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Die Kunst dem Volke <München> — 1912 (Nr. 9-12)

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Damrich, Joh.: Hans Holbein
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https://doi.org/10.11588/diglit.21074#0029
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bliebene vierteWand mit Gemäldeschmuck versehen.
Zwei Darstellungen aus dem Alten Testament
werden ihm bestimmt. Zunächst „R ehabeams"
(Roboams) Antwort an die Abgesand-
ten Jsraels (III Kön. 1—11) (Abb. 41).




Abb. 89 <Tcxt S. 28>

John Fishcr. Bischof von Rochester
(Kreidezeichnnng>

Die letzteren bitten den Sohn Salomons bei sei-
nem Regierungsantritt um ein milderes Regiment
als es sein Vater geführt, erhalten aber von ihm
die unkluge Antwort: „mein kleiner Finger ist
dicker als die Lenden meines Vaters .. mein Vater
Hat euch mit Geißeln geschlagen, ich will euch mit

Skorpionen peitschen." Mit wunderbarer Kristall-
klarheit ist diese komplizierte Situation gekenn-
zeichnet. Roboam streckt den kleinen Finger aus
und deutet mit der Rechten auf die von einem
Diener gehaltene Geißel. Aus seiner Mienelodert
die Hitze des unüberlegten Zornes.
Wir erkennen auch deutlich trotz
der meist von rückwärts gesehenen
Figuren den Eindruck dieser Worte:
Betroffenheit, Bedenken, entschie-
dene Ablehnung. Und außerhalb
der Halle ist die Szene gegeben,
wie die zehn Stämme sich nun
einen eigenen König wählen.

Noch gesteigert finden wir
das dramatische Element in der
Darstellung: Samuel und
Saul (Abb. 40). Gegen Got-
tes ausdrückliches Verbot hatte
Saul den König Agag, sowie
die besten Herden der bestegten
Amalekiter am Leben gelassen.
Da tritt ihm Samuel, der Pro-
phet des Herrn entgegen, um ihn
darob zur Rede zu stellen. Saul
ist vom Pferde gesprungen, in
seiner Haltung prägt sich Schuld-
bewußtsein aus, und das Bitten
um Entschuldigung. Aber zürnend
weist Samuel auf die erbeuteten
Viehherden: „Gehorsam ist besser
als Opfer! Weil du das Wort des
Herrn verworfen, darum hat auch
dich der Herr verworfen, daß du
nicht mehr König seiest über Js-
rael!" Jn ehernem unaufhaltsamem
Vorwärtsdrängen kommt der Hee-
reszug mit dem gefangenen Amale-
kiterfürsten von rechts heran, wie
nun die Flut der Bewegung an
der gewaltigen Erscheinung des
Propheten zurückprallt, das ist in
überwältigender Größe des Stils
geschildert. Mit einer Kunst ohne
gleichen ist der machtvollen Haupt-
wirkung alles dienftbar gemacht,
selbst die Jnschrifttafel, die sich zu-
rückbäumenden Rauchwolken der
brennenden Stadt, die Horizontal-
linie der Landschaft, die dort am
tiefsten herabfinkt, wo die beiden
Hauptpersonen aufeinandertreffen.
Man kann es angesichts dieser Werke,
von welchen übrigens auch nur
mehr die Entivürfe erhalten sind,
nicht genug bedauern, daß Holbein
durch die traurigen Zeitumstände vom Gebiet
der religiösen und der Historienmalerei ganz ab-
gedrängt worden ist.

Die beiden Wandgemälde bilden den Schluß
seiner Tätigkeit für Basel. Die Verhältniffe waren
daselbst nun soweit gekommen, daß kein Einsich-
 
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