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gediegene Geschmack eines
Holbein hierbei die Wege
gewiesen.
Jnhaltlich und künstle-
risch das Bedeutendste unter
diesen Visierungen ist eine
Serie von zehn Blättern,
welche das Leiden Christi
zum Gegenstande haben.
Das ist also die dritte Pas-
sionsfolge Holbeins. Auch
von Dürer haben wir be-
kanntlich drei oder eigentlich
vier Passionszyklen. So
sehr stand Christus und sein
Erlösungswerk im Mittel-
punkt des religiösen Jnter-
esses jener vorreformatori-
schenZeit. Holbeins Eigen-
art zeigt sich schon darin, wie
er sich Raum und Rahmen
für die Szenen schafft, näm-
lich Architekturen üppig-der-
ben oder edel-schönen oder
wuchtig-ernsten Charakters.
Und „antikischer",ich möchte
sagen Taziteischer Geist lebt
in den Gestalten, die stch
hier bewegen. Welch ein
Gegensatz zu Dürers Pas-
sionen! Bei dem Nürnberger
Meister noch manches alter-
tümlich, in der Form gotisch
verworren — aber ein reli-
giöses Empfinden von gran-
diöser Ursprünglichkeit und
Tiefe. Bei Holbein ist die
objektive Gelassenheit des
Historikers. Je weniger er
stch von der religiösen Seite
seines Themas persönlich ge-
packt fühlt, um so souveräner
meistert er den Stoff als
Künstler. Kein liebenswür-
diger Nebenzug, keine Ab-
schweifung, — äußerste Konzentration der Er-
zählung und heroische Größe des Stils. Zuni
Beispiel: die Geißelung (Abb. M>). Der
Künstler der gotischen Zeit hatte da in Karikatu-
ren häßlich-gemeiner, boshafter Schergen ge-
schwelgt. Holbein gibt sehnige Soldatenfiguren,
die einfach tun, was ihres Amtes ist. Und Chri-
stus ist ein Mensch, der mit stoischer Ergebung
leidet, was ihm bestimmt ist. Das hervorra-
gendsteunterdiesenPassionsbildern isi vielleicht die
Verspottung (Abb. 31). Die künstlerischeBerech-
nung, die hier waltet, ist schlechthin einzig. Wie-
viel ist ausgedrückt mit den paar, wie in einer
Plastik angeordneten Figuren! Wie sie in den
Raum hineinkomponiert sind, fast symmetrisch, und
doch wieder malerisch frei (besonders durch die bei-
gefügte, versöhnend wirkende Zuschauergestalt)!
Abb. 30 lText S. 16)
Geitzelung
Glasgemülde^Entwurf
Mit welch wuchtigem Nachdruck ist der verspottete
Christus mit den verbundenen Augen als der Held
der Szene betont: durch die Vertikale, die vom
Scheitelpunkt des Gewolbes über die schwer
herabhängende Lampe und das Rundfenster her-
abführt bis zu dem quer über die Stufen liegen-
den Rohr. Religiöse Bekenntnisse des Menschen
Holbein sind die Blätter dieser Passion nicht, aber
Meisterwerke der Geschichtsmalerei. Bei einsr-
Vergleichung mit Dürers Passionsbildern muß in-
des auch berücksichtigt werden: hier handelt es sich
um Entwürfe zu Glasgemälden, Werken
also, die hauptsächlich dekorativ zu wirken
hatten.
Unter den übrigen „Visierungen" dieser Zeit
ragt durch abgeklärte Schönheit ein Entwurs
hervor, welcher den hl. Michael mit der
gediegene Geschmack eines
Holbein hierbei die Wege
gewiesen.
Jnhaltlich und künstle-
risch das Bedeutendste unter
diesen Visierungen ist eine
Serie von zehn Blättern,
welche das Leiden Christi
zum Gegenstande haben.
Das ist also die dritte Pas-
sionsfolge Holbeins. Auch
von Dürer haben wir be-
kanntlich drei oder eigentlich
vier Passionszyklen. So
sehr stand Christus und sein
Erlösungswerk im Mittel-
punkt des religiösen Jnter-
esses jener vorreformatori-
schenZeit. Holbeins Eigen-
art zeigt sich schon darin, wie
er sich Raum und Rahmen
für die Szenen schafft, näm-
lich Architekturen üppig-der-
ben oder edel-schönen oder
wuchtig-ernsten Charakters.
Und „antikischer",ich möchte
sagen Taziteischer Geist lebt
in den Gestalten, die stch
hier bewegen. Welch ein
Gegensatz zu Dürers Pas-
sionen! Bei dem Nürnberger
Meister noch manches alter-
tümlich, in der Form gotisch
verworren — aber ein reli-
giöses Empfinden von gran-
diöser Ursprünglichkeit und
Tiefe. Bei Holbein ist die
objektive Gelassenheit des
Historikers. Je weniger er
stch von der religiösen Seite
seines Themas persönlich ge-
packt fühlt, um so souveräner
meistert er den Stoff als
Künstler. Kein liebenswür-
diger Nebenzug, keine Ab-
schweifung, — äußerste Konzentration der Er-
zählung und heroische Größe des Stils. Zuni
Beispiel: die Geißelung (Abb. M>). Der
Künstler der gotischen Zeit hatte da in Karikatu-
ren häßlich-gemeiner, boshafter Schergen ge-
schwelgt. Holbein gibt sehnige Soldatenfiguren,
die einfach tun, was ihres Amtes ist. Und Chri-
stus ist ein Mensch, der mit stoischer Ergebung
leidet, was ihm bestimmt ist. Das hervorra-
gendsteunterdiesenPassionsbildern isi vielleicht die
Verspottung (Abb. 31). Die künstlerischeBerech-
nung, die hier waltet, ist schlechthin einzig. Wie-
viel ist ausgedrückt mit den paar, wie in einer
Plastik angeordneten Figuren! Wie sie in den
Raum hineinkomponiert sind, fast symmetrisch, und
doch wieder malerisch frei (besonders durch die bei-
gefügte, versöhnend wirkende Zuschauergestalt)!
Abb. 30 lText S. 16)
Geitzelung
Glasgemülde^Entwurf
Mit welch wuchtigem Nachdruck ist der verspottete
Christus mit den verbundenen Augen als der Held
der Szene betont: durch die Vertikale, die vom
Scheitelpunkt des Gewolbes über die schwer
herabhängende Lampe und das Rundfenster her-
abführt bis zu dem quer über die Stufen liegen-
den Rohr. Religiöse Bekenntnisse des Menschen
Holbein sind die Blätter dieser Passion nicht, aber
Meisterwerke der Geschichtsmalerei. Bei einsr-
Vergleichung mit Dürers Passionsbildern muß in-
des auch berücksichtigt werden: hier handelt es sich
um Entwürfe zu Glasgemälden, Werken
also, die hauptsächlich dekorativ zu wirken
hatten.
Unter den übrigen „Visierungen" dieser Zeit
ragt durch abgeklärte Schönheit ein Entwurs
hervor, welcher den hl. Michael mit der