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Die Kunst dem Volke <München> — 1912 (Nr. 9-12)

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Damrich, Joh.: Hans Holbein
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https://doi.org/10.11588/diglit.21074#0034
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30

ter Pracht und —
merkwürdig genug, —
religiösemGezänkmalt
er mit unerschütter-
licher, kühler Ruhe und
unbestechlicher Objek-
tivität die Lords und
Ladys dieser Gesell-
schaft, die in ihren rei-
chen Gewändern so
steif und oornehm da-
stehen und doch kaum
einen Augenblick ihres
Lebens sicher sind.

Auch den König
selber (Abb. 46) hat
er ein paarmal gemalt.
Ohne im geringsten zu
schmeicheln. Wie der
Mann dasteht, breit-
grätschig und wuchtig,
ganz von vorne ge-
sehen! Das aufge-
schwemmte Gesicht mit
dem widerlich kleinen
Mund. Das Wams
über der ungeheuer
breiten Brust strotzend
von Gold, Stickerei
und Juwelen. Ganz
wie ihn die Geschichte
schildert, der grandiose
Gewalt- und Genuß-
mensch, dem ein Le-
ben nichts galt, der
von seinen sechs Ge-
mahlinnen zwei ver-
stoßen und zwei aufs
Schafott geschickt hat.
Mit unsäglich kühler
Objektivität stellt Hol-
bein den Mann vor
uns hin — und doch,

Dietrich Born ans Cütn

Perlen auf dem vielgerühmten weißen Nacken der
Königin.

Der König Hielt auf seinen Hofmaler alles,
und betraute ihn mit den delikatesten Aufgaben.
Nach Jane Seymours Tode war eine Zeit lang
die Herzoginwitwe Christine von Mai-
land als Heinrichs Gattin in Aussicht genom-
men. Um sie kennen zu lernen, schickt der König
seinen Holbein nach Brüssel, ein Konterfei der
Dame zu malen. Wir verdanken diesem Auftrag
eins der allerschönsten Porträts des Meisters
(Abb. 45). Das hochgewachsene, erst sechzehn-
jährige Fräulein steht in voller Figur da im ein-
fachen Witwengewand. Aber aus dem matronen-
haft ernsten Schwarz lugen ein Paar jugendliche,
in ihrem verlegen-tändelnden Spiel wunderbar

wen überkommt nicht Abs. 44 <Tcxt S. W)
vor diesem Bildnis
eines echten Renais-

sanceübermenschen ein seltsames Gemisch von
Bewunderung und Grauen!

Einen recht sympathischen Charakter zeigt
uns hingegen das psychologisch und malerisch
gleich fein behandelte Bildnis der Iane S e y-
m 0 ur (Abb. 47), der dritten Gemahlin des
Königs. Etwas Stilles, Ergebenes, eigenartig
Fraulich-Sanftes lebt in dieser Gestalt, und doch
auch wieder soviel echt weibliche Klugheit und Be-
rechnungskunst. Wie die lebensvollen Hände sich
weich ineinanderlegen, und mit welcher Feinheit
und Liebe alle Einzelheiten der Gewandung ge-
geben sind, der stumpfrote Samt des Leibchens,
der köstliche, golddurchwirkte Stoff, der Brokat des
Armels, oder besonders das metallische Blinken
der Schmuckstücke, uud der edle Schimmer der
 
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