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Abb. 62 Gerard David, Madonna von Heiligen und Engeln verehrt (Text S. tt)
Rouen, Museurn
von Vicenza geschaffen hatte, ist jetzt die köft-
lichste Perle der Dresdener Galerie. Zwischen
einem geöffneten Vorhange, als würde uns ein
Blick in das himmlische Eden gestattet, strahlt
Maria in Herrlichkeit und Majeftät als Trägerin
ihres göttlichen Kindes, eine Jdealgestalt, die hier
auch in technischer Hinsicht durch Raffael zu höch-
ster Vollkommenheit geführt ist. Jhr empfiehlt
der heilige Papft Sixtus die Kirche an, indes
St. Barbara liebreich auf die Beter niederblickt.
— Jst dieses die höchste aller von der Malerei
jemals angestimmten Lobpreisungen Mariä, fo hat
doch auch Spanien Köstliches hervorgebracht.
Davon ist schon zuvor die Rede gewesen, und wir
lenken hier nochmals unsere Aufmerksamkeit dar-
auf. um uns des schönen Bildes der mit dem
Kinde in einer lieblichen Landschaft fitzenden Ma-
donna vonAlonsoCano (1601—1667), des großen
Meisters von Sevilla, zu erfreuen. (Abb. 56.) Jn
Deutschland erwarb zuvörderst Köln den
Nuhm, edelfte Marienbilder erzeugt zu haben. Ein
Werk von der bestrickenden Liebenswürdigkeit der
„Madonna mit der Wickenblüte" ist Meister Wil-
helm (14. Jahrhundert) zugeschrieben. (Abb. 57.)
Es liegt in diesen frühen Bildern die reinste Un-
schuld undkindlicheEinfalt, innigerLiebreiz, tiefste
Frömmigkeit undsoendlosvielwohltuenderFriede.
Sie haben etwasWeiches, Unpersönliches, Leiden-
schaftsloses in'den sanft niedergeschlagenen Augen,
in der zarten Abrundung der Köpfchen mit ihren
hohenStirnen und scheinen so ganz vomJrdischen
losgelöst. WilhelmsSchüler warStephanLochner,
von dem wir schon sprachen und von dem wir eine
ftehende Madonna als eines seiner vollendetften
Werke hier zeigen. (Abb. 58.) Sie gehört dem
Erzbischöflichen Museum zu Köln an. Stephan
Lochner war einer der Hauptmeister der mystischen
Richtung, die Maria nach den Schriften Heinrich
Susos, Taulers und anderer als Rosa mystica in
einem Rosenhag darstellt, der lieblich durch kleine
Engel, zarte Blumen und Vöglein belebt ist.
(Abb. 59.) Dies auch von Schongauer benutzte
Motiv hat sich andauernd großer Beliebtheit er-
freut. — Jm Laufe der Zeit gewann die Kunst
an Kraft und Erfahrung, aber das natürlich Dich-
terische jener alten Meister ist nicht wieder erreicht
worden. Andere Zeiten kamen, und mit ihnen
neue Anschauungen, zudem hatte die alte echt
deutsche Auffasfung in der Malerei bereits durch
das Eindringen niederländischer Einflüsse manche
Änderung erfahren. Die Madonnenmalerei aber
blühte dennoch weiter. Sie feierte Triumphe in
den Werken des Holzschnittes und Kupferstiches.
Herrliche Marienbilder schufen Meister wie Burgk-
mair, Albrecht Altdorfer, vor allem aber Holbein
der Jüngere, Albrecht Dürer und in seinen guten
Zeiten der prächtige ältereLucasCranach. Bei kei-
nem von ihnen glänzt wohl deutsches Wesen und
Lauterkeit der Kunst heller als bei Dürer. Er war
mystisch veranlagt und hielt an den alten Motiven
gewissenhast fest, und so vermochte er, zumal auch
durch seine herrlichen Holzschnitte und Kupfer-
stiche, den mächtigsten Einfluß auf das Volk zu
üben. Seine Madonnen stnd freundliche, vom
wärmsten kräftigen Gefühl erfüllte deutsche Bür-
gerfrauen; auf einem Kupferstich von 1514 hat
er sogar die Stadtmauer von Nürnberg zum Hin-
tergrunde gewählt, und dennoch wirken sie er-
hebend, erregen Gesühle wahrer Andacht. —
Eine ganz andere Seele lebte in der flämi-
Abb. 62 Gerard David, Madonna von Heiligen und Engeln verehrt (Text S. tt)
Rouen, Museurn
von Vicenza geschaffen hatte, ist jetzt die köft-
lichste Perle der Dresdener Galerie. Zwischen
einem geöffneten Vorhange, als würde uns ein
Blick in das himmlische Eden gestattet, strahlt
Maria in Herrlichkeit und Majeftät als Trägerin
ihres göttlichen Kindes, eine Jdealgestalt, die hier
auch in technischer Hinsicht durch Raffael zu höch-
ster Vollkommenheit geführt ist. Jhr empfiehlt
der heilige Papft Sixtus die Kirche an, indes
St. Barbara liebreich auf die Beter niederblickt.
— Jst dieses die höchste aller von der Malerei
jemals angestimmten Lobpreisungen Mariä, fo hat
doch auch Spanien Köstliches hervorgebracht.
Davon ist schon zuvor die Rede gewesen, und wir
lenken hier nochmals unsere Aufmerksamkeit dar-
auf. um uns des schönen Bildes der mit dem
Kinde in einer lieblichen Landschaft fitzenden Ma-
donna vonAlonsoCano (1601—1667), des großen
Meisters von Sevilla, zu erfreuen. (Abb. 56.) Jn
Deutschland erwarb zuvörderst Köln den
Nuhm, edelfte Marienbilder erzeugt zu haben. Ein
Werk von der bestrickenden Liebenswürdigkeit der
„Madonna mit der Wickenblüte" ist Meister Wil-
helm (14. Jahrhundert) zugeschrieben. (Abb. 57.)
Es liegt in diesen frühen Bildern die reinste Un-
schuld undkindlicheEinfalt, innigerLiebreiz, tiefste
Frömmigkeit undsoendlosvielwohltuenderFriede.
Sie haben etwasWeiches, Unpersönliches, Leiden-
schaftsloses in'den sanft niedergeschlagenen Augen,
in der zarten Abrundung der Köpfchen mit ihren
hohenStirnen und scheinen so ganz vomJrdischen
losgelöst. WilhelmsSchüler warStephanLochner,
von dem wir schon sprachen und von dem wir eine
ftehende Madonna als eines seiner vollendetften
Werke hier zeigen. (Abb. 58.) Sie gehört dem
Erzbischöflichen Museum zu Köln an. Stephan
Lochner war einer der Hauptmeister der mystischen
Richtung, die Maria nach den Schriften Heinrich
Susos, Taulers und anderer als Rosa mystica in
einem Rosenhag darstellt, der lieblich durch kleine
Engel, zarte Blumen und Vöglein belebt ist.
(Abb. 59.) Dies auch von Schongauer benutzte
Motiv hat sich andauernd großer Beliebtheit er-
freut. — Jm Laufe der Zeit gewann die Kunst
an Kraft und Erfahrung, aber das natürlich Dich-
terische jener alten Meister ist nicht wieder erreicht
worden. Andere Zeiten kamen, und mit ihnen
neue Anschauungen, zudem hatte die alte echt
deutsche Auffasfung in der Malerei bereits durch
das Eindringen niederländischer Einflüsse manche
Änderung erfahren. Die Madonnenmalerei aber
blühte dennoch weiter. Sie feierte Triumphe in
den Werken des Holzschnittes und Kupferstiches.
Herrliche Marienbilder schufen Meister wie Burgk-
mair, Albrecht Altdorfer, vor allem aber Holbein
der Jüngere, Albrecht Dürer und in seinen guten
Zeiten der prächtige ältereLucasCranach. Bei kei-
nem von ihnen glänzt wohl deutsches Wesen und
Lauterkeit der Kunst heller als bei Dürer. Er war
mystisch veranlagt und hielt an den alten Motiven
gewissenhast fest, und so vermochte er, zumal auch
durch seine herrlichen Holzschnitte und Kupfer-
stiche, den mächtigsten Einfluß auf das Volk zu
üben. Seine Madonnen stnd freundliche, vom
wärmsten kräftigen Gefühl erfüllte deutsche Bür-
gerfrauen; auf einem Kupferstich von 1514 hat
er sogar die Stadtmauer von Nürnberg zum Hin-
tergrunde gewählt, und dennoch wirken sie er-
hebend, erregen Gesühle wahrer Andacht. —
Eine ganz andere Seele lebte in der flämi-