17
schwer herabfallenden Man-
tels!
Übrigens beschränkt sich
dieGlasmalereidieserEpoche
keineswegs auf kirchliche
Darstellungen, entfaltet sich
vielmehr mit Vorliebe ge-
rade auf den Fenstern des
Bürgerhauses.
Besonders Wappen-
fenster werden jetzt über-
aus beliebt. Unser Meister
hat in dieser Art wahre
Prunkstücke deutscher Renais-
sanceornamentik geschaffen.
Als Beispiel diene die
Scheibe mit den grotesken
Prachtgestalten der beiden
Landsknechte und der
auserlesen geschmackvollen
Architektur (sieheTitelblatt).
Überhaupt besaß Holbein
einen ausgeprägten Sinn
fürs Kunstgewerbliche, für
das Geschmackvolle auch im
profanen Leben, ja sogar in
dem des Alltags. Hat er es
doch nicht für zu gering ge-
halten, für den Damen-
schneider von damals eine
ReihevonKostümentwür-
fen zu li efern (Abb. 32 u. 33),
sicherlich das künstlerisch
Wertvollste, was auf diesem
Gebiet jemals entstanden ist.
Es gibt kaum ein künst-
lerisches Gebiet, auf dem sich
Holbein in dieser Periode
nicht betätigt, und er ist in
allen Sätteln gerecht. Allein
es ist unverkennbar, wieseine
innerste Neigung doch nur
Vcrsvottung Christi zwischen zwei, anscheinend
Giasgemalde-Entwurf unvereinbaren Gebieten hin-
und Herpendelt: dem kunst-
gewerblich-dekorativen, und jenem Fach, wozu er als
Sohn seines Vaters vorausbestimmt scheint, dem
Porträt. Die Zeit dieses zweiten Baseler Aufent-
halts, welche alle Seiten der künstlerischen Per-
sönlichkeit Holbeins zu hoher Vollendung ent-
wickelte, hat besonders den Bildnismaler in Hol-
bein zur klassischen Vollreife sich entfalten lassen.
Da ist das mit sichtlicher Liebe geschaffene
ungemein vornehme Porträt des Freundes B o -
nstfatius Amerbach (Abb.35). All die Eigen-
schaften, welche die Zeitgenossen an dem prächtigen
Manne zu rühmen wußten, sind hier ausgeprägt:
feingebildetesWesen, Bescheidenheit, Lauterkeit der
Gesinnung. Eine fast jungfrciuliche Zartheit und
ruhige, männliche Entschiedenheit treten besonders
deutlich in Erscheinung. Als sich dem Künstler
die Gelegenheit bot, eine der ersten Berühmtheiten
3
Sündenwage (Abb. 27) zeigt. Ein aben-
teuerlicher Teufelskobold will die eine Wagschale
niederdrücken, aber vergebens, sie hebt sich, denn
in der anderen Schale steht das Christkind, dessen
Erlösungsgnade unendlich schwerer wiegt, denn
alle menschliche Sündenschuld. Das ist ein schöner,
vom Mittelalter oft zur Darstellung gebrachter Ge-
danke. Aber nicht das ist's, was unseren Holbein
interessiert, — die rein formale Schönheit ist ihm
alles. Und diese ist weniger im Antlitz konzen-
triert. Aber ist es möglich, eine reichere Fülle von
Bewegung und von Kontrasten zu edler Ruhe
und blühender Harmonie zusammenzuschließen?
Wie die Gestalt dasteht, leicht und doch fest, wie
der geschmeidige Körper aus dem Grund des
Mantels heraustritt, wie seine elegante Umriß-
linie in apartem Gegensatz steht zum Kontur des
Abb. 81 ,Text S. 16)
schwer herabfallenden Man-
tels!
Übrigens beschränkt sich
dieGlasmalereidieserEpoche
keineswegs auf kirchliche
Darstellungen, entfaltet sich
vielmehr mit Vorliebe ge-
rade auf den Fenstern des
Bürgerhauses.
Besonders Wappen-
fenster werden jetzt über-
aus beliebt. Unser Meister
hat in dieser Art wahre
Prunkstücke deutscher Renais-
sanceornamentik geschaffen.
Als Beispiel diene die
Scheibe mit den grotesken
Prachtgestalten der beiden
Landsknechte und der
auserlesen geschmackvollen
Architektur (sieheTitelblatt).
Überhaupt besaß Holbein
einen ausgeprägten Sinn
fürs Kunstgewerbliche, für
das Geschmackvolle auch im
profanen Leben, ja sogar in
dem des Alltags. Hat er es
doch nicht für zu gering ge-
halten, für den Damen-
schneider von damals eine
ReihevonKostümentwür-
fen zu li efern (Abb. 32 u. 33),
sicherlich das künstlerisch
Wertvollste, was auf diesem
Gebiet jemals entstanden ist.
Es gibt kaum ein künst-
lerisches Gebiet, auf dem sich
Holbein in dieser Periode
nicht betätigt, und er ist in
allen Sätteln gerecht. Allein
es ist unverkennbar, wieseine
innerste Neigung doch nur
Vcrsvottung Christi zwischen zwei, anscheinend
Giasgemalde-Entwurf unvereinbaren Gebieten hin-
und Herpendelt: dem kunst-
gewerblich-dekorativen, und jenem Fach, wozu er als
Sohn seines Vaters vorausbestimmt scheint, dem
Porträt. Die Zeit dieses zweiten Baseler Aufent-
halts, welche alle Seiten der künstlerischen Per-
sönlichkeit Holbeins zu hoher Vollendung ent-
wickelte, hat besonders den Bildnismaler in Hol-
bein zur klassischen Vollreife sich entfalten lassen.
Da ist das mit sichtlicher Liebe geschaffene
ungemein vornehme Porträt des Freundes B o -
nstfatius Amerbach (Abb.35). All die Eigen-
schaften, welche die Zeitgenossen an dem prächtigen
Manne zu rühmen wußten, sind hier ausgeprägt:
feingebildetesWesen, Bescheidenheit, Lauterkeit der
Gesinnung. Eine fast jungfrciuliche Zartheit und
ruhige, männliche Entschiedenheit treten besonders
deutlich in Erscheinung. Als sich dem Künstler
die Gelegenheit bot, eine der ersten Berühmtheiten
3
Sündenwage (Abb. 27) zeigt. Ein aben-
teuerlicher Teufelskobold will die eine Wagschale
niederdrücken, aber vergebens, sie hebt sich, denn
in der anderen Schale steht das Christkind, dessen
Erlösungsgnade unendlich schwerer wiegt, denn
alle menschliche Sündenschuld. Das ist ein schöner,
vom Mittelalter oft zur Darstellung gebrachter Ge-
danke. Aber nicht das ist's, was unseren Holbein
interessiert, — die rein formale Schönheit ist ihm
alles. Und diese ist weniger im Antlitz konzen-
triert. Aber ist es möglich, eine reichere Fülle von
Bewegung und von Kontrasten zu edler Ruhe
und blühender Harmonie zusammenzuschließen?
Wie die Gestalt dasteht, leicht und doch fest, wie
der geschmeidige Körper aus dem Grund des
Mantels heraustritt, wie seine elegante Umriß-
linie in apartem Gegensatz steht zum Kontur des
Abb. 81 ,Text S. 16)