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Die Kunst dem Volke <München> — 1912 (Nr. 9-12)

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Fäh, Adolf: Murillo
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https://doi.org/10.11588/diglit.21074#0067
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23

Jm Museum zu Sevilla begegnen wir der
Erfülluug dieses Wunsches. Die ?l6tü daselbst
(Abb. 27) zeigt uns den Körper Christi, dessen
Haupt in ihrem Schoße ruht. An die Stelle des
starren Leichnams früherer Zeiten ist ein weich
behandeltes Kunstwerk der Malerei getreten. Licht
und Schatten wechseln, um die Muskeln zu be-
tonen, sie bilden ein reiches Linienspiel, das den
Körper umfließt und über die Lenden sich schwel-
lend ergießt. Schon diese Sorgfalt der Behand-
lung weist auf ein Frühwerk des Meisters, viel-
leicht auf Schülerhände hin, die einen Entwurf
ihres Meisters ausführten. Die ältliche Madonna
und die beiden trauernden Engel, verglichen mit
den Originalschöpfungen Murillos, von Härte
nicht frei, bestätigen diese Vermutung.

Die Schilderung tragischen Ernstes entsprach
übrigens weniger Murillos Jndividualität. Die
Blüten himmlischer Holdseligkeit und heiterer
Freude zaubert sein Pinsel in lichtfroher Vorliebe
auf die Leinwand hin. Diesem Bestreben kam
das Thema der Himmelfahrt Mariä lohnender
entgegen. Jn der englischen Wallace-Sammlung
von Hertford House ist dieser Vorgang in seinem
legendarischen Zusammenhange vorgeführt (Abb.
28). Der oft genannte Pacheco behandelt den-
selben ausführlich. Die Apostel wurden wunder-
barerweise zum Sterbelager der Mutter Jesu

gerufen. Unter ihren Gebeten und Segnungen
verschied sie. Der Leichnam wurde beerdigt und
mit Blumen reich geschmückt. Die Seele der Mut-
ter Gottes erhob sich mit ihrem Leibe vereinigt
zum Himmel, nach drei Tagen fand man das
Grab leer. Die beiden Gedanken der Ausfindung
des Grabes und der Himmelfahrt verband der
Künstler im nämlichen Bilde. Die Gruppe der
Apostel links blickt voll Staunen empor. Die
Frauen am offenen Sarkophage beobachten diese
Verwunderung, ohne ihren Grund zu ahnen. Nur
einzelne Apostel der rechten Gruppe schenken den
Blumen ihre Ausmerksamkeit, die höher Stehenden
schauen ebenfalls aufwärts. Umgeben von Engeln,
deren Bewegungen das Emporstreben der ganzen
Gruppe verdeutlichen, thront auf Wolken die Mut-
ter Gottes. Jhre Hände sind gefaltet, die ganze
Aufmerksamkeit heftet sich an himmlische Vor-
gänge, deren Zeuge und Mittelpunkt sie bald sein
wird.

Pacheco macht im Anschlusse an hervorragende
Theologen aufmerksam, daß man von Himmel-
fahrt, besser aber von der Aufnahme der Mutter
Gottes in den Himmel sprechen könne. Diese
letztere Ausfassung begegnet uns im Gemälde der
Eremitage zu Petersburg (Abb. 29). „Es ist die
Mutter des Herrn, wie sie in die Herrlichkeit auf-
genommen wird und die Engel Gottes sie wie

Abb. 27 (Text oben) Ph»'- Andcrsmi. Rom

Die PietL. Museum, Sevtlla.
 
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