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Die Kunst dem Volke <München> — 1912 (Nr. 9-12)

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Nieuwbarn, M.C.: Die Madonna in der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.21074#0127
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Abb. 8 Phot. F. Bruckmann

Aus dem Verkündigungsbilde des C. Ridolfi lText S.11)
Dresden, Gemäldegalerie

lung ihres Geistes und ihrer Frömmigkeit, durch
ihre hl. Mutter Anna. (Vergl. die Monographie
Murillo, Abb. 69.) Als das Mägdlein drei Jahre
alt war, brachten es die Eltern zum Tempel.
Hohen Ruhm genießt ein in der Akademie zu
Venedig befindliches Gemälde des größten Künst-
lers, dessen diese Stadt sich rühmen darf, des
Tiziano Vecellio (1476 oder 77—1576), das
den Tempelgang Mariä zeigt, voll köst-
licher llnbefangenheit, aber in der Hauptsache,
der Schilderung des frommen Mägdleins, dem
der Hohepriester würdevoll und freudig entgegen-
tritt, ein herrliches Meisterwerk volkstümlichcr
Charakterisierungskunst. Solche Gemälde sind
keine Andachtsbilder, sie eignen sich für keinen
Altar, aber sie schaffen eine unübertreffliche Vor-
stellung von der Wirklichkeit der Ereignisse, gleich-
viel ob sie lediglich aus der dichterischen Phantasie
des Künstlers entsprungen find. Sie helfen die
religiösen Vorstellungen befestigen, indem sie mit
diesen das tägliche Leben durchwirken, das letztere

in den Jdeenkreis der Religion hineintragen.
— Da der Tempelgang Mariä bereits in den
neutestamentlichen Apokryphen erzählt wird, deren
Anfänge bis ins zweite Jahrhundert nach Christi
Geburt zurückreichen, so hat auch schon die alt-
christliche Kunst des Morgen- und Abendlandes
jene Szene geschildert. Begleitet von den Eltern
und einer freudig bewegten Volksmenge erscheint
das Kind; in den Händen eine Kerze tragend,
steigt es die fünfzehn Stufen zur Tempelpforte
empor, wo der Hohepriester es erwartet. So stellt
es auch in der deutschen Kunst der ältere Hans
Holbein (1460—1524) in seinen andachtstiefen,
der Münchener Pinakothek gehörigen Bildern des
Marienlebens dar. (Abb. 4.) — Zur Jugend-
geschichte der Madonna gehört auch ihr Walten
als Tempeldienerin. Es gibt in Taras-
con in Südfrankreich ein Graffitobild (eine ge-
ritzte Zeichnung) aus dem fünften oder sechsten
Jahrhundert, das Maria in jenem Amte darstellt,
mit beim Gebet aufgehobenen Händen dastehend.
Auch Führich hat in einer feinen Zeichnung
Maria unter den Tempeljungfrauen dargestellt.
(Führich-Monographie Abb. 49.)

So selten wie derartige Bilder, so häufig sind
jene, welche die Vermählung Mariä mit
St. Joseph zeigen. Es gibt solche schon aus sehr
alter Zeit, besonders häufig aber sind sie seit dem

Abb. s Phot, Anderson

Mariotto Albertinclli, Die Heimsuchung sText S. 12)
Florenz, Gemäldegaleric Pittt
 
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