nen Mitbürgern emporgestiegen, daß ihm 1521
der Auftrag zuteil wurde, den ersten Repräsen-
tationsraum der Stadt, den Hauptsaal des
Rathauses mit Wandgemälden zu schmücken.
Leider lassen auch hier einige erhalten gebliebene
kümmerliche Reste nur mehr ahnen, was uns an
diesem Werk verloren gegangen ist. Holbein hatte
in diesen der antiken Geschichte entnommenen Sze-
nen alles zusammengesaßt, was er sich an Klar-
heit, Kraft und Größe des Stils in seinen Fassa-
denmalereien angeeignet hatte. Das Ganze muß
eine Schöpfung von wundersamer Einheitlichkeit
und Größe gewesen sein, die ihresgleichen in ganz
Deutschland nicht hatte und höchstens mit den
Fresken eines Raffael sich vergleichen ließ. Die
vierte Saalwand blieb vorerst ohne Malereien.
Neben diesen Werken allergrößten Stiles
nehmen die Arbeiten für die Buchillustration den
Meister wieder in ganz hervorragendem Maße
in Anspruch. Wieder entsteht eine Menge von
Zierbuchstaben (Seite 3, 6 und 9), kleine Mei-
sterstücke von Erfindung und Geschmack, ja eine
ganze Reihe kompletter Jnitialenalphabete, unter
denen das Totentanzalphabet das merkwür-
digste ist. „Totentanz" — eine echt mittelalterliche
Vorstellung. Jedes Zeitalter hat sich in seiner
Weise mit dem Geheimnis des Todes auseinander-
gesetzt, der volkstümlich-hanebuchene Humor des
Mittelalters aber wußte auch dieser düsteren
Wahrheit eine versöhnliche Seite abzugewinnen:
Der Tod ist wenigstens nicht parteiisch. Hoch und
nieder, arm und reich, Kaiser und Papst, wie
Bauer und Edelmann, alles kommt an die Reihe,
an den Reigen des Todes, allen spielt der Tod
zum Tanze auf. Solche Totentanz-Darstellungen
waren der damaligen Kunst nichts Ungewöhn-
liches, aber Holbein hat es verstanden, das Tragi-
sche und Grausige des Gedankens voll auszu-
schöpfen und mit unerhörter Kraft zum künstleri-
schen Ausdruck zu bringen. Schon im Alphabet
(Seite 23 u. 27), wie die Opser ahnungslos über-
fallen werden, sich verzweifelt sträuben, aber von
dem grinsenden Knochenmann überwältigt wer-
den, das ist in diesen Miniaturbildchen geradezu
erschütternd geschildert.
Das Thema vom Totentanz hat dem Meister
so sehr zugesagt, daß er es gleich darauf in einer
Holzschnittfolge etwas größeren Formats noch ein-
mal behandelt. Das ist der eigentliche Holbei n-
sche Totentanz, jenes Werk, das wie kein
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Märchenpalast der Renaissance hat Holbeins Pin-
sel aus dem schlichten Basler Bürgerhaus geschaf-
fen. Übrigens war das Haus „zum Tanz"
nicht das einzige der Stadt, welches derartigen
Schmuck von Holbeins Hand aufzuweisen hatte,
— leider ist von diesen Herrlichkeiten alles, gar
alles zugrunde gegangen. Nur ein paar Ent-
iwürfe (Abb.2t) und geringeKopien geben uns heute
noch Kunde über diese Seite von Holbeins Kunst, die
allem Anschein nach die bedeutendste neben seiner
Bildnismalerei gewesen ist. Zu solchem Ansehen
war der Meister durch derartige Arbeiten bei sei-
nen Mitbürgern emporgestiegen, daß ihm 1521
der Auftrag zuteil wurde, den ersten Repräsen-
tationsraum der Stadt, den Hauptsaal des
Rathauses mit Wandgemälden zu schmücken.
Leider lassen auch hier einige erhalten gebliebene
kümmerliche Reste nur mehr ahnen, was uns an
diesem Werk verloren gegangen ist. Holbein hatte
in diesen der antiken Geschichte entnommenen Sze-
nen alles zusammengesaßt, was er sich an Klar-
heit, Kraft und Größe des Stils in seinen Fassa-
denmalereien angeeignet hatte. Das Ganze muß
eine Schöpfung von wundersamer Einheitlichkeit
und Größe gewesen sein, die ihresgleichen in ganz
Deutschland nicht hatte und höchstens mit den
Fresken eines Raffael sich vergleichen ließ. Die
vierte Saalwand blieb vorerst ohne Malereien.
Neben diesen Werken allergrößten Stiles
nehmen die Arbeiten für die Buchillustration den
Meister wieder in ganz hervorragendem Maße
in Anspruch. Wieder entsteht eine Menge von
Zierbuchstaben (Seite 3, 6 und 9), kleine Mei-
sterstücke von Erfindung und Geschmack, ja eine
ganze Reihe kompletter Jnitialenalphabete, unter
denen das Totentanzalphabet das merkwür-
digste ist. „Totentanz" — eine echt mittelalterliche
Vorstellung. Jedes Zeitalter hat sich in seiner
Weise mit dem Geheimnis des Todes auseinander-
gesetzt, der volkstümlich-hanebuchene Humor des
Mittelalters aber wußte auch dieser düsteren
Wahrheit eine versöhnliche Seite abzugewinnen:
Der Tod ist wenigstens nicht parteiisch. Hoch und
nieder, arm und reich, Kaiser und Papst, wie
Bauer und Edelmann, alles kommt an die Reihe,
an den Reigen des Todes, allen spielt der Tod
zum Tanze auf. Solche Totentanz-Darstellungen
waren der damaligen Kunst nichts Ungewöhn-
liches, aber Holbein hat es verstanden, das Tragi-
sche und Grausige des Gedankens voll auszu-
schöpfen und mit unerhörter Kraft zum künstleri-
schen Ausdruck zu bringen. Schon im Alphabet
(Seite 23 u. 27), wie die Opser ahnungslos über-
fallen werden, sich verzweifelt sträuben, aber von
dem grinsenden Knochenmann überwältigt wer-
den, das ist in diesen Miniaturbildchen geradezu
erschütternd geschildert.
Das Thema vom Totentanz hat dem Meister
so sehr zugesagt, daß er es gleich darauf in einer
Holzschnittfolge etwas größeren Formats noch ein-
mal behandelt. Das ist der eigentliche Holbei n-
sche Totentanz, jenes Werk, das wie kein