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Die Kunst dem Volke <München> — 1912 (Nr. 9-12)

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Damrich, Joh.: Hans Holbein
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https://doi.org/10.11588/diglit.21074#0027
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Jn der Fremde und wieder in Basel. 1526—1531.

olbeins eigenste Neigung hat
immer dem Porträt gehört
und was ihn nach England
führte, war die Hoffnung,
in diesem reichen, von reli-
giösen Kämpfen einstweilen
noch unberührten Lande mit
seiner stolzen, prunkliebenden
Aristokratie ein Feld der Tä-
tigkeit, hauptsächlich als B ildnismaler zu fin-
deiu Diese Hoffnung hat ihn nicht betrogen. Die

Abb. Z7

Anna Meyer. Porträtstudie zum
Darmstädter Madonnenbild

Empfehlungsbriefe des Erasmus kamen ihm vor-
trefflich zustatten, sie wiesen ihn zunächst an einen
der ersten und besten Männer des britischen Rei-
ches, an Thomas More, ebenso berühmt als
Gelehrter wie als Staatsmann. Hier findet der
Künstler freundliche, ja herzliche Aufnahme und
auch die ersteu Aufträge. Neben einem Einzel-
bildnis des Thomas hatte er in einem Gruppen-
porträt all die zahlreichen Glieder des geistig
und gesellschaftlich hochstehenden Hauses More
zu malen. Das Familienbildnis selbst ist leider
verschollen, die erhaltenen Vsrzeich-
nungen für die einzelnen Köpfe sind
recht lehrreich für die Art und Weise,
wie Holbein bei Schaffung seiner
Bildnisse zu Werke zu gehen pslegte.
Die darzustellende Person hatte er
nur bei der Anfertigung dieser Ent-
wurfskizzen vor Augen. Sein vor-
zügliches Gedächtnis ermöglichte es
ihm dann, das eigentliche Gemälde
nach dieser Vorzeichnung auszufüh-
ren. Allein wie diese Zeichnungen
gemacht sind, mit einer Sicherheit
der Charakteristik und atmenden Le-
bendigkeit der Linienführung, wie
hingehaucht, leicht abschattiert —
geben sie schon alles, was das fertige
Gemälde aussprechen sollte, nur
frischer, knapper, geistreicher. Diese
Porträtentwürfe sind eigentlich das
Verblüffendste von Holbeins Bild-
niskunst, weil hier das Höchste mit
den denkbar einfachsten Mitteln er-
reicht ist. Da ist z. B. die Porträt-
skizze zum ThomasMore (Abb.38).
Wie leuchtet uns aus den paar
Strichen die Seele dieses Edelmen-
schen entgegen, seine feine Bildung,
dieRedlichkeitundunbeugsameFestig-
keit seines Charakters! Durch Mores
Vermittlung gewinnt Holbein da-
mals schon auch Fühlung mit wei-
teren Kreisen der vornehmen engli-
schen Welt und darf beispielsweise
den Erzbischof Warham, den Bischof
Fisher von Rochesterund andere hohe,
auch weltliche Herrn porträtieren.
Zum Bildnis des Bischofs Fisher
haben wir noch die Vorzeichnung
(Abb. 39). Nur ein paar Linien,
aber wie ist der Bau dieses Kopfes
 
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