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Die Kunst dem Volke <München> — 1912 (Nr. 9-12)

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Fäh, Adolf: Murillo
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https://doi.org/10.11588/diglit.21074#0081
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Abb. 43 iTcxt S. 85) Phot. Franj Haafftaengl

Dio Deuturig des Traumes. Prado, Madrid.

Jn der weißen Seidenrobe der Dame zaubert das
Licht gelbliche, rosa und violette Töne hervor.
Aufmerksam beobachtet einPrälat durch sein Glas
das Paar, während im Hintergrunde ein Höfling
lauscht. Rechts eilt der Blick in eine lichtgesättigte
Schneelandschast. Hier sehen wir den Papst
unter dem Baldachin, wie er in feierlicher Pro-
zession sich nach dem Esquilin begibt. Jn den
Wolken thront die Mutter-Gottes und andächtige
Zuschauer verfolgen den Zug.

Jn der Petersburger Eremitage ist der Segen
Jsaaks (Abb. 4ö) fast als Stasfage und dennoch
mit dem Ernste des Historienbildes behandelt.
Jn dem Gemache zur rechten Seite des Bildes
hat sich der blinde Patriarch segnend erhoben.
Seine Linke betastet die in Fell eingehüllte Rechte
seines Sohnes, um sich zu versichern, daß eine
Täuschung ausgeschlossen sei. Angstlich hält die
Mutter ihren knienden Liebling Jak'ob, als fürch-
tete sie, daß ihr Unternehmen noch mißlingen
könnte. Das volle Licht fällt auf den segnenden
Greis, dessen Blindheit mit ergreifender Natur-
wahrheit betont ist. Die linke Seite öffnet den
Blick in ein ländliches Gehöfte des Südens, mit
Utensilien der Küche und dem Taubenschlage
in der Höhe. Hier enteilt eine Frau mit dem
Wasserkruge. Aus dem Tale nähert sich der be-
trogene Esau, von der Jagd heimkehrend, mit
Beute beladen, dem väterlichen Heime. Um diese
mehr staffageartige Auffassung zu würdigen, darf
nicht vergessen werden, daß dieses und dasfolgende
Bild als Wanddekoration für den Palast des Mar-
quis von Villa Manrique bestimmt war. Jn die-
sem Falle wünschte der Besteller die starke Beto-
nung des Landschaftlichen, wie dies hier gesche-
hen. „Da liebt das Auge über endlos auseinan-
dergehende Flächen zu gleiten, in Fernen träume-
risch auszuruhen. Die hineingesetzten Figuren
sind nicht mehr als Staffage", bemerkt Justi.

Nächtliches Dunkel breitet seine Schatten in

der Waldlandschaft aus (Abb. 44). Müde ist
Jakob auf seiner Flucht eingeschlafen. Auf einem
Steine am Wege schlummert er. Sein Reisegepäck
und den Wanderstab hat er vor sich hingelegt.
Der fahle Mond vermag das dichte Gewölke nicht
zu durchdringen. Nur in der Höhe öffnet sich
in flimmerndem Lichte der Himmel. Auf den
Sprossen der Leiter bewegen sich sechs Engel,
von denen zwei in graziösen Stellungen auf den
Schlafenden niederblicken. Sie bedürften eigentlich
der Stütze nicht, denn ihre Freiheit von der die
Bewegung hemmenden Körperlichkeit ist trefflich
betont. Wenn für dekorative Zwecke, einen Ersatz
der Wandtapete oder Teppiche, ein solcher Auf-
wand künstlerischer Mittel sich entfaltet, fassen wir
im Detail eines Historienbildes des Meisters
Feinfühligkeit ins Auge. Wir wählen zu diesem
Zwecke eines der großen Bilder der Caridad zu
Sevilla.

Die Tränkung der Dürstenden entwarf Murillo
im figurenreichen Gemälde: Moses schlägt Wasser
aus dem Felsen. Mächtig sprudelt der frische
Quell aus dem harten, hoch aufsteigenden Gestein.
Dankerfüllt erhebt der auf Abb. 47 noch teilweise
am Rande rechts sichtbare Moses seine Hände.
Hintrr ihm folgt staunend der Hohepriester seinem
Beispiele. Jn einer reizenden Skala verschiedener
Äußerungen ist die Sehnsucht des schmachtenden
Volkes nach dem erquickenden Naß betont. Die
kniende, nach vorn gebeugte, rückwärts blickende
Frau hat ihren Metallkessel bereits gesüllt, sie
sehnt sich, auch ihrem Trinkgefäß das kostbare
Wasser anzuvertrauen oder ihre Dienste zu diesem
Zwecke dem Orientalen mit seinem Kruge im
Arme anzubieten. Brennender Durst quält den
Mund der drei Figuren, von denen nur die Köpfe
sichtbar sind. Einen seiner Bettelbuben, jubelnd
hinweisend auf den sprudelnden Quell, zeigt uns
der Meister auf dem Pferde, das ebenfalls, wie
dieBöcke zu seinenFüßen, nach Wasser schnuppert.
 
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