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Die Kunst dem Volke <München> — 1912 (Nr. 9-12)

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Fäh, Adolf: Murillo
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https://doi.org/10.11588/diglit.21074#0070
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26

Abb. so <Text S. 28) Py°t. Franz Hansstacngl

Der hl. Hieronymus. Prado, Madrid.

helle, lichte Himmelstöne umschweben", bemerkt
Dalton, der feinsinnige Schilderer der Peters-
burger Murillo-Gemälde. Stehend oder besser
emporsteigend auf den Wolken, erscheint die Be-
gnadigte im weißen Gewande,
das ein Band in Apfelblüten-
tönen um die Lenden zusam-
menhält. Duftig legt sich ein
grauer Schleier um den Hals.

Der Mantel, „wie ihn nur
Murillo malt, als ob er seinen
Pinsel in den azurblauen
Himmelgetaucht, der sich über
seine Heimatausspannt",fällt
von der linken Schulter herab,
wendet sich am Rücken nach
der rechten Seite, in bauschi-
gem Ende das Gleichgewicht
der Hauptfigur gegeu die
Engelsgruppe links betonend.

Die Rechte ist zum Gruße
gegen den Himmel erhoben,
dorthin eilt der Dankesblick
der Tochter des ewigen Va-
ters, der Braut des Hl. Geistes,
der Mutter des Erlösers. Die
reizenden Engel umgeben die
Jungfrau. „Auf denen zu
ihren Füßen ruht sie wie die
duftende Blume auf ihrem
Stengel, und wie das schützen-
de Blatt an der Blüte hinauf-
steigt, und sie überragt, so er- Abb. sr<Text oben)
heben fich die andern Him- Der hl.

melsboten mit derMutter des Herrn in die Höhe",
so jubelt Dalton. Mit einer würdigen Perle
schließen wir die mariologischenSzenen Murillos,
um die übrigen Heiligen in einzelnen Beispielen
ins Auge zu fassen.

Der Vorrang gebührt dem Nationalheiligen
Spaniens, dem Apostel Jakobus, der uns im Ma-
drider Prado begegnet (Abb. 33). Unbedeckten
Hauptes, angetan mit dem Pilgerkleide, an dessen
Kragen die Muschel beseitigt ist, tritt er auf. Die
Rechte faßt den Stab, die linke Hand stützt kräftig
einen Folianten, der den Mantel festhält. Der
energische, fast etwas derb gezeichnete Kopf mit
den gescheitelten Haaren und dem reichen Barte
ist wenig idealisiert. Die Sorgsalt in der Zeich-
nung der Hände hat mit Recht der Ansicht ge-
rufen, daß die ganze Figur „an einer gewissen
akademischen Langeweiligkeit leidet". Es handelt
sich vielleicht um ein Jugendwerk, in dem die
künftige künstlerische Höhe unseres Meisters noch
zu schlummern scheint.

Voll erwacht ist diese in der „Befreiung Petri
aus dem Gefängnisse" (Abb. 31). Das Gemälde
der Petersburger Eremitage gehört zum Zhklus
jener Arbeiten, in denen die Werke der leiblichen
Barmherzigkeit (s. S. 29) für das Spital de la
Caridad in Sevilla dargestellt wurden, die uns in
der Folge noch wiederholt beschäftigen werden.
Das christliche Liebeswerk der Befreiung Ge-
fangener wird uns im dunkeln Kerker vorgeführt.
Nur spärlich ist derselbe beleuchtet durch das Licht
der Laterne des schlafenden Wächters links. Heller


Pctrus i,n Gefkingnis. Eremitago, Petersburg.
 
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