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Die Kunst dem Volke <München> — 1912 (Nr. 9-12)

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Damrich, Joh.: Hans Holbein
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https://doi.org/10.11588/diglit.21074#0031
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27

Abb. 41 (Text S. rs>

Roboam und die Abgesandten des Volkes
Wandgemäldo-Entwurf

Cndgültig m England. 1532—43.

unser Deutschland ist Hol-
bein von jetzt ab verloren.
Und seine künstlerische Tä-
tigkeit konzentriert sich nun
fast ausschließlich auf das
eiue Gebiet des Porträts.
Dafür ist aber auch diese
Epoche des zweiten Aufent-
halts in England die eigent-
liche Glanzzeit der Holbeinschen Bild-
niskunst.

Allerdings hatte stch mittlerweile in England
ein Umschwung vollzogen, der für Holbein recht
ungünstig schien: Der religiöse Kampf war
auch hier entbrannt. Thomas More, unmittel-
bar zuvor noch König Heinrichs VIII. intimster
Freund und Lordkanzler des britischen Reiches,
wird abgedankt und stirbt mit dem achtzigjähri-
gen Bischos Fisher als Märthrer seiner treukatho-
lischen Überzeugung auf dem Blutgerüst. Damit
waren auch die Hoffnungen, welche Holbein auf
diesen Gönner gesetzt, zu nichte gemacht. Allein
Holbeins beweglicher und schmiegsamer Charak-
ter weiß sich mit den veränderten Verhältnissen
abzufinden. Er gewinnt an Stelle der früheren
neue Freunde und Gönner. Und zwar sind es jetzt
Deutsche, die in London ansäßigen, im dortigen
„Stahlhof" vereinigten Mitglieder der Hansa,

welche sich des Landsmannes annehmen und ihn
als Bildnismaler beschäftigen. HMein malt
also in der Folgezeit eine Reihe deutscher Kauf-
herrn, nüchtern-tüchtige Geschäftsmenschen oder
biedere erfahrene Herren, oder auch jugendliche
unternehmende Köpfe. Ein eigenartiges Werk
dieser Zeit ist das Bildnis des jungen deut-
schen Kaufmanns Georg Gisze (Abb. 43).
Die Züge des blonden jungen Mannes sind nicht
unsympathisch, aber auch nicht außergewöhnlich
geistvoll. Dürer oder Rembrandt hätten trotz-
dem in einen solchen Kopf einen Funken ihres
eigenen Feuergeistes hineingelegt. Holbein, —
das ist charakteristisch für ihn,—greift es anders an.
Er gibt den Kaufmann in seiner Kanzlei, sein
bartloses Antlitz ist gleichsam nur ein Mitbe-
standteil eines mit ungeheurer Delikatesse gemal-
ten Stillebens. Ordnung, Behaglichkeit und
Schmuck des Lebens muß dieser Herr Gisze ge-
liebt haben. Und mit welch malerischer Feinheit
das Beiwerk durchgeführt ist, der Atlas des
Ärmels, oder der Tischteppich, das venezianische
Glas mit den Nelken, Federn und Tintenfaß und
all die Briefe mit ihren feingeschriebenen Adres-
sen! Der grüne Anstrich des Holzgetäfels hält
das reiche Farbenspiel zu ruhiger Wirkung zu-
sammen, das Ganze ist ein wahres Fest fürs
Auge.


 
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