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Abb. 17 (Text S. 1k) Pho>. Fra„z Hansstacngl
Die hl. Fmnilie. Lonvre, Pnris.
Sinne vereinigt, finden wir
die hl. Familie von Nazareth
im Prado-Museum zu Madrid
(Abb. 10). Ein Blick auf dieses
Bild legt den Gedanken nahe, als
hätte der Künstler einen Abend
im stillen nazarethanischen Häus-
chen erlauscht, als spiegelte sich
selbst gekostetes Familienglück im
trautenFriedenwider. DasSpul-
rad, mit dem die Jungfrau sich
beschäftigte, ruht. Dem Wäsche-
korb in der Nähe schenkt sie keine
Aufmerksamkeit. Sie hat nur ein
Auge für das Spiel des Kindes.
Angelehnt an den hl. Joseph, von
seiner Rechten sorglich gehalten,
hebt der göttliche Knabe ein Vög-
lein in seiner Hand hoch empor
und erregt damit das Verlangen
des Hündchens, das sich vor dem
Kinde aufgestellt hat. Mit den
einsachsten Mitteln verstand es der
Künstler, das Zentrum der Dar-
stellung hervorzuheben. Alle Li-
nien, die Blicke mütterlicher Liebe,
väterlicher Freude, sehnsuchtsvol-
len Verlangens im jungen Haus-
freunde treffen sich im Kinde, das
der Künstler mit zartliebender
Sorgfalt behandelte. Die hohe
Stirne, von goldblonden Seiden-
haaren weich umrahmt, tritt durch
die geneigte Stellung des Köpf-
chens mit auffallender Schärfe
hervor. Jederübernatürliche Hin-
weis ist hier im äußeren Bei-
werke üngstlich vermieden. Den-
noch entstand kein Genrebild, zu dem die hl. Per-
sonen nur den Namen herzugeben hatten. Dieses
Kind und die beiden Glieder der hl. Familie
sind von ihrer rein menschlichen Seite ausgefaßt,
aber deren höhere Würde ist doch wieder so feier-
lich betont, daß wir uns nicht ins Heiligtum
selber, wohl aber in den nahen Kreuzgang eines
solchen versetzt fühlen.
Aus der Jugendgeschichte Jesu, soweit die
Glieder der hl. Familie einzig in Betracht kom-
men, behandelte Murillo mit Vorliebe die Flucht
nach Ägypten. Neun Bilder der Behandlung
dieses Themas sind bekannt. Francisco Pacheco,
der Maler und der für seine Zeitgenossen maß-
gebende Kunstschriftsteller, widmet dieser Episode
in seiner „Kunst der Malerei" ein eigenes Kapitel.
Nicht ohne Tränen, bemerkt er, nimmt die Mutter
ihr Kind, um eine so harte und gesahrvolle Reise
anzutreten, auf der ein Engel als freundlicher
Reiseführer sich den Pilgern zugesellt. Jn der
„Flucht" des Museums in Budapest (Abb. 13)
prägen sich der Erde Leiden, die Mühen des
Pilgerweges tief ein. Gebeugt von Mattigkeit,
führt Joseph in der Rechten den Stab, in der
Linken den Strick Haltend, den Rücken mit Reise-
gepäck belastet, das geduldige Tier, auf dem die
Mutter mit dem Kinde ruht, an dessen Sattel
die Wasserflasche baumelt. Sein Auge erfrischt
sich am Anblicke des grell beleuchteten Kindes,
während nur spärliche Lichter in die gebirgige,
unwegsame Landschaft fallen. Jn der Höhe wiegen
sich, leichten Schmetterlingen gleich, zwei Eng-
lein, von denen der eine nach Aghpten hinweist.
Herzliches Mitleid mit den Mühsalen und der Not
dieser Pilger leuchtet wehmutsvoll aus ihren Ge-
sichtchen, die der Künstler sonst in jubelnder Him-
melsfreude darstellt.
Auch in die Drangsale der Pilgerpfade webt
sinnige Poesie ihre duftigen Blüten: in der Ruhe
auf der Flucht (Abb. 15). Die Personenzahl hat
sich nicht verändert, nur ihre Stellung ist neu.
Auf dem harten Steine hat mütterliche Liebe ein
dürftig Lager bereitet, auf dem das Kind schlum-
mert. Flämmchen brechen aus dem Köpfchen her-
vor und deuten den Nimbus an. Alles konzen-
triertsich wiederum das Kind, das mithimmlischem
Frieden die Müden stärkt, die Trauernden getröstet
hat. Jn der reizend bewegten Gruppe der Engel
Abb. 17 (Text S. 1k) Pho>. Fra„z Hansstacngl
Die hl. Fmnilie. Lonvre, Pnris.
Sinne vereinigt, finden wir
die hl. Familie von Nazareth
im Prado-Museum zu Madrid
(Abb. 10). Ein Blick auf dieses
Bild legt den Gedanken nahe, als
hätte der Künstler einen Abend
im stillen nazarethanischen Häus-
chen erlauscht, als spiegelte sich
selbst gekostetes Familienglück im
trautenFriedenwider. DasSpul-
rad, mit dem die Jungfrau sich
beschäftigte, ruht. Dem Wäsche-
korb in der Nähe schenkt sie keine
Aufmerksamkeit. Sie hat nur ein
Auge für das Spiel des Kindes.
Angelehnt an den hl. Joseph, von
seiner Rechten sorglich gehalten,
hebt der göttliche Knabe ein Vög-
lein in seiner Hand hoch empor
und erregt damit das Verlangen
des Hündchens, das sich vor dem
Kinde aufgestellt hat. Mit den
einsachsten Mitteln verstand es der
Künstler, das Zentrum der Dar-
stellung hervorzuheben. Alle Li-
nien, die Blicke mütterlicher Liebe,
väterlicher Freude, sehnsuchtsvol-
len Verlangens im jungen Haus-
freunde treffen sich im Kinde, das
der Künstler mit zartliebender
Sorgfalt behandelte. Die hohe
Stirne, von goldblonden Seiden-
haaren weich umrahmt, tritt durch
die geneigte Stellung des Köpf-
chens mit auffallender Schärfe
hervor. Jederübernatürliche Hin-
weis ist hier im äußeren Bei-
werke üngstlich vermieden. Den-
noch entstand kein Genrebild, zu dem die hl. Per-
sonen nur den Namen herzugeben hatten. Dieses
Kind und die beiden Glieder der hl. Familie
sind von ihrer rein menschlichen Seite ausgefaßt,
aber deren höhere Würde ist doch wieder so feier-
lich betont, daß wir uns nicht ins Heiligtum
selber, wohl aber in den nahen Kreuzgang eines
solchen versetzt fühlen.
Aus der Jugendgeschichte Jesu, soweit die
Glieder der hl. Familie einzig in Betracht kom-
men, behandelte Murillo mit Vorliebe die Flucht
nach Ägypten. Neun Bilder der Behandlung
dieses Themas sind bekannt. Francisco Pacheco,
der Maler und der für seine Zeitgenossen maß-
gebende Kunstschriftsteller, widmet dieser Episode
in seiner „Kunst der Malerei" ein eigenes Kapitel.
Nicht ohne Tränen, bemerkt er, nimmt die Mutter
ihr Kind, um eine so harte und gesahrvolle Reise
anzutreten, auf der ein Engel als freundlicher
Reiseführer sich den Pilgern zugesellt. Jn der
„Flucht" des Museums in Budapest (Abb. 13)
prägen sich der Erde Leiden, die Mühen des
Pilgerweges tief ein. Gebeugt von Mattigkeit,
führt Joseph in der Rechten den Stab, in der
Linken den Strick Haltend, den Rücken mit Reise-
gepäck belastet, das geduldige Tier, auf dem die
Mutter mit dem Kinde ruht, an dessen Sattel
die Wasserflasche baumelt. Sein Auge erfrischt
sich am Anblicke des grell beleuchteten Kindes,
während nur spärliche Lichter in die gebirgige,
unwegsame Landschaft fallen. Jn der Höhe wiegen
sich, leichten Schmetterlingen gleich, zwei Eng-
lein, von denen der eine nach Aghpten hinweist.
Herzliches Mitleid mit den Mühsalen und der Not
dieser Pilger leuchtet wehmutsvoll aus ihren Ge-
sichtchen, die der Künstler sonst in jubelnder Him-
melsfreude darstellt.
Auch in die Drangsale der Pilgerpfade webt
sinnige Poesie ihre duftigen Blüten: in der Ruhe
auf der Flucht (Abb. 15). Die Personenzahl hat
sich nicht verändert, nur ihre Stellung ist neu.
Auf dem harten Steine hat mütterliche Liebe ein
dürftig Lager bereitet, auf dem das Kind schlum-
mert. Flämmchen brechen aus dem Köpfchen her-
vor und deuten den Nimbus an. Alles konzen-
triertsich wiederum das Kind, das mithimmlischem
Frieden die Müden stärkt, die Trauernden getröstet
hat. Jn der reizend bewegten Gruppe der Engel